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Samenfest vs. F1-Saatgut: Wo liegt der Unterschied?

samenfest f1 saatgut
Foto: CC0 / Unsplash / GreenForce Staffing

Im Biomarkt ist Obst oder Gemüse öfter mal als „samenfest“ ausgeschildert. Der Gegensatz dazu wäre F1-Saatgut. Was ist der Unterschied und wieso soll eines besser sein als das andere?

Samenfest – bedeutet das festere Samen und hat F1-Saatgut irgendetwas mit Rennautos zu tun? Beides nein. Doch du findest manchmal, vor allem im Biomarkt, dass samenfestes Saatgut oder Gemüse besonders beworben wird. Bei F1-Gewächsen ist das jedoch nie der Fall. Warum?

Einerseits liegt das daran, dass F1-Nahrungsmittel die Regel sind und samenfestes Saatgut schwerer zu finden. Andererseits verfolgt und erreicht die Nutzung von samenfesten Sorten ökologische Ziele. Wir erklären die Zusammenhänge.

Samenfest versus F1-Saatgut: Das ist der Unterschied

Samenfestes Saatgut bewahrt natürliche genetische Variation. F1-Gemüse ist zwar quasi makellos, aber nicht vermehrbar.
Samenfestes Saatgut bewahrt natürliche genetische Variation. F1-Gemüse ist zwar quasi makellos, aber nicht vermehrbar.
(Foto: CC0 / Unsplash / Gabriel Gurrola)

Korrekterweise müsste man zwischen samenfest und hybrid unterscheiden:

Mit samenfestem Saatgut wird ausgesät, gepflanzt, geerntet, dann etwas Saatgut fürs nächste Jahr einbehalten. Dabei wählen Bäuer:innen die Samen von Pflanzen aus, die wünschenswerte Merkmale haben, zum Beispiel besonders gut schmecken. Dieser Kreislauf ist Tausende von Jahren alt und hat uns eine große Diversität von leckeren und nahrhaften Obst- und Gemüsesorten beschert. Doch dieses Vorgehen ist heutzutage nicht mehr Standard.

Stattdessen: In der Hybridzucht werden von einem Saatgutkonzern zwei Merkmale gezielt gekreuzt, zum Beispiel eine große Größe und eine intensive Farbe. Diese können von genetisch sehr weit entfernten Organismen stammen. Die hybriden Pflanzen, die dabei herauskommen, haben dann beide dieser Merkmale. Das ist die F1-Generation, was für erste Filial-, also Tochtergeneration, steht.

Doch aus diesen Pflanzen ergibt sich kein keimfähiges Saatgut mehr. Sie sind sozusagen ein Einwegprodukt. Zwar kann man die Samen darin noch in die Erde stecken, die Ergebnisse sind jedoch unvorhersehbar und bleiben oft auch komplett aus. F1-Saatgut wird in der Praxis nicht wiederverwendet, weil es sich oft nicht lohnt. Bäuer:innen müssen sich für die nächste Ernte neues Saatgut von einem Saatgutkonzern wie Bayer/Monsanto oder Syngenta kaufen.

Wie wirkt sich samenfestes und hybrides Saatgut auf die Landwirtschaft aus?

Leider die Regel: Das Hybridsaatgut stammt von demselben Hersteller wie die darauf abgestimmten Pestizide.
Leider die Regel: Das Hybridsaatgut stammt von demselben Hersteller wie die darauf abgestimmten Pestizide.
(Foto: CC0 / Unsplash / Shad Arefin Sanchoy)

Die Hybride Züchtung bringt, zumindest in der ersten Generation, schnell und unkompliziert wünschenswerte Ergebnisse. Man kann damit zum Beispiel auch ertragreichere F1-Pflanzen herstellen, sodass auf weniger Fläche mehr Lebensmittel angebaut werden können. Könnte das nicht unsere Ernährungssicherheit erhöhen? Indem man schnell Pflanzen züchtet, die widerstandsfähiger sind, könnte das die Landwirtschaft gegen die Klimakrise wappnen?

Hersteller von hybridem Saatgut argumentieren manchmal so. Wenn pro Fläche mehr Ertrag erzielt wird, erscheint das Anbausystem erst einmal sehr effizient. Doch der Flächenverbrauch ist nicht der einzige Faktor. In der konventionellen Landwirtschaft kommen verschiedenste chemisch-synthetische Pestizide und Kunstdünger zum Einsatz, die den Pflanzen zum Wachstum verhelfen sollen – oder es erst ermöglichen.

Wie die Autorin Anja Banzhaf in ihrem Buch „Saatgut“ erklärt: „Konzerne kaufen sich in verschiedene Bereiche entlang der Saatgut-Wertschöpfungskette ein. Insbesondere die Verquickung zwischen Chemie- und Saatgutkonzernen hat sich für diese als äußerst fruchtbar erwiesen: Fünf der sechs größten Pestizidhersteller gehören heute zugleich zu den zehn größten Saatgutkonzernen.“

Schließlich sind es oft dieselben Firmen, die Saatgut, Dünger und Pestizide herstellen und können diese so ideal aufeinander abstimmen. Das bedeutet auch, dass Landwirt:innen sozusagen ein fertiges Anbau-Kit von ihnen kaufen zu müssen, damit bei ihnen etwas wachsen kann.

Wie groß der Einfluss dieser Firmen ist, zeigen Zahlen vom Weltagrarbericht:

  • Bei Mais haben fünf Firmen 75 Prozent Marktanteil.
  • Bei Zuckerrüben verfügen vier Firmen über 86 Prozent, die Top-Acht sogar 99 Prozent.
  • Nur fünf Konzerne kontrollieren 95 Prozent des Gemüsesaatguts auf dem Markt. 

Für die landwirtschaftlichen Betriebe bedeutet das eine starke Abhängigkeit.

Für die Umwelt kann es auch fatal sein. Schließlich ist bei der Produktion dieser Pflanzenschutz- und Düngemittel Nachhaltigkeit keineswegs die höchste Priorität: Laut Banzhaf verbraucht die Herstellung einer Tonne mineralischen Stickstoffdünger zwei Tonnen Erdöl. Dünger und Pestizide verpesten außerdem Böden und Gewässer, sodass die Böden selbst immer unfruchtbarer werden (siehe dazu: Bodendegradation) und Wasserknappheit zu einem größeren Problem wird. Oft geht mit hybridem Anbau auch die Monokultur einher, was den ökologischen Systemen weiter schadet:

Global gesehen ist samenfestes Saatgut der Normalfall

Wie die Heinrich-Böll-Stiftung beschreibt, gewinnen acht von zehn Bäuer:innen weltweit ihr Saatgut durch Nachbau oder Tausch untereinander – vor allem jedoch im Globalen Süden. Die Agrar-Großkonzerne haben den Markt in den Amerikas und Europa so gut wie gesättigt, sodass sie sich jetzt nach Asien und Afrika umsehen, wo samenfestes Saatgut noch der Standard ist.

Die Stiftung schreibt: Die „Großkonzerne werden versuchen, Kleinbäuerinnen und -bauern in ein kommerzielles Regime zu zwingen – und damit die oftmals gut funktionierenden lokal angepassten Saatgutsysteme zerstören.“

Doch auch in Europa droht die Macht dieser Konzerne noch mehr zu wachsen.

Gentechnik und Hybride: Die Deregulierung

Auch in anderen Ländern löst die wachsende Macht der Agrarkonzerne Prosteste aus.
Auch in anderen Ländern löst die wachsende Macht der Agrarkonzerne Prosteste aus.
(Foto: CC0 / Unsplash / Akshay Chauhan )

Das EU-Parlament plant, Gentechnik in der Landwirtschaft zu deregulieren: Mit Gentechnik entstandene Lebensmittel sollen bald nicht mehr als solche gekennzeichnet werden müssen. Auch in der biologischen Landwirtschaft, wo Gentechnik grundsätzlich verboten ist, hätten Landwirt:innen dann keine Kontrolle mehr darüber, ob das angebaute Saatgut gentechnisch verändert wurde.

Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und andere Verbände sprechen sich klar dagegen aus: Gentechnik widerspreche dem „Selbstverständnis der Öko-Bewegung“. Außerdem fällt mit der Deregulierung eine noch größere Last auf Bio-Bäuer:innen: „Um Bio-Produkte gegen Gentechnik-Einträge zu sichern, ist eine umfangreiche Qualitätssicherung in der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion notwendig. Das Verursacherprinzip wird auf den Kopf gestellt, was die Produkte derer verteuert, die keine Gentechnik im Essen wollen.“

Generell würde mit der neuen (Nicht-)Regelung die in Europa bisher obligatorische Risikoprüfung neuer Gentechnikpflanzen wegfallen.

Hybride, Gentechnik und Patente: Ernährungssouveränität in Gefahr

Unabhängig von gesundheitlichen Risiken: Gentechnik und hybrider Anbau könnten zusätzlich zu einer noch größeren Dominanz der vorherrschenden Agrarkonzerne führen: Schon seit langer Zeit dürfen Saatgutkonzerne ihre Kreationen patentieren. In den 1930er Jahren sollen die ersten Patente geltend gemacht worden sein.

Durch die Gentechnik können diese Konzerne bald wohl auch Saatgut mit Eigenschaften patentieren, die von anderen Züchter:innen durch normale Auslese erreicht werden könnten. Sie würden also Eigentumsrechte geltend machen für eine Kulturleistung der gesamten Menschheit – wie Franz Deffner von der Verbrauchergenossenschaft Tagwerk es nennt. Generationen von Bäuer:innen könnten auf eine bestimmte genetische Zusammensetzung hingearbeitet haben, doch ein mächtiger Agrarkonzern kann sie durch Patentierung davon abhalten, die Samen ihrer Pflanzen weiterzunutzen.

Andere Gefahren von Gentechnik bei hybridem Saatgut

Viele Biomärkte vertreten Nachhaltigkeit ganzheitlich: wenig Verpackung, mehr Regionalität und unabhängig Landwirtschaft stehen auch im Fokus.
Viele Biomärkte vertreten Nachhaltigkeit ganzheitlich: wenig Verpackung, mehr Regionalität und unabhängig Landwirtschaft stehen auch im Fokus.
(Foto: CC0 / Unsplash / Raul Gonzalez Escobar)

Neben den bereits genannten Gesundheitsrisiken, der drohenden Abhängigkeit, der unfair verteilten Mehrkosten und Zerstörung von Böden und Gewässern nennt der BUND folgende:

  • Arbeitsplätze: Schädlinge, die vorher von Hand oder durch von Menschen betriebene Maschinen entfernt wurden, werden mit effektiven Pestiziden einfach abgetötet
  • Auskreuzung und Durchwuchs: Gentechnisch veränderte Organismen können sich in der Umwelt ausbreiten und sind dann nur noch schwer kontrollierbar.
  • Herbizid- und insektenresistente Pflanzen können Insekten massenhaft abtöten, die von ihnen fressen, und haben durch ihre extreme Widerstandsfähigkeit gegenüber Herbiziden massive Auswirkungen auf das umliegende Ökosystem.

Samenfest statt F1-Saatgut: Wichtige Initiativen

Einerseits kannst du dich politisch dafür einsetzen, dass die Macht über das Saatgut, aus denen unsere Lebensmittel wachsen, nicht komplett an große Saatgutkonzerne übergeht. Es gibt auch sehr praktische Ansätze, samenfestes Saatgut zu erhalten.

Durch die Open Source Seed Initiative (OSSI) – angelehnt an Open Source Code, der von jeder und jedem genutzt und verbessert werden darf – erhalten Bäuer:innen samenfestes Saatgut zu ihrer freien Verwendung. Die einzige Regel ist, dass das Saatgut auch für andere verfügbar bleiben muss. 

Wenn du einkaufst, dann suche neben biologischer Anbauweise und Regionalität möglichst auch noch nach samenfestem Saatgut oder Obst und Gemüse, das daraus gewachsen ist. Besonders gute Chancen hast du im Biomarkt.

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