Der „Green Deal“ gehört zu den wichtigsten Entwicklungen im Kampf gegen die Klimakrise. Eine ZDF-Dokumentation informiert am 25. August über das neue Wirtschaftskonzept, fragt nach dem aktuellen Stand der Umsetzung – und zeigt auch Probleme auf.
Was ist der „Green Deal“?
Der „Green Deal“ ist ein Schlagbegriff, den die Europäische Kommission erstmalig 2019 ins Gespräch gebracht hat und der in der Klimapolitik seitdem eine wichtige Rolle spielt. Grob zusammengefasst handelt es sich um ein EU-weites Wirtschaftskonzept, bei dem nachhaltiges Wirtschaften und, damit verbunden, das Erreichen von Klimaschutzzielen im Mittelpunkt stehen. Nötig ist dazu eine Umgestaltung der aktuellen wirtschaftlichen Strukturen hin zu „modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen“ neuen Lösungen, so die Europäische Komission.
Das ehrgeizige Ziel: Bis 2050 soll Europa als erster Kontinent komplett klimaneutral werden – mithilfe verschiedener Maßnahmen in Bereichen wie Industrie, Verkehr und Energiepolitik, die unter dem Sammelbegriff des „Green Deal“ zusammengefasst werden. Insbesondere ist es dafür maßgeblich, den Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen stark zu reduzieren.
Als Etappenziel hat sich Deutschland bereits vorgenommen, seinen Ausstoß bis Ende der 2020er um 65 Prozent zu reduzieren (gemessen am Ausstoß von 1990). Als größtes Industrieland und größter CO2-Produzent innerhalb der EU könnte Deutschland damit einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des „Green Deal“ leisten.
„Der Klima-Deal der EU – Alles heiße Luft?“
Der Dokumentarfilm „Der Klima-Deal der EU – Alles heiße Luft?“ von Kersten Schüßler setzt sich mit diesem neuen Wirtschaftskonzept auseinander. Er geht der Frage nach, ob, wie und wann sich die Ziele des „Green Deal“ in der Praxis tatsächlich umsetzen lassen. Klimaneutralität bis 2050: Ist das realistisch? Schüßler schaut sich dazu in der Wirtschaft und der Politik um, lässt Unternehmer:innen ebenso zu Wort kommen wie Bürger:innen.
Einen Fokus richtet der Film zum Beispiel auf die Autobranche. Hier werden die Herausforderungen einer grundlegenden Umstellung besonders deutlich: Obwohl das Ende des Verbrennungsmotors bereits abzusehen sei, tue die Branche sich schwer damit, endgültig auf alternative und klimafreundlichere Technologien umzusatteln. Verbrenner- und Hybridmodelle mit hohem Verbrauch bringen laut Autohersteller Mercedes in der Produktion immer noch starken Umsatz. Dabei handelt es sich aber keineswegs um Auslaufmodelle, sondern um brandneue Produkte. Was die wirtschaftliche Zukunft der Autobranche angeht, herrscht generell eine große Unsicherheit darüber, welche alternative Technologie sich letztlich durchsetzen wird. Das erschwere weitreichende Umstellungsentscheidungen, erklärt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).
Grundsätzlich könnte aber auch mit einer Entwicklung weg vom Straßen- und hin zum Schienenverkehr zu rechnen sein, so Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). In der Schweiz, zeigt der Film, vollzieht sich eine solche Mobilitätswende bereits: Der Schwerlastverkehr wird dort durch neue Abgaben teurer, der transeuropäische Güterverkehr wird dagegen stärker ausgebaut und gefördert. Dahinter steht Deutschland noch weit zurück. Die Fertigstellung der Anschlüsse ist hierzulande für 2041 geplant.
ZDF-Doku zeigt Probleme mit dem „Green Deal“ auf
Schüßlers Film macht klar: Insgesamt scheint die Umsetzung etlicher „Green Deal“-Maßnahmen in Deutschland Probleme zu bereiten. Das betrifft etwa auch die erneuerbaren Energien: Laut Expert:innen gibt es in diesem Bereich oft zu geringe Kapazitäten, zu umständliche Genehmigungsverfahren, es fehlt Baumaterial wie beispielsweise Leitungen und die Politik zögert mit klaren Ansagen.
Auch Investor:innen sind bei größeren Änderungen in der Struktur von Unternehmen mitunter skeptisch. Dadurch gestaltet sich die Finanzierung geplanter Umstiege schwieriger. Das beklagt zum Beispiel Gunnar Groebler, der Chef des Stahlkonzerns Salzgitter, der mit seinem Unternehmen eigentlich einen Wechsel zu grüner Energieversorgung vollziehen möchte. Aber: „Ich kann keinem Aufsichtsrat der Welt, keinem Aktionär der Welt erklären: Wir geben jetzt mal 1,4 Milliarden Euro aus. Mal sehen, was am Ende des Tages rumkommt“.
Ansätze zu Finanzierungshilfen gehören zwar ebenfalls zum „Green Deal“, stoßen aber von verschiedener Seite auch auf Kritik. Wenn Geld- und Finanzströme politisch so gesteuert würden, dass sie hauptsächlich nachhaltigen Projekten zukäme, grenze das bereits an eine Planwirtschaft, sorgt sich Prof. Clemens Fuest vom Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) in München. Allgemein werden die Maßnahmen im Rahmen des „Green Deal“ teilweise dafür kritisiert, dass sie zu staatlichen Eingriffen in die freie Wirtschaft führen könnten.
„Green Deal“: Wirtschaftliche Umstellung fordert die ganze Gesellschaft
Auch solche – durchaus notwendigen – Diskussionen stehen einer schnellen und unkomplizierten Umstellung häufig im Weg. Für Änderungen im Sinne der Klimaziele ist es aber sicherlich nicht zu früh: Die Auswirkungen der Klimakrise sind auch in Deutschland bereits immer deutlicher zu spüren. Dass nicht nur die möglichen Folgen dieser Krise, sondern auch die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung die ganze Gesellschaft betreffen und herausfordern, zeigt Kersten Schüßlers Film anhand verschiedener Menschen und Perspektiven. Zu sehen ist er am 25. August in der Reihe „ZDFzoom“ und in der ZDF-Mediathek.
- Ausstrahlung im ZDF: 25.08.2021 um 22:55 Uhr
- Online schauen: in der ZDF-Mediathek (nach der TV-Ausstrahlung)
- Laufzeit: 30 Minuten
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