Der Wind weht, doch in Windparks herrscht stellenweise Flaute – da stellt sich die Frage: Warum drehen sich manche Windräder nicht und andere schon? Darauf gibt es nicht nur eine Antwort.
Windräder bestehen aus gewölbten Rotorblättern, die vom Wind umströmt werden. Dabei kommt das Prinzip der Auftriebskraft zum Tragen: Die Luft muss auf der bauchigen Oberseite des Rotorblatts einen längeren Weg nehmen und schneller fließen als auf der hohlen Unterseite. Auf der Unterseite entsteht dadurch ein höherer Druck als auf der Oberseite, was zur Auftriebskraft führt. Sie bewegt das Blatt und versetzt den Rotor in Drehung. Die dabei entstehende Drehenergie wandelt ein Generator in Strom um, der ins Stromnetz eingespeist werden kann.
Wenn du in der Nähe eines Windparks wohnst oder schon einmal aufmerksam an einem vorbeigefahren bist, könnte dir aufgefallen sein: Nicht immer sind alle Windräder in Bewegung – obwohl der Wind geht. Es kann vorkommen, dass die Rotoren zeitweise für mehrere Stunden stillstehen. Doch warum drehen sich manche Windräder nicht und andere schon? Das kann unterschiedliche Gründe haben.
Windräder und der Wind
Wenn sich ein Windrad nicht bewegt, ist die naheliegendste Vermutung also, dass Windstille herrschen muss. Tatsächlich ist das laut den Stadtwerken Münster zufolge meistens der Grund, warum sich Windräder nicht drehen. Die Anlagen brauchen eine Windgeschwindigkeit von ungefähr drei Metern pro Sekunde, wobei diese kontinuierlich sein muss: Einzelne Böen können die Rotoren nicht in Bewegung versetzen.
Auch innerhalb kleiner Entfernungen können sich die Windverhältnisse stark voneinander unterscheiden. So kannst du am Boden ein deutliches Lüftchen wehen fühlen, doch auf Höhe der Rotoren kann es windstill sein.
Übrigens: Auch wenn es zu windig ist, können Windräder stillstehen. Bei einem Sturm ab Windstärke neun stellen sich die Anlagen selbst ab, um die Materialien nicht zu überbeanspruchen.
Warum drehen sich Windräder außerdem nicht?
Abgesehen vom Wind gibt es auch andere unvermeidbare Gründe dafür, dass sich Windräder nicht drehen:
- Tierschutz: Besonders in den Sommermonaten stehen einige Windräder in den Morgen- und Abendstunden sowie nachts still, um den Flug von Fledermäusen nicht zu stören. Auch Maßnahmen zum Vogelschutz sehen zu bestimmten Zeiten vor, dass die Rotoren stillstehen.
- Schattenwurf: Der Schattenwurf von Anlagen in der Nähe von Bebauungen – zum Beispiel Wohnhäusern – darf bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten. Die Rotoren dürfen pro Tag nur eine begrenzte Zeit lang Schatten auf umliegende Gebäude werfen. Um zu verhindern, dass diese Zeit überschritten wird, schaltet sich die Anlage gegebenenfalls ab, wenn sie sich dem Grenzwert nähert. Dazu berechnet sie aus ihrer Position und dem aktuellen Sonnenstand kontinuierlich, wohin ihr Schatten fällt.
- Wartungsarbeiten: Es stehen jedes Jahr regelmäßige Wartungsarbeiten oder spontane Reparaturen an, für die die Windräder außer Betrieb sein müssen.
Hinkender Netzausbau legt Windräder lahm
Manchmal ist es also nicht vermeidbar, dass sich Windräder nicht drehen: wegen Witterung, Sonnenstand, Natur- und Tierschutz oder Wartungsarbeiten. Doch oft könnten die Anlagen Strom erzeugen, dürfen es aber nicht oder es lohnt sich schlicht nicht für die Betreiber:innen. Das hat diese Gründe:
- Zu viel Strom: Kommt es in den Stromnetzen zu Überkapazitäten, stehen Windräder wegen des sogenannten Einspeisemanagements ebenfalls still. Manchmal steht aus verschiedenen Quellen so viel Energie zur Verfügung, dass nicht alles davon in die Netze eingespeist werden kann. Um Überlastung zu vermeiden, legen Netzbetreiber:innen üblicherweise Windräder als erstes lahm. Diese lassen sich nämlich flexibler abstellen und wieder hochfahren als andere Anlagen wie zum Beispiel Kohlekraftwerke. Konventionelle Kraftwerke sind zudem an die konventionelle Mindesterzeugung gebunden. Sie dürfen nur soweit heruntergefahren werden, dass sie ihre Regelleistung noch bereitstellen können. Wie die Tagesschau berichtet, wurden laut der Bundesnetzagentur im Jahr 2021 rund 5,8 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Windkraft nicht eingespeist. Diese Menge könnte etwa ein Prozent des deutschen Gesamtstromverbrauchs decken.
- Negative Strompreise: Negative Strompreise treten auf, wenn das Angebot an Strom die Nachfrage übersteigt und die Preise sinken, manchmal sogar unter null. Dann schalten Betreiber:innen der Tagesschau zufolge die Windkraftanlagen oftmals ab, weil sich die Stromproduktion nicht lohnt. Bei negativen Preisen müssen sie nämlich draufzahlen, wenn sie ihre Windenergie in das Stromnetz einspeisen wollen.
Um diese Probleme zu beheben, muss das Stromnetz besser ausgebaut werden. Nach Angaben der Bundesnetzagentur sind Stand 2022 diesbezüglich insgesamt 101 Vorhaben mit einer Gesamtlänge von etwa 12.300 Kilometern geplant. Davon befinden sich rund 2.600 Kilometer noch vor dem Genehmigungsverfahren, rund 7.100 Kilometer stecken mittendrin. Und nur etwa 1.900 Kilometer sind bereits fertiggestellt.
Solange die Infrastruktur nicht an das Ziel der Bundesregierung angepasst ist, bis 2030 mindestens 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Energien zu decken, kann dieses Ziel kaum erreicht werden – und Windräder werden noch häufiger stillstehen.
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