Ertrinkende Menschen schreien immer laut und schlagen um sich? Falsch! „Stilles Ertrinken“ läuft fast genau gegenteilig ab. Wir erklären, wie du es dennoch bemerkst und erkennst.
Wer sich überschätzt, kann leicht in eine Situation geraten, in der stilles Ertrinken zu einem echten Risiko wird. Ob man erschöpft ist, unerwartet in eine Strömung gerät oder sich vor etwas stark erschrickt und in Panik gerät – Menschen, die im Wasser in Not geraten, können sich oft anderen nicht bemerkbar machen.
Ein Experte der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) erklärt gegenüber dem Spiegel dazu: „In der Regel ertrinkt man leise.“ Ihm zufolge ist das „stille Ertrinken“ also sogar die häufigste Form des Ertrinkungsunfalls. Die DLRG empfiehlt deshalb, möglichst nur in Gewässern zu baden, die von Bademeister:innen oder anderen Lebensretter:innen beaufsichtigt werden.
Die DLRG klassifiziert Ertrinken in zwei Unterkategorien, die man beides als „stilles Ertrinken“ bezeichnen könnte, denn bei beiden können Betroffene meist nicht um Hilfe rufen. So sehen sie jeweils aus.
Stilles Ertrinken: Ertrinkungsnotfall mit Abwehrreaktion
Ein sogenannter Ertrinkungsnotfall mit Abwehrreaktion geschieht meistens durch Überraschung oder Erschöpfung und dadurch ausgelöste Panik. Häufig betrifft das untrainierte oder Nicht-Schwimmer:innen sowie generell Kinder und jüngere Männer, bei denen es laut DLRG meist durch Neugier und schlechte Selbsteinschätzung passiert.
Wichtig: Selbst bei dieser Art des Ertrinkens rufen Betroffene meist nicht um Hilfe, weil alle Kräfte in den Kampf ums Überleben fließen. Frank Pia, ein berühmter Rettungsschwimmer, der viel zur Rettung Ertrinkender veröffentlicht hat, nennt diese lautlose Reaktion „Instinctive Drowning Response“: Instinktiv verwenden Ertrinkende ihre Energie ausschließlich darauf, sich über Wasser zu halten. Mit den Armen zu winken und laut zu schreien, kostet sehr viel Energie und Atem.
Das Ertrinken erfolgt in fünf Phasen:
- Abwehrphase: Ertrinkende schlagen mit den Armen auf die Wasseroberfläche, um den Mund über Wasser zu halten (nicht bei Kleinkindern), und kämpfen panisch gegen das Untergehen an. Die Folge: Einatmung von Wasser.
- Reflektorischer Atemstillstand: Ausgelöst durch das eingeatmete Wasser tritt ein Schutzreflex auf, durch den kein Wasser mehr in die Lunge dringt – aber auch kein Sauerstoff mehr aufgenommen werden kann. Die Folge: Bewusstlosigkeit durch Sauerstoffmangel, die Person geht unter.
- Dieser Schutzreflex löst sich aufgrund von Sauerstoffmangel. Die Folge: Wasser dringt in größeren Mengen in die Lungen ein.
- Muskelkrämpfe am ganzen Körper wegen des Sauerstoffmangels.
- Letzte flache Atemzüge („finale Schnappatmung“) setzen ein, es kommt zum endgültigen Atemstillstand und zum Kreislaufstillstand. Erfolgt keine schnelle Rettung, stirbt die Person.
Wichtig: Die Abwehrphase (Phase eins) dauert häufig nur 20 bis 60 Sekunden. Dann geht der:die Ertrinkende unter!
Stilles Ertrinken ohne Abwehrreaktion
Dass keine Abwehrreaktion erfolgt, bedeutet hier, dass die ertrinkende Person sofort untergeht. Das passiert innerhalb von zehn bis 20 Sekunden, beispielsweise durch Bewusstlosigkeit oder Ganzkörperkrämpfe.
Meist ist der Grund für das Untergehen eine besondere Reaktion des Körpers, etwa durch eine akut verlaufende Erkrankung. Möglicherweise wäre dieselbe Reaktion also auch an Land tödlich. Wird die Person schnell aus dem Wasser gerettet und einem Sauerstoffmangel vorgebeugt, ist ihre Rettung jedoch oft noch möglich.
Die Art von Unfall betrifft vorwiegend Schwimmer:innen und insbesondere ältere Menschen aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Stilles Ertrinken erkennen: 10 konkrete Anzeichen
Rettungsschwimmer Mario Vittone erklärt auf seinem Blog, wie seinen langjährigen Beobachtungen nach Ertrinken für Außenstehende meist wirklich aussieht:
- Kopf tief im Wasser, Mund auf Wasserhöhe
- Kopf mit offenem Mund nach hinten geneigt
- Augen glasig und leer, unfähig zu fokussieren
- alternativ Augen geschlossen
- Haare über Stirn oder Augen, werden nicht weggewischt
- Beine werden nicht zum Schwimmen benutzt – vertikal
- Hyperventilieren oder Keuchen
- Versucht, in eine bestimmte Richtung zu schwimmen, kommt aber nicht vorwärts
- Versucht, sich auf den Rücken zu drehen
- Scheint eine unsichtbare Leiter zu erklimmen
Was tun, wenn ich sehe, dass jemand ertrinkt?
Auch wenn du die besten Absichten hast – springe niemals unüberlegt ins Wasser!
Ertrinkende Menschen können auch für denjenigen zur Gefahr werden, die sie zu retten versuchen. Denn in ihrer Todesangst klammern sie sich an alles und jeden, und versuchen sich so über Wasser zu halten. Dabei drücken sie die andere Person nach unten und auch unter Wasser. Falls du wirklich selbst ins Wasser springen musst, um die Person zu retten, schwimme ausschließlich von hinten an sie heran. So kannst du sie festhalten, doch sie dich nicht.
Doch nicht nur die ertrinkende Person kann dir bei einem Rettungsversuch gefährlich werden: Prüfe zuerst Wellengang und Strömungen. Sind diese stark oder unvorhersehbar, gehe besser nicht ins Wasser.
Noch besser: Wirf der Person etwas Schwimmbares zu. Rettungsringe gibt es extra für diesen Zweck, doch auch eine Luftmatratze bietet der Person etwas, um sich festzuhalten und vor dem Untergehen zu bewahren.
Mehr dazu hier: Erste Hilfe bei Ertrinken: Das kannst du tun
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