Es könnte so einfach sein: Beim kommunalen Energieversorger anrufen und auf „Ökostrom“ umstellen, fertig. Doch geht das wirklich? Utopia hat 12 große Stadtwerke auf ihr Angebot abgeklopft. Ergebnis: Etliche deutsche Stadtwerke drücken sich vor der Energiewende, doch insgesamt sind sie besser als ihr Ruf.
Wer heute umweltfreundlich und nachhaltig handeln will, kommt an Ökostrom für Haushalt oder Betrieb nicht vorbei. Spätestens beim Thema Klima ist Energie aus fossilen Quellen der falsche Weg. Doch wo ordert man seine grünen Kilowattstunden? Die einschlägigen Vergleichsportale listen stellenweise über 400 Tarife.
Der einfachste Weg wäre für viele Menschen, in einen Ökostromtarif der jeweiligen Stadtwerke zu wechseln. Aber ist deren Angebot wirklich vertrauenswürdig?
Argumente haben ja alle: „Grüner Strom aus der Region für die Region. Von einem Regionalversorger, der gesellschaftliche Verantwortung vor Ort übernimmt“, heißt es etwa bei der Nürnberger N-ergie. Wogegen Heiko von Tschischwitz, Chef des Ökostrompioniers Lichtblick, pointiert kontert, dass „Vegetarier ja auch nicht beim Metzger kaufen würden“.
Ökostrom: 12 große Stadtwerke im Utopia-Check
Utopia.de hat zwölf Stadtwerke und lokale Versorger in den Ballungsräumen Deutschlands beispielhaft angeschaut. In diesen Großstädten leben aktuell etwa 12,5 Mio. Menschen – also mehr als ein Siebtel der Gesamtbevölkerung. Der Rücklauf eines umfangreichen Fragen-Katalogs war überwiegend gut, nur Düsseldorfs Stadtwerken gelang es in drei Wochen nicht, auch nur eine Frage zu beantworten. Ihre Daten wurden dem Webseiten-Angebot entnommen – wo sich auch der Satz fand: „Die Alternativen Energien sind nur ein Bestandteil unserer Erzeugungslandschaft.“ Aha.
Eine Tabelle als PDF zum Downloaden listet die wichtigsten Eckdaten samt Utopia-Empfehlung auf. Aber Vorsicht: Diese Tabelle darf man bitte nicht als „Testtabelle“ lesen, sie ist als Übersicht zu verstehen. Denn vieles von dem, was Energieversorger für die Energiewende tun oder eben nicht, lässt sich schwer tabellarisch erfassen.
Es ergäbe auch keinen Sinn, Stadtwerke „gegeneinander zu testen“. Die Utopia-Befragung soll vor allem ein Bild liefern, wie gut die Stadtwerke bei Ökostrom sind. Und sie gibt Antwort auf die Frage: Wo können Kunden, die sich Ökostrom wünschen, mit gutem Gewissen auf solchen ihrer kommunalen Energieversorger umstellen, und wo sind sie mit reinen Ökostrom-Anbietern besser bedient?
Stadtwerke-Ökostrom ist teils besser als sein Ruf
Die wichtigsten Ergebnisse (Tabelle als PDF):
- Sehr gut finden wir die Angebote der Stadtwerke Stuttgart und von Hamburg Energie, wo man getrost auf Ökostrom umstellen kann. Hamburg Energie handelt überhaupt nicht mehr mit Energie aus fossilen Brennstoffen und hat sinnvolle Pläne für die Zukunft. In Hamburg gibt es auch eines der wenigen Mieterstromprojekte, wo PV-Anlagen durch Ökostrom von Hamburg-Energie ergänzt werden können; sowas gibt es bundesweit noch ganz selten. Als Tarif empfehlen wir „Tor zur Welt“ oder „Heimathafen“ (Link), die beide aktiv zum Ausbau der EE beitragen und sich nur durch Preisgarantien unterscheiden. Auch die StW Stuttgart bieten – wie Hamburg Energie – nur grünen Strom an, beschränken sich dabei auf den einzelnen Tarif „stuttgartENERGIE-Ökostrom“ (Link), inklusive aktivem Ausbau regenerativer Energien. Die StW Stuttgart haben nach eigenen Angaben bereits 100 Mio. Euro in neue Ökostrom-Anlagen investiert und unterstützen aktiv PV-Anlagen auf Stuttgarter Hausdächern.
