Was ist Atomstrom und welche Folgen hat die Kernenergie für die Umwelt? Wenn du dich das schon einmal gefragst hast, findest du hier die Antworten.
In der aktuellen Diskussion zum Atomausstieg in Deutschland treten viele Fragen rund um Atomstrom und die Energiewende hervor.
Im April 2023 gingen die drei letzten deutschen Atomkraftwerke vom Netz. Sie hatten zuvor eine Verlängerung erhalten, um die Energieversorgung über den Winter 2022/23 zu sichern.
2011 hatte die damalige Bundesregierung den Atomausstieg bis 2022 beschlossen. Sie reagierte damit auf den katastrophalen Reaktorunfall in Japan im gleichen Jahr: Ein Tsunami infolge eines Erdbebens löste damals den atomaren Super-GAU in Fukushima aus. Zuvor war es schon 1986 im Atomkraftwerk Tschernobyl zu Explosionen im Reaktor gekommen. Eine radioaktive Wolke zog damals über Europa, noch heute verzeichnen einige europäische Regionen als Folge dieser Wolke ein erhöhtes Krebsrisiko.
Fukushima und Tschernobyl sind die bislang schwerwiegendsten Atomunfälle. Die vollständige Liste der Störfälle und Beinah-Katastrophen in Atomkraftwerken (AKW) ist jedoch wesentlich länger.
Was ist eigentlich Atomstrom?
Die Energie zur Atomstrom-Gewinnung entsteht in Atomkraftwerken durch Kernspaltung von Atomkernen. In der Natur lassen sich Atomkerne kaum spalten. Sie bestehen aus Protonen und Neutronen, die meist eine sehr stabile Einheit bilden. Um diesen Kern kreisen in der Atomhülle die Elektronen.
Eine gezielte Kernspaltung gelingt allerdings beim radioaktiven Metall Uran. Durch den Aufprall von Neutronen zerfällt der relativ große Atomkern des Urans in zwei oder mehrere kleinere Atomkerne. Dabei bleiben, vereinfacht ausgedrückt, Neutronen übrig, diese sind die freien Neutronen. Trifft ein Neutron davon auf einen Atomkern, kommt es wieder zur Kernspaltung. Dabei entstehen erneut freie Neutronen, die so eine Kettenreaktion auslösen.
Die Kettenreaktion der Kernspaltung kann ohne Kontrolle zur Überhitzung und Explosion im Atomkraftwerk führen. Wichtig ist es daher, die Anzahl der freien Neutronen zu begrenzen. Deshalb lassen sich sogenannte Regelstäbe einfahren. Sie bestehen meist aus Cadmium oder Bor. Diese metallischen Materialien besitzen die Eigenschaft, zusätzliche Neutronen leicht aufzunehmen. Die Stäbe fangen quasi die Neutronen ab und können so die Kettenreaktion kontrollieren. Durch die Entfernung solcher Regelstäbe lässt sich die Kettenreaktion wieder in Gang setzen. Um ein Atomkraftwerk „einzuschalten” sind daher äußerst komplexe Mechanismen und Überwachungssysteme notwendig.
Die Kernspaltung läuft in dem gut gesicherten Reaktor ab. Das Uran befindet sich in Brennstäben, die von Wasser umgeben sind. Durch die Strahlung des Urans ist daher alles im Reaktor sowie das Wasser radioaktiv. Das Wasser hat unter anderem die Aufgabe, die freien Neutronen zu verlangsamen. Der Aufprall auf die Wasserstoffatome bremst sie ab. Nur mit solchen verlangsamten Neutronen funktioniert überhaupt die Kernspaltung.
Bei der Kernspaltung entsteht Wärmeenergie. Dadurch erhitzt sich das Wasser. Der aufsteigende Wasserdampf betreibt Turbinen, die den Strom erzeugen. Dabei sind zwei Arten von Atomkraftwerken in Betrieb:
- Druckwasserreaktor – Dieser Reaktor-Typ enthält zwei vollkommen getrennte Wasserkreisläufe. Das radioaktive Wasser bleibt im Reaktor und erwärmt durch Wärmetauscher einen zweiten Wasserkreislauf, der dann die Turbine antreibt.
- Siedewasserreaktor – Dieses Verfahren nutzt dagegen direkt den Wasserdampf im Reaktor. Die Brennstäbe stecken in einem Behälter aus dickem Spezialstahl. Die Wärmeentwicklung bei der Kernspaltung erhitzt das Kühlwasser im Behälter über den Siedepunkt hinaus. Dabei erreichen die Wassertemperaturen durchaus 280 Grad Celsius. Der dabei entstehende Wasserdampf treibt die Turbine an.
Uran und Atomstrom: Darum ist das Material problematisch
Was für Kohlekraftwerke die Kohle ist, ist beim Atomstrom das Uran. Es ist ein Schwermetall, das natürlich in der Erde vorkommt und die Grundlage für die Energiegewinnung bildet. Dieses Metall an sich ist schon radioaktiv.
Wissenschaftler:innen rund um den deutschen Chemiker Otto Hahn entdeckten 1938, dass sich der Urankern gezielt spalten lässt. Das trifft allerdings nicht auf jede Art von Uran zu. Die Kernspaltung gelingt am besten mit Uran-235. Die nachgestellte Zahl gibt die Anzahl der Kernteilchen an. Die verschiedenen Uranarten unterscheiden sich durch die abweichende Anzahl von Neutronen im Kern. Aus der gemeinsamen Anzahl der im Kern befindlichen Neutronen und Protonen ergibt sich die jeweilige Bezeichnung. Uran-235 besitzt zum Beispiel 143 Neutronen und 92 Protonen. Uran-238 hat dagegen 146 Neutronen.
Der Abbau von Uran ist äußert problematisch für die Umwelt und die Arbeitskräfte in den Minen:
- Großer Aufwand für wenig Uran – Die Umweltorganisation BUND erläutert, dass die Konzentration von Uran im Erzgestein an den meisten Fundstellen etwa 0,1 bis 0,5 Prozent beträgt. Um ein Atomkraftwerk ein Jahr lang mit Uran zu betreiben, müssen 80.000 Tonnen Gestein bewegt werden – ein immenser Aufwand für Menschen und Maschinen. Der Uranabbau hinterlässt entsprechend große Narben in der Erde und gefährdet das Ökosystem durch die radioaktive Strahlung.
- Gesundheitsrisiko – Durch die Radioaktivität des Metalls erfordert der Uranbergbau besondere Sicherheitsvorkehrungen. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung berichtet von einem teilweise fahrlässigen Umgang mit dem verstrahlten Gestein in afrikanischen Minen. Der radioaktive Gesteinsschutt lagert dort auf ungesicherten Halden. Der Wind verbreitet zudem den kontaminierten Staub. In den umliegenden Regionen zeigt sich eine Häufung von Krebserkrankungen wie Leukämie.
Was passiert mit dem Abfall aus der Kernenergie?
Ein Atomkraftwerk ohne Abfälle gibt es nicht. Der teilweise noch hochgradig radioaktiv belastete Atommüll, der bei der Produktion von Atomstrom anfällt, stellt bis heute ein noch ungelöstes Problem dar. Laut BUND lassen sich etwa 85 Prozent der radioaktiven Strahlung noch in den Abfällen nachweisen.
Die radioaktive Strahlung zerfällt im Uran extrem langsam. Die Halbwertszeit, also der Zeitraum, bis sich die ursprüngliche Strahlung halbiert hat, beträgt zum Beispiel bei Uran-235 etwas über 700 Millionen Jahre. Uran-238 hat sogar eine Halbwertszeit von über 4 Milliarden Jahren.
Für die Abfälle aus den Atomkraftwerken bedeutet dies, dass der Müll über Millionen von Jahren sicher weggeschlossen werden muss. Die Anforderungen an geeignete Lagerstätten sind daher immens:
- Sie müssen die Außenwelt vor der radioaktiven Strahlung schützen.
- Die Lagerstätten müssen auch noch in Millionen von Jahren sicher sein.
Entsprechend aufwändig ist die Suche nach einem Endlager. Für schwach bis mittelstark verstrahlte Abfälle haben sich die Fachleute inzwischen geeinigt: Diese Abfälle, wie zum Beispiel gebrauchte Putzlappen oder Bauschutt, sollen im Eisenerzbergwerk in Salzgitter lagern. Für die stark radioaktiven Brennstäbe geht die Suche nach einem Endlager weiter. Das Wissensportal Quarks schätzt, dass in Deutschland jedes Jahr rund 150 Tonnen abgebrannte Brennstäbe anfallen. Für diesen hochgradig radioaktiven Müll, der sich über die Jahre ansammelt, gibt es keine sichere Lösung.
Überlegungen, ob sich die Brennstäbe recyceln lassen, führten zu zwei Wiederaufbereitungsanlagen in Sellafield (England) und La Hague (Frankreich). Greenpeace weist aber darauf hin, dass auch diese Anlagen radioaktive Strahlung an die Außenwelt abgeben, wie erhöhte Messwerte beweisen. Ein weiteres Problem der Wiederaufbereitung ist, dass nur wenige Prozent des Atommülls recycelbar sind. Den restlichen Atommüll müssen daher die AKWs wieder zurücknehmen und weiter auf ein geeignetes Endlager warten.
Kann Atomstrom zur Energiewende beitragen?
Kann nun durch die Kernenergie der Umbau zu einer klimaneutralen Energieversorgung schneller gelingen?
Grundsätzlich entstehen bei der Erzeugung von Atomstrom keine CO2-Emissionen. Das ist nur bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Kohle oder Erdgas der Fall. Trotzdem gilt Atomstrom nicht als klimaneutral. Das Umweltbundesamt erklärt, dass beim Einschätzen der Klimaneutralität alle notwendigen Arbeitsschritte mit einzubeziehen sind. Diese Kette beginnt beim Uranabbau und endet mit der Lagerung des Atommülls. Bei dieser vollständigen Betrachtung des Energieerzeugungsprozesses fallen dann durchaus CO2-Emissionen an.
Das Wissensmagazin Quarks macht dennoch folgende Rechnung auf: Durch Atomstrom ließe sich rund ein Drittel der Treibhausgase aus der Energieproduktion einsparen. Das entspricht etwa zehn Prozent der deutschlandweiten Emissionen.
Allerdings erreichen viele AKWs 2024 das Ende ihrer vorgesehenen Betriebsdauer. Die Atomkraftwerke sind auf 40 Jahre Laufzeit konzipiert. Eine Studie von Greenpeace erklärt, dass die Verlängerung der Laufzeit fast unmöglich ist. Die dann notwendigen Reparaturen, um den Sicherheitsstandard zu gewährleisten, sind teilweise technisch nicht machbar oder zu unrentabel. Viele aktive AKWs erreichen bald diese Grenze und stellen damit ein erhöhtes Sicherheitsrisiko dar.
Atomkraftwerke könnten somit zwar kurzfristig die Treibhausgasemissionen senken – allerdings auf Kosten von Umwelt, gesundheitlichen Risiken und weiterem Atommüll, für den kein Endlager in Sicht ist. Das Umweltinstitut München plädiert deshalb stattdessen für den raschen Ausbau von Erneuerbaren Energien. Diese sind verfügbar, günstiger und vor allem risikoarm.
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