Mit dem Prinzip der Schwammstadt wollen sich Städte gegen die Folgen der Klimakrise wappnen und die Lebensqualität erhöhen. Was dahintersteckt, erfährst du hier.
Städte sind bei Starkregen, der im Zuge der Klimakrise immer häufiger auftritt, besonders anfällig für verheerende Überschwemmungen. Nach den schwersten Regenfällen seit 75 Jahren waren im Frühjahr 2024 zum Beispiele Teile der Metropole Dubai überschwemmt.
Überschwemmungen im städtischen Raum haben mit dem hohen Grad der dortigen Flächenversiegelung zu tun: Niederschlagswasser kann nicht einfach durch Asphalt, Steine oder Beton in den Boden versickern, sondern muss über die Kanalisation abgeleitet werden. Diese ist in den meisten Fällen jedoch nicht für extreme Wassermassen gewappnet. Auch geht über die Kanalisation Regenwasser als wichtige Ressource verloren.
Ein Stadtplanungskonzept, das dieses Problem beheben und dabei gleichzeitig das Stadtklima verbessern und die Gesundheit städtischer Vegetation fördern soll, ist die sogenannte Schwammstadt.
Schwammstadt: Darum geht es bei dem Prinzip
Natürlicherweise durchläuft Wasser auf der Erde einen ewigen Kreislauf, wie der BUND erklärt:
- Die Sonne lässt das Wasser im Meer verdunsten.
- Es steigt als Wasserdampf in die Atmosphäre auf.
- Dort bilden die Wassertropfen Wolken.
- Diese lassen das Wasser in Form von Niederschlag auf den Boden regnen.
- Der Regen versickert im Boden.
Auch Pflanzen nehmen am Wasserkreislauf teil: Über winzige Öffnungen auf ihren Blättern geben sie bei Sonneneinstrahlung Wasserdampf ab. Dieser steigt ebenfalls auf, formt sich zu Wolken und fällt als Niederschlag auf die Erde, wo das Wasser in den Boden sickert.
In einer modernen Großstadt ist dieser Kreislauf gestört, denn das Regenwasser findet kaum mehr unversiegelte Flächen, über die es in den Boden ablaufen kann.
Mit dem Schwammstadt-Prinzip soll der natürliche Wasserkreislauf aber in die Stadtgestaltung integriert werden. Eine Schwammstadt will daher anfallendes Regenwasser nicht einfach über die Kanalisation ableiten, sondern es lokal aufnehmen und speichern – sich damit also vollsaugen wie ein Schwamm.
Wie sieht eine Schwammstadt aus?
Ein modernes Regenwassermanagement im Sinne des Schwammstadt-Prinzips zielt darauf ab, Flächen zu schaffen, die große Mengen an Wasser aufnehmen und bei Trockenheit und Hitze durch Verdunstung wieder abgeben können. Ziel ist es, das Regenwasser dort aufzufangen, wo es niederfällt, und es auch dort in den natürlichen Wasserkreislauf einzuspeisen.
Unter anderem mithilfe folgender Maßnahmen kann eine Stadt mehr Wasser aufnehmen:
- Wasserdurchlässige Beläge: Versiegelte Flächen lassen den Regen an der Oberfläche abfließen. Doch möglichst viele Asphaltflächen einfach aufzubrechen, ist keine geeignete Lösung. In einer Stadt muss es schließlich belastbare, begeh- und befahrbare Oberflächen geben. Deswegen arbeiten Forscher:innen daran, Bodenbeläge zu entwickeln, die wasserdurchlässig sind. Eine Möglichkeit ist es beispielsweise auch, Betonsteine auf einem Bett aus Splitt so anzuordnen, dass Hohlräume entstehen, durch die das Wasser in den Erdboden gelangen kann. Tipp: Ein Rasengitter ist eine Möglichkeit, Flächen bei dir zu Hause etwas wasserdurchlässiger zu machen.
- Gebäudebegrünung: Laut dem BUND lassen sich durch die Dachbegrünung von Häusern und Tiefgaragen mit Kletterpflanzen oder Living Walls (direktbepflanzten Fassaden) 50 bis 100 Prozent des jährlichen Niederschlags zurückhalten. Die Gebäude profitieren durch eine solche Begrünung nicht nur von einer Isolierung gegen Wärme, Kälte und Wind, sondern auch das städtische Mikroklima verbessert sich dank der Verdunstungskühle.
- Regenwasser sammeln: Dächer bieten sich auch an, um dort Sammelbehälter aufzustellen, die Regenwasser auffangen. Dieses kann dann zu Reinigungszwecken, als Toilettenspülwasser oder zur Bewässerung bei Trockenheit weiterverwendet werden. Auch in künstlich angelegten Teichen kann sich Niederschlag ansammeln.