- Gut finden wir die Angebote von Drewag Dresden. Dort hat man zwar noch viel Grau im Angebot, bietet aber interessante Grünstrom-Tarife, zum Beispiel „Dresdner Strom Natur“, wo man mit einem neuen Stromzähler sehr genau seinen Verbrauch analysieren kann. Wir empfehlen den Tarif „Grüner Strom für Dresden“ (Link), bei dem die Kunden recht frei selbst entscheiden können, wie viel sie freiwillig für den Ausbau regenerativer Energien zahlen. Dieser Ausbau wird in Kooperation mit der lokalen Nachhaltigkeitsinitiative „Lokale Agenda 21“ geplant.
- Gerade noch gut finden wir die Stadtwerke München. Die haben zwar noch fossilen Strom im Angebot, wollen aber ganz klar weg davon. Problematisch ist allerdings die bestehende 25%-Prozent-Beteiligung am Atomkraftwerk Isar 2, die von den Münchnern gern unter den Tisch gekehrt wird, sie aber noch teuer zu stehen kommen wird. Diese Kröte muss man schlucken – und man kann es auch, weil die Stadtwerke sich klar dazu bekennen, bis 2025 komplett auf Ökostrom aus eigenen Anlagen umzustellen. Wichtig ist aber, den Tarif „M-Ökostrom aktiv“ (Link) zu wählen, denn nur damit fördert man aktiv den Ausbau der erneuerbaren Energien.
- Befriedigend: Frankfurts Mainova, die Stadtwerke Leipzig und N-ergie aus Nürnberg bilden das Feld der „Durchschnittlichen“: ohne großen Schwächen – aber auch ohne Beleg, dass man sich überproportional Mühe gibt. Kölns Rheinenergie ist inzwischen (Mit-)Besitzer von 20 Windparks, hat aber immer noch RWE auf der Gesellschafterseite, die massiv an Braun- und Steinkohle-Strom festhalten. In diesen vier Städten kann man schon Ökostrom der Stadtwerke nehmen – aber auf einen reinen Ökostrom-Anbieter umzusteigen fänden wir dort bereits sinnvoller.
- Ausreichend: Die teilweise überschweren Beteiligungen der Atom- und Kohlestrom-Konzerne ziehen Anbieter wie die Stadtwerke Düsseldorf aus unserer Sicht nach unten. Erkennbar ist hier wie auch bei Dortmunds DEW21 eine gewisse Lustlosigkeit im Umgang mit Öko-Energie. Vattenfall in Berlin, der Erzeuger von Strom aus Atomkraft und Braunkohle, gilt ohnehin als Bremser der Energiewende. SWB Bremen gibt sich sichtlich Mühe, ökologisch glaubwürdiger zu werden, und verspricht beim Tarif „swb Strom proNatur“ auch einen Ausbau regionaler Ökostromanlagen; doch mit 66 Prozent Kohle und Atom im Strom-Mix und ohne Öko-Label auf dem Grünstrom hat man eine Menge aufzuholen. Klare Empfehlung: In diesen Städten lieber einen reinen Ökostrom-Anbieter.
Eine Übersicht zu Ökostrom von den Stadtwerken finden Sie als PDF mit Tabelle Erläuterungen hier zum Download (PDF). Insgesamt zeigt sich, dass alle Stadtwerke Öko-Tarife haben, was positiv ist. Doch oft stammt der Ökostrom noch aus Wasserkraft aus skandinavischen Ländern.
