Passiv-aggressives Verhalten ist eine Trotzhaltung, bei der Ärger nicht offen zum Ausdruck kommt. Dieses Verhalten kann zu Problemen im Alltag führen. Wir erklären dir, wie du passiv-aggressives Verhalten erkennst und am besten darauf reagierst.
Das Schlagwort „passiv-aggressives Verhalten“ ist mittlerweile weit verbreitet. Doch was genau ist damit eigentlich gemeint?
Laut Psychologie heute wurde der Begriff ursprünglich von Colonel William Menninger geprägt. Er war Militär-Psychiater während des zweiten Weltkrieges. Er beobachtete, dass einige Soldaten sich auf eine bestimmte Art und Weise gegen die Bevormundung und Befehle ihrer Vorgesetzten wehrten.
Die Soldaten gaben beispielsweise vor, bestimmte Befehle nicht verstanden zu haben oder behaupteten, sie vergessen zu haben. Sie machten ihre Vorgesetzten bei Kollegen schlecht, sprachen aber nie den Vorgesetzten direkt auf den Konflikt an. Menninger beschrieb dieses Verhalten als eine Form der Unreife und gab ihm dem Namen „passiv–aggressives Verhalten“.
Vereinfacht lässt sich passiv–aggressives Verhalten wie folgt zusammenfassen:
Passiv–aggressive Personen gehen der direkten Konfrontation aus dem Weg und drücken ihren Ärger nicht direkt aus. Sie lassen ihr Gegenüber aber trotzdem spüren, dass sie verärgert sind – ohne dabei den Grund oder eine potentielle Lösung zum Ausdruck zu bringen.
Ist passiv-aggressives Verhalten eine Persönlichkeitsstörung?
Bis heute ist nicht abschließend geklärt, ob es sich beim passiv-aggressiven Verhalten um eine Persönlichkeitsstörung im klassischen Sinne handelt. Die American-Psychiatric Association (APA) hat die passiv-aggressive Verhaltungsstörung beispielsweise nicht als eigene Persönlichkeitsstörung eingestuft. In ihrem Klassifizierungskatalog DSM-5 ist sie lediglich als Persönlichkeitsstörungsmerkmal gelistet.
Das bedeutet aber nicht, dass es sich bei passiv-aggressivem Verhalten nicht um eine Persönlichkeitsstörung handeln kann. Laut Psych Central ist die Klassifizierung als Persönlichkeitsstörungsmerkmal auf bisher unzureichende Forschungsdaten zurückzuführen. Im Gegensatz zur APA führt etwa die WHO passiv-aggressives Verhalten als Persönlichkeitsstörung und teilt es den „sonstigen spezifischen Störungen“ zu, so Psychologie heute.
Die Diagnose für eine Persönlichkeitsstörung können nur erfahrene Psychiater:innen oder Psychotherapeut:innen stellen. Der Begriff sollte deshalb nicht pauschalisiert werden. Viele haben sicherlich schon passiv-aggressives Verhalten erlebt oder sich in bestimmten Situationen selbst so verhalten, ohne dass gleich eine Persönlichkeitsstörung vorliegt. Von einer Persönlichkeitsstörung ist erst dann die Rede, wenn ein Verhalten stabil und langanhaltend ist und sich mindestens bis ins frühe Erwachsenenalter zurückverfolgen lässt. Dabei muss die Ausprägung so stark sein, dass sie erheblich von der Norm abweicht.
Das bedeutet: Nicht jede Person, die sich passiv-aggressiv verhält, leidet automatisch an einer Persönlichkeitsstörung. Dies ist sogar sehr selten der Fall. Insgesamt sind in Deutschland rund zehn Prozent der Bevölkerung von einer Persönlichkeitsstörung betroffen.
Obwohl die Therapie von Persönlichkeitsstörungen oft lange dauert und eine Herausforderung darstellt, sind sie im Allgemeinen behandelbar.
Passiv-aggressives Verhalten: So erkennst du es
Um herauszufinden, ob du es mit passiv-aggressivem Verhalten zu tun hast, solltest du auf folgende Alarmzeichen achten:
- Versucht dein Gegenüber gern, die Schuld auf andere Menschen zu schieben?
- Drückt sich dein Gegenüber gern vor Verantwortung?
- Vergisst er oder sie gern als unangenehm empfundene Aufgaben?
- Verhält sich dein Gegenüber mürrisch, behauptet aber, dass alles in Ordnung sei?
- Stimmt dein Gegenüber etwas zu, hält sich dann aber nicht an die Absprache?
- Beschwert sich dein Gegenüber über alles und jeden, unternimmt aber nichts Konstruktives, um die Situation zu verbessern?
- Geht dein Gegenüber einem direkten Konflikt aus dem Weg, versucht aber, andere dazu anzustiften? Oder in anderen Worten: Versucht dein Gegenüber andere davon zu überzeugen, seinen oder ihren Konflikt stellvertretend zu führen?
- Nimmt dein Gegenüber Veränderungen grundsätzlich erst einmal als etwas Negatives wahr?
- Trödelt dein Gegenüber gern bei unliebsamen Aufgaben, ohne direkt anzusprechen, dass er oder sie die Aufgabe nicht erledigen möchte?
- Versucht dein Gegenüber, alle Schuld von sich zu weisen und den Spieß umzudrehen, so dass du am Ende das Gefühl hast, etwas falsch gemacht zu haben?
Dies können alles Anzeichen dafür sein, dass sich jemand in deinem Umfeld passiv-aggressiv verhält. Diese Liste ist aber bei weitem nicht abschließend und umfasst nur die gängigsten Punkte. Es gibt noch weitere Anzeichen für passiv-aggressives Verhalten, wie sie etwa Psych Central zusammenfasst. Dein Gegenüber kann sich allerdings auch passiv-aggressiv verhalten, obwohl nur wenige dieser Punkte erfüllt sind.
Wenn du das Gefühl hast, dass diese Beschreibung auf Menschen in deinem Umfeld zutrifft, kann es sein, dass du richtig liegst. Es muss aber nicht unbedingt so sein. Halte dich deshalb mit spezifischen Äußerungen zurück, um die betreffende Person nicht zu verletzen.
Andererseits solltest du solches Verhalten aber auch nicht so stehen lassen und einfach akzeptieren. Menschen, die sich passiv-aggressiv verhalten, haben oftmals nicht nur Probleme in ihrem Privatleben, sondern auch im Beruflichen. Ist bei jemandem das passiv-aggressive Verhalten stark ausgeprägt, schießt sich die betroffene Person langsam aber sicher ins soziale Aus.
Zeige und sage der betreffenden Person, dass du ihr Verhalten nicht in Ordnung findest, ohne ihr vorzuwerfen, sie hätte eine passiv-aggressive Persönlichkeit. Kommuniziere, welche Verhaltensweisen dich stören und warum, ohne dein Gegenüber als passiv-aggressiv abzuwerten.
Generell solltest du das Verhalten anderer Menschen nicht leichtfertig pathologisieren. Kommt beispielsweise deine Freundin manchmal zu spät zu Verabredungen und lässt dich warten, so ist sie deshalb nicht automatisch passiv-aggressiv. Kommt das aber jedes Mal vor und sie reagiert mürrisch, wenn du sie darauf ansprichst, solltest du hier gegebenenfalls eine Grenze ziehen.
Die Grenze die du ziehst kann ganz verschieden aussehen und ist oft davon abhängig, wie sehr dich das Verhalten deines Gegenübers stört und belastet. Bevor du jedoch vorschnell Schlüsse ziehst, solltest du das Verhalten in jedem Fall ansprechen und deinem Gegenüber die Chance geben sein oder ihr Verhalten zu ändern.
Um dir das Ganze etwas anschaulicher darzustellen, haben wir im Folgenden ein paar Tipps für dich, die dir hoffentlich den Umgang mit Menschen erleichtern, die sich passiv-aggressiv Verhalten. Dein Ziel sollte sein ihnen stets respektvoll, aber nötigen Klarheit zu begegnen.
Passiv–aggressives Verhalten: Das kannst du tun
Wenn du in deinem Umfeld mit einer passiv–aggressiven Person konfrontierst bist oder glaubst, mit einer konfrontiert zu sein, ist es wichtig, dass du dich nicht provozieren lässt. Im Gespräch mit passiv-aggressiven Menschen solltest du ruhig und sachlich bleiben und dennoch konkrete Antworten einfordern. Wie bei jedem anderen Gespräch ist es wichtig, auf dein Gegenüber einzugehen und ihm oder ihr nicht das Gefühl zu geben, als Verlierer:in dazustehen.
Passiv–aggressive Menschen haben oft nicht gelernt, ihre Gefühle richtig auszudrücken oder richtig „Nein“ zu sagen. Häufig sind sie mit der Erfahrung aufgewachsen, dass Grenzen in ihrer Kindheit nicht respektiert wurden und Widerstand zwecklos war. Versuche deinem Gegenüber also das Gefühl zu geben, dass du seine oder ihre Grenzen respektiert. Nimm die Gefühle deines Gegenübers ernst und kommuniziere das auch klar und deutlich.
Sei empathisch und bestimmt in deiner Kommunikation und fordere von deinem passiv–aggressiven Gegenüber ein, Verantwortung für sein Verhalten zu übernehmen. Zeige auf der einen Seite Verständnis für die Situation, mache auf der anderen Seite aber auch klar, dass du dieses Verhalten so nicht duldest.
Hast du beispielsweise einen Freund, der dir schon lange einen Gefallen versprochen hat, ihn aber immer wieder aufschiebt? Auf deine Nachfrage, wann er sein Versprechen denn einlösen wolle, erhältst du vielleicht Antworten wie: „Jaja, ich mache das schon bald“. Innerlich spürst du dann schon, dass aus dem „bald“ ein „irgendwann“ und aus dem „irgendwann“ ein „nie“ wird, wenn du die Sache nicht selbst in die Hand nimmst. Statt die Aufgabe selbst zu erledigen und frustriert darüber zu sein, dass dein Freund sein Versprechen nicht gehalten hat, kannst du Folgendes tun:
- Sprich deinen Freund direkt auf das Problem an und versuche, das dahinterliegende Bedürfnis herauszufinden. Was ist der Grund, warum er sich vor dieser Aufgabe drückt?
- Strebe dabei eine Win–win-Situation an. Passiv–aggressive Menschen mögen es nicht, in die Ecke gedrängt zu werden und setzen alles daran, eine Konversation nicht zu „verlieren“. Frage ihn zum Beispiel, ob er Hilfe gebrauchen kann und mache ihm konkrete Lösungsvorschlage.
- Erledigt dein Freund diese Aufgabe dann am Ende, ohne mürrisch zu sein, zolle ihm auch deinen Respekt und zeige ihm, dass du ihm dies hoch anrechnest. So gewinnen passiv–aggressive Menschen an dringend benötigtem Selbstbewusstsein und lernen eventuell, dass es auch angenehm für sie selbst sein kann, wenn sie sich an Abmachungen halten.
Fazit: Umgehen mit passiv-aggressivem Verhalten
Der Umgang mit passiv–aggressiven Menschen ist nicht einfach und zeigt dir auch einiges über dich selbst. Wichtig ist, dass du immer auf Folgendes achtest:
- Bleibe ruhig und lasse dich nicht provozieren
- Zeige Empathie für dein Gegenüber, bleibe aber trotzdem bei einer klaren Linie
- Fordere deutliche Antworten ein und bring dein Gegenüber im besten Fall dazu, seinen Ärger offen zu kommunizieren
Lasse den passiv-aggressiven Menschen niemals mit dem Gefühl zurück, dass er oder sie „verloren“ habe und achte auf ein Gespräch auf Augenhöhe.
Beim Umgang mit passiv-aggressiven Menschen kannst du nicht nur einiges über sie lernen, sondern auch über dich. Eine klare Linie zu haben und dich nicht provozieren zu lassen, schult deinen Charakter und lässt dich in Gesprächen ganz anders auftreten.
Sieh den Umgang mit passiv-aggressiven Menschen daher nicht als etwas gänzlich Negatives an, sondern versuche, einen Lerneffekt für dich selbst mitzunehmen und dich dadurch weiterzuentwickeln.
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