- Versickerungsflächen schaffen: Entlang von Straßen und Gehwegen sind Mulden in Kombination mit Rigolen sinnvoll. Letztere sind Pufferspeicher, die das in den Mulden aufgefangene Regenwasser aufnehmen und versickern lassen. Gesäumt werden die Mulden-Rigolen-Systeme von Bäumen, die gut Staunässe vertragen und das Wasser über ihre Blätter verdunsten lassen können. Zusätzlich stellen auch ausgedehnte Grünflächen wie Parks und Wiesen ideale Versickerungsflächen dar.
Diese Schwammstadt-Maßnahmen bieten also gleich mehrere Vorteile:
- Bei Starkregen entlasten sie die Kanalisation, weil es viel mehr Flächen gibt, die den Niederschlag stattdessen lokal aufnehmen können.
- Das aufgefangene Regenwasser lässt sich weiternutzen.
- Durch das versickernde Wasser sind Stadtbäume und andere Grünflächen gut mit Feuchtigkeit versorgt und geben überschüssiges Wasser als Wasserdampf ab. Dabei entsteht Verdunstungskühle, die das Stadtklima für Mensch und Tiere angenehmer macht.
- Wählt man für die Begrünung von Dächern und Fassaden zudem die entsprechenden Pflanzen aus, können Schwammstädte auch einen großen Beitrag zur städtischen Biodiversität leisten.
Schwammstadt-Beispiele weltweit
Viele Städte auf der ganzen Welt erproben das Schwammstadt-Prinzip zurzeit oder haben es bereits erfolgreich in ihre Stadtgestaltung integriert.
Einige Schwammstadt-Beispiele sind:
- Harbin, Nordchina: Nordchina ist ganzjährig von Wasserknappheit bedroht und außerdem einem erhöhten Überschwemmungsrisiko ausgesetzt, weil weiterhin viel gebaut wird, um die wachsende Bevölkerung beherbergen zu können. Daher haben chinesische Wissenschaftler:innen laut Euronews bereits 2013 das Prinzip der Schwammstadt vorgeschlagen. Harbin ist mittlerweile eine erfolgreich umgesetzte Schwammstadt. Dort gibt es einen großen „Regenwasserpark“, der den Niederschlag sammelt, reinigt und speichert. Gleichzeitig schützt er den natürlichen Lebensraum vieler Tiere und bietet den Bewohner:innen ein grünes Areal zur Freizeitgestaltung. In weiteren 16 Pilotstädten soll das Schwammstadt-Prinzip ebenfalls getestet werden.
- Kopenhagen: Die dänische Hauptstadt gilt als Vorreiter bei der Überflutungsvorsorge, denn schon 2012 begann sie infolge mehrerer Starkregenereignisse, Prinzipien der Schwammstadt umzusetzen. So setzt die Stadt unter anderem auf mehr Grünflächen, Rigolen-Systeme an begrünten Straßen und Versickerungsbecken. Bei diesen Maßnahmen denken die Stadtplaner:innen immer die Erhöhung der Lebensqualität mit. So ist ein multifunktionaler Park entstanden, der nicht nur Spiel- und Sportplätze bereithält, sondern im Fall von Starkregen auch als Rückhaltebecken dienen kann.
- Hamburg: Auch Hamburg ist auf dem Weg, eine Schwammstadt zu werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei unter anderem Hamburgs Gründachstrategie, deren Ziel es ist, mindestens 70 Prozent der Neu- und Bestandsbauten zu begrünen.
- Berlin: Berlin setzt bei der Umsetzung des Schwammstadt-Prinzips auf eine Kombination aus Maßnahmen: Es gibt Dachbegrünung, Versickerungsmulden sowie künstliche Gewässer, Feuchtbiotope und Zisternen.
Schwammstadt: Eine Antwort auf die Klimakrise – aber nicht alleine
Das Bewusstsein für ein nachhaltigeres Wassermanagement hat also schon Veränderungen in der Planung von Städten bewirkt. Doch das Prinzip der Schwammstadt wird allein nicht ausreichen, um die Folgen der Klimakrise abzumildern.
Gegenüber der SZ erklärt Darla Nickel, Leiterin der Berliner Regenwasseragentur, dass die Schwammstadt nicht die alleinige Antwort auf Hochwasser-Katastrophen sein kann. In bergigen Gebieten seien die Auswirkungen von Starkregen nämlich noch viel stärker als in flachen Städten.
Daher schlägt Landschaftsarchitekt Carlo Becker das Prinzip der „Schwammlandschaften“ vor. Auch in (bergigen) Landschaften sei immer mehr Fläche versiegelt worden, indem man Kleingewässer beseitigt oder feuchte Senken trockengelegt habe. Die Schwammstadt muss also um weitere Maßnahmen ergänzt werden, die dafür sorgen, dass nicht nur städtische Areale, sondern ganze Landschaften als Schwämme fungieren können.
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English version available: What Is a Sponge City? Definition, Uses and Examples
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