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Interview Shift-Gründer: „Man hielt uns für Greenhorns, die eine Fairphone-Kopie machen wollen.“

Shiftphones Samuel Waldeck, Carsten Waldeck
Samuel Waldeck, Carsten Waldeck / Foto: Shift

Hinter Shiftphones stehen die Brüder Carsten und Samuel Waldeck. Im Interview sprechen sie über ihre Anliegen und über die Herausforderungen bei der Produktion nachhaltigerer Smartphones.

Carsten und Samuel Waldeck sind Gründer und Inhaber der Shift GmbH. Für ihre nachhaltigen modularen Smartphones wurden die zwei Unternehmer aus Hessen vor kurzem mit dem Bundespreis Ecodesign sowie mit dem Hessischen Gründerpreis ausgezeichnet. Beim Next Economy Award landeten sie unter den Top 3 Finalisten in der Kategorie „Resources“.

Interview Shift-Gründer: Carsten und Samuel Waldeck

Wir trafen Carsten und Samuel Waldeck beim Nachhaltigkeitstag in Düsseldorf, um mit ihnen eine Zwischenbilanz zu ziehen.

Euer Motto lautet: „Shift happens“. Was möchtet ihr denn mit den Shiftphones erreichen?

Samuel: Shift steht für Veränderungen. Unser Anliegen ist, Smartphones zu bauen, die so nachhaltig wie möglich sind. Das Thema Reparierbarkeit ist uns wichtig, sowie ein gutes und hochwertiges Design. Das sind zwei Faktoren, die Nachhaltigkeit ausmachen. Ein Gerät, das gut aussieht und sich gut anfühlt, wird auch länger genutzt.

Shiftphones: "Ein Gerät, das gut aussieht und sich gut anfühlt"
Shiftphone 6m**: „Ein Gerät, das gut aussieht und sich gut anfühlt“ (Foto © Shiftphones)

Wenn ihr all eure Bemühungen in einem Wort zusammenfassen müsstet, welches wäre es denn?

Carsten: Wertschätzung – den Menschen und der Umwelt gegenüber.

Worauf seid ihr stolz?

Carsten: Wir haben es geschafft, das bisher modularste Smartphone der Welt zu bauen und dadurch ganz viele Ressourcen zu schonen. Wir sind auch der einzige Hersteller, der ein Gerätepfand anbietet. Und wir sind so dankbar, ein Unternehmen zu sein, das von Investoren unabhängig ist.

Shift happens – aber leicht ist es nicht

Welche Schwierigkeiten hattet ihr?

Carsten: Am Anfang war das sehr hart, weil sich keiner vorstellen konnte, dass wir von einem 800-Einwohner-Dörfchen aus in so einem kleinen Team solche Produkte auf dem Markt bringen können, die tatsächlich mit anderen High End-Smartphones mithalten können. Wir haben das ja selbst nicht gedacht. Wenn uns jemand vor fünf Jahren gesagt hätte, dass wir Smartphones bauen würden, hätten wir ihn für komplett verrückt erklärt.

Es war auch deswegen hart, weil die Presse sich nicht vorstellen konnte, dass wir es ernst meinen. Sie hielten uns für Greenhorns, die ein bisschen auf der Fairphone-Welle reiten und damit Geld machen wollen. Dabei wissen die meisten Leute nicht, dass wir uns nie Gewinne ausschütten und auch nie ausschütten werden. Unser Unternehmen ist 100 % Social Business, es ist für die Nachhaltigkeit da.

Next Economy Award: Samuel (l.) und Carsten Waldeck (r) landeten mit Shiftphones in den Top-3-Finalisten der Kategorie Resources
Next Economy Award: Samuel (l.) und Carsten Waldeck (r) landeten mit Shiftphones in den Top-3-Finalisten der Kategorie Resources (Foto © NEA / Jochen Rolfes)

Seht ihr euch als Konkurrenz zu Fairphone?

Carsten: Gar nicht, wir sehen uns als Weggefährten für dieselbe Sache. Wir würden uns sogar wünschen, mit Fairphone direkt etwas zusammen zu machen. Z.B. könnten wir die Hauptplatine oder Software zusammen entwickeln.

Habt ihr Fairphone darauf angesprochen?

Samuel: Ja, mehrfach – wir schreiben ihnen vierteljährlich E-Mails. Bis jetzt hat’s noch nicht geklappt.

„Wir haben da angefangen, wo wir einen großen Impact haben“

Auf eurer Webseite habt ihr euch auf drei Stichworte fokussiert: Design, Technology und 100% Love. Was ist mit fair und nachhaltig?

Carsten: Das ist in Love drinnen, das ist die Wertschätzung. Wir fänden es zu schmal, wenn wir sagen würden, es geht uns nur um fair oder um die Rohstofftransparenz. Wir wollen so viel Gutes wie möglich tun und dabei so wenig Schaden wie möglich anrichten. Deswegen haben wir da angefangen, wo wir einen großen Impact haben: Die faire Fertigung war viel naheliegender als andere Bereiche, wo der Impact miniklein gewesen wäre, aber verbunden mit einem wesentlich größeren Aufwand.

