Der TÜV Süd zertifiziert Ökostrom-Tarife mit zwei verschiedenen Siegeln: EE01 und EE02. Utopia erklärt, was die beiden Siegel bedeuten und wo die Unterschiede liegen – und natürlich, was du davon hast.
Das EE01-Zertifikat bekommen Energieversorger, die den Preisaufschlag zu einem großen Teil nachweislich in den Bau neuer EE-Anlagen investieren. Beim EE02-Zertifikat muss der Stromanbieter zeitgleich genau so viel grünen Strom produzieren, wie seine Kunden verbrauchen. Da auch zu Spitzenzeiten genug Ökostrom zur Verfügung stehen muss, hat der Anbieter also in der Regel viele Anlagen und produziert einen Ökostrom-Überschuss. Setzt ein Versorger voll auf erneuerbare Energien, kann er sich auch als „Energiewendeunternehmen“ auszeichnen lassen.
Die TÜV-Süd-Siegel für Öko-Strom
Der vom TÜV Süd zertifizierte Ökostrom-Mix enthält zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien. Der Kriterien sind bei beiden Siegeln besonders streng: Selbst Strom aus der Abwärme von Kraft-Wärme-Kopplungen (etwa bei der Verstromung von Erdgas) dürfen die Energieversorger nicht verwenden. Lediglich im Alter der Produktionsstätten und in der Förderung erneuerbarer Energien unterscheiden sich die beiden Labels.
Das EE01-Siegel des TÜV Süd zielt auf den Neubau möglichst vieler EE-Anlagen ab. Dagegen kommt es beim EE02-Siegel auf eine hohe Ökostrommenge und eine vielseitige Förderung erneuerbarer Energien und Technologien an. Bietet ein Energieversorger gute Ökostrom-Tarife an und engagiert sich aktiv für die Energiewende, kann er auch als „Energiewendeunternehmen“ ausgezeichnet werden.
- Vergeben in: Europa
- Vergeben von: TÜV SÜD Industrie Service GmbH
- Kategorie: Ökostrom
- Produkte: Ökostrom-Tarife
- Verbreitung: mittel
- Utopia-Bewertung EE01: empfehlenswert
- Utopia-Bewertung EE02: empfehlenswert
- Utopia-Bewertung Energiewendeunternehmen: empfehlenswert
TÜV Süd Öko-Strom: Kriterien des EE01-Siegels
Um das Ökostrom-Siegel EE01 vom