Ökostrom von Stadtwerken hat noch viel Weg vor sich
Qualitativ können einige der betrachteten Grünstrom-Tarife den Angeboten der ausschließlichen Ökostrom-Anbieter wie Greenpeace Energy, Naturstrom, Polarstern oder den „Strom-Rebellen“ von EWS Schönau im fast wörtlichen Sinn „das Wasser reichen“. Erstens speisen sie sich aufgrund der herrschenden Gesetzeslage aus ähnlichen Quellen. Zweitens tragen fast alle eine Zertifizierung, wenn auch nur vier von ihnen mit dem hochwertigen „ok power“-Siegel ausgerüstet sind.
Aber reicht das schon? Nein. Denn wer die Energiewende nach Kräften voranbringen will, muss in neue Anlagen zur Erzeugung ökologischen Stroms investieren. Je glaubwürdiger Stadtwerke das tun, desto besser können sie sich hier positionieren, und den mit „Sehr gut“ und „Gut“ bewerteten Anbietern gelingt das in unseren Augen auch. Allerdings kommt es da natürlich auch auf die Finanzkraft an: Nicht jeder Energieanbieter hat Mittel und Möglichkeiten, so schnell umzustellen, wie das wünschenswert wäre.
Stadtwerke-Grünstrom oder Ökostrom-Spezialisten?
Bleibt die Frage: Ökostrom von den Stadtwerken nehmen – oder doch einen Tarif von Ökostrom-Spezialisten wie Greenpeace Energy, Lichtblick, Naturstrom, Polarstern oder EWS Schönau buchen? Diese Frage kann kaum rational beantwortet werden. Das „Bauchgefühl“ und die politische Einstellung zu den großen Stromkonzernen haben sich oft über Jahrzehnte entwickelt und sind nicht einfach wegzudiskutieren.
Allerdings übersieht man allzu leicht die wichtige Rolle der kommunalen Unternehmen für das Stadtgeschehen. Ohne die Gewinnabführung der Stadtwerke an den Kämmerer würden vielerorts Busse, Bahnen, Bühnen und Bäder höchstens eingeschränkt funktionieren und wären kaum noch zu bezahlen. Der „Public Value“ umfasst neben mehreren Hundert Arbeitsplätzen am Ort meist umfangreiche Sponsorleistungen für Kultur, Bildung, Sport … davon profitieren auch etliche Vereine. „Viele Verbraucher“, sagt Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW im Utopia.de-Interview, „haben dafür eine Zahlungsbereitschaft.“
Stromvergleich Ökostrom: der Ökostrom-Vergleich von Utopia
Fazit: Stadtwerke-Ökostrom ist noch ausbaufähig
Stadtwerke und ihre Ökostrom-Angebote sind zuweilen besser als ihr Ruf. Viele Anbieter haben zwar die Energiewende verschlafen, holen aber zunehmend auf. Ihre Grünstrom-Produkte sind meist zertifiziert, wenn auch nicht immer mit den besten Siegeln. Lokal leisten sie viel für das Gemeinwesen. Wenn dann auch noch die EE-Entwicklungspolitik stimmen würde, könnte man sich stellenweise durchaus mit den Grünstrom-Tarifen der Stadtwerke anfreunden.
Ernüchterung stellt sich allerdings ein, wenn man einige Zahlen näher betrachtet. So waren 2012 sämtliche Regionalversorger gerade einmal 1,3 Prozent an allen Ökostrom-Erzeugungsanlagen in Deutschland beteiligt. Wer aus Überzeugung erneuerbare Energien wählt, wird wohl auch deshalb noch längere Zeit zu den reinen Ökostrom-Anbietern tendieren. Da weiß man, was man hat.
- Ökostrom: Einfacher Umstieg in fünf Schritten
- Ökostrom: Die besten Anbieter
- Ökostrom: Die besten Siegel und Label
Welche Ökostrom-Angebote von welchen Stadtwerken benutzt ihr, sofern ihr diese nutzt? War es leicht, dort einen Tarif zu finden, der ausdrücklich den Ausbau erneuerbarer Energiequellen unterstützt? Gebt uns bitte Feedback in den Kommentaren – und teilt diesen Beitrag in sozialen Netzen; danke!
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