Meint ihr damit die Lieferketten?

Samuel: Ja genau. Natürlich sind wir auch an der Lieferkettentransparenz dran. Dort ist jedoch unser Impact minimal, weil sich wenig in der Welt bewegt, wenn wir Materialien einkaufen. Für alle bis jetzt gebauten Shiftphones haben wir zum Beispiel nur 100 g Gold gebraucht. Aber es ist als Vorbereitung für die Zukunft gut, sich um Transparenz zu kümmern. Wir wollen auch anderen größeren Herstellern zeigen, dass man es anders machen kann.

Warum ist es für Smartphone-Hersteller so schwer, nachhaltig und fair zu produzieren?

Carsten: Ein Phone kann fair sein, aber man kann das nicht zu 100% beweisen. Damit das möglich ist, muss alles transparent sein, muss man jede Ecke der Lieferkette kennen, jeden einzelnen Zulieferer.

Faires Gold zu kaufen ist ganz einfach. Es ist kein Problem, eine Mine direkt zu unterstützen, damit das Geld in Bildung oder ähnliches fließt. Doch dieses Gold dann fair auf die Hauptplatine zu kriegen – das ist ganz schwierig. Weil es vorher in die Schmelze kommen muss, wo es mit riesigen Mengen von anderem Gold zusammengeschmolzen wird. Wir sind gerade dabei, so ein System aufzubauen, bei dem wir mehr faires Material reingeben als wir rausnehmen. Dann hat man potentiell mehr Gutes getan als Schlechtes.

Toll fände ich auch, wenn man mehr zusammenarbeiten würde. Aber jeder in der Lieferkette hat da ein bisschen Angst, Sachen offenzulegen, weil es auch viel um Know-how geht. Andere könnten dann einfach kopieren. Dem begegnen wir immer wieder auch bei Lieferanten, die nicht bereit sind zu sagen, wo sie einkaufen, weil das deren Wert ist. Sie haben sich diese Beziehungen über die Jahre aufgebaut und fürchten, übergangen zu werden. Da muss man sehr feinfühlig sein, weil das auch mit zur Wertschätzung gehört.

Welche waren bis jetzt eure größten Learnings?

Samuel: Wir haben besonders auf der Beziehungsebene viel gelernt, über Beziehungen zu Lieferanten, zu Kooperationspartnern, aber auch, mit Partnern in Asien umzugehen. Man muss sich in eine ganz andere Kultur hineindenken. Auf der einen Seite ist die Wertschätzung, auf der anderen die Konsequenz und das Qualitätsmanagement – das war alles ein Prozess.

Carsten: Wir haben gelernt, dass man die wesentlichen Dinge möglichst selber macht und selber Verantwortung übernimmt. Natürlich sind wir bereit, mit anderen zusammen zu arbeiten. Dennoch sollte man gewisse Dinge nicht abwälzen und sagen: Da kümmert sich wer anders drum. So haben wir eine Reparaturstatistik gemacht und können nun schneller reagieren – wir wissen ungefähr, welche Teile zuerst kaputt werden und können sie am schnellsten wechseln.

Auch am Thema (Außen)Kommunikation sind wir noch dran – wir sind keine Wortmenschen. Ich bin eher wissenschaftlich visuell und sehr wenig wortbasiert. Was mir liegt, ist Design und Technologie zusammenzubringen. Formulieren ist überhaupt nicht meine Welt. Es ist aber wichtig, zu schreiben. Das macht Fairphone total gut – sie haben ein tolles Kommunikationsteam. Wir hingegen haben die Leute ein bisschen zu wenig Teil nehmen lassen an dem, was wir tun.

Carsten Waldeck beim Pitch für den NEA 2018 / DNP11
Carsten Waldeck beim Pitch für den NEA 2018 / DNP11 (Foto © Utopia / Sibylle Reuter)

Samuel: Es ist nicht unser Ding, vor vielen Leuten zu stehen. Mittlerweile haben wir aber ein Team, das sich um die schriftliche Kommunikation kümmert.

Noch ein Learning: Man darf den Support nicht unterschätzen – da steckt sehr viel Arbeit drin und wir brauchen Leute, damit es gut läuft. Mittlerweile wächst unser Support international, weil wir der Meinung sind, dass man die Menschen in ihrer Kultur abholen muss.

In den ersten 1-2 Jahren waren wir aber überfordert. Da habe ich den Support nebenberuflich gemacht, selbst alle E-Mails beantwortet und die Geräte teilweise selbst repariert, während Carsten mehr Öffentlichkeitsarbeit gemacht hat. Wir hatten die ersten 1000 Geräte im Lauf und konnten noch niemanden einstellen, weil wir die Firma nicht durch Personalkosten belasten wollten. Was allerdings schön daran war, dass wir dabei unsere Kunden ziemlich gut kennengelernt und dadurch ganz viel mitgenommen haben.

Carsten: Wir finden, wir haben die besten Kunden der Welt. Das sind Menschen, die sich über das Leben Gedanken machen. Wir fühlen uns beschenkt, weil wir mit diesen Menschen viel zu tun haben dürfen.

Carsten und Samuel, wir danken euch für das Gespräch.

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