In den sozialen Medien wird dem Wissenschaftsjournalisten Harald Lesch vorgeworfen, er widerspreche sich in seinen Sendungen selbst beim Thema Klimawandel. Ein Faktencheck zeigt: Die Videos sind manipulativ geschnitten und stellen seine Aussagen falsch dar.
In sozialen Medien kursiert ein Video, das den Eindruck erweckt, Wissenschaftsjournalist Harald Lesch widerspreche sich beim Thema Klimawandel. Ein Faktencheck der Rechercheplattform Correctiv zeigt jedoch: Das Video ist manipulativ geschnitten und stellt Leschs Aussagen falsch dar.
Harald Lesch zum Klimawandel: Zusammenschnitt täuscht Widerspruch vor
Das fragliche Video, welches laut Correctiv 2023 auf Tiktok und 2025 auf Instagram und anderen Plattformen verbreitet wurde, besteht aus Ausschnitten zweier unterschiedlicher Sendungen – einer von 2001 und einer von 2023. In der älteren Sendung „Alpha Centauri“ erklärte Lesch geologische Klimazyklen und dass die Erde sich geologisch betrachtet in einer Eiszeit befindet. Er betont darin, dass 80 Prozent der Erdgeschichte eisfrei waren und wir aktuell in einer Eiszeit leben. Im neueren Clip aus der ZDF-Sendung „Terra X“ warnte er vor der aktuellen menschengemachten Erderwärmung. Das Video zitiert: „Wissenschaftlich ist völlig klar, dass wir den Planeten Erde, also den Himmelskörper Erde, nicht weiter aufheizen dürfen.“
Durch den geschickten Zusammenschnitt entsteht der falsche Eindruck, Lesch habe früher behauptet, die Erde befinde sich in einer natürlichen Eiszeit, und widerspreche dem heute mit seinen Warnungen vor globaler Erwärmung. Nutzer:innen in den sozialen Medien sehen das als Beleg dafür, dass Lesch seine Meinung zum Klimawandel geändert habe. Tatsächlich behandeln beide Aussagen völlig unterschiedliche Zeitskalen und Themen. Correctiv bewertet das Video deshalb als „manipuliert“.
Wieso sich Leschs Aussagen nicht widersprechen
In der Sendung von 2001 bezog Lesch sich auf geologische Zeiträume von Millionen Jahren. Dabei erklärte er, dass die Erde aktuell in einer sogenannten Eiszeit lebt – definiert dadurch, dass dauerhaft große Eismassen an den Polen existieren. Diese wissenschaftliche Definition ist anerkannt und wird auch von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe verwendet.
Wie Lesch in der ursprünglichen Sendung ausführte, waren 80 Prozent der Erdgeschichte völlig eisfrei. Der aktuelle Zustand mit permanenten Eismassen ist geologisch gesehen eine Seltenheit. Innerhalb dieser übergeordneten Eiszeit befinden wir uns in einer Warmphase – einem natürlichen Zyklus, der sich über Hunderttausende von Jahren erstreckt.
In der Sendung von 2023 warnte Lesch hingegen vor der aktuellen, durch Menschen verursachten Klimaerwärmung, die sich innerhalb weniger Jahrzehnte vollzieht. Diese menschengemachte Erwärmung überlagert die natürlichen, langfristigen Klimazyklen. Während natürliche Klimaveränderungen hunderte oder tausende Jahre dauerten, erleben wir heute Temperaturanstiege in deutlich kürzeren Zeiträumen durch Treibhausgasemissionen.
Lesch hatte bereits 2001 den scheinbaren Widerspruch zwischen Eiszeit und globaler Erwärmung aufgegriffen – entsprechende Passagen kommen in den kursierenden Videos aber nicht vor. Zum Beispiel betont er in der Einleitung: „Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will hier niemanden das Wort reden, jetzt in Zukunft weiterhin Treibhausgase und so weiter in die Atmosphäre zu blasen.“ Später betont er, es sei wichtig, geologische Zeitskalen von aktuellen Entwicklungen zu trennen.
Schon 2020 wurde ein Video mit Ausschnitten der „Alpha Centauri“-Sendung verbreitet, welches fälschlicherweise suggerierte, dass Lesch den menschengemachten Klimawandel in der Sendung anzweifelte. Auch damals veröffentlichte Correctiv einen Faktencheck, der die Aussagen einordnete.
Wieso der menschengemachte Klimawandel gefährlich ist
Die globale Erwärmung lag 2024 bei 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Expert:innen warnen vor einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um bis zu 4,4 Grad bis Ende des Jahrhunderts (verglichen mit dem Zeitraum 1850-1900). Schon heute sind die Folgen enorm – auch hierzulande.
Beim 15. Extremwetterkongress in Hamburg warnten Expert:innen heute, dass Hitzewellen und Sturmfluten wegen des menschengemachten Klimawandels in Deutschland zunehmen werden, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet. „Die Beschleunigung der globalen Erwärmung ist derart schnell, dass wir aus der Klimakurve fliegen“, sagte Frank Böttcher, Vorsitzender der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft und Veranstalter des Kongresses. Das hat gefährliche Folgen: Eine Analyse kam im Juli etwa zu dem Schluss, dass der Klimawandel die Todesfälle bei Hitze in europäischen Großstädten verdreifache. Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 kamen 135 Menschen ums Leben.
Aufgrund des Klimawandels sind viele Regionen in Europa schon heute häufiger schweren und länger anhaltenden Dürren ausgesetzt, welche Ernten beeinträchtigen und Waldbrände begünstigen. Diese und andere Effekte wie steigende Meeresspiegel lösen global Migrationsbewegungen aus. Weltweit waren Länder wie der Inselstaat Dominica, China und Honduras bisher am meisten von Extremwetterereignissen betroffen, wie aus dem Climate Risk Index (CRI) hervorgeht.
Vorsicht bei Videos in sozialen Netzwerken
Am Beispiel der manipulativ zusammengeschnittenen Harald-Lesch-Aussagen zeigt sich, wie wichtig es ist, bei Videos in sozialen Medien vorsichtig zu sein. Nutzer:innen sollten prüfen, ob Aussagen aus dem ursprünglichen Kontext gerissen wurden. Seriöse Faktenchecks helfen dabei, irreführende Inhalte zu entlarven. Im Fall der Lesch-Videos wird deutlich: Ein scheinbarer Widerspruch löst sich auf, wenn man die vollständigen Originalquellen betrachtet statt nur kurze, aus dem Zusammenhang gerissene Ausschnitte.
Verwendete Quellen: Correctiv, Correctiv, X (irreführender Videozusammenschnitt), Alpha Centauri, Terra X/ Youtube, Umweltbundesamt, Tagesschau, Climate Risk Index (CRI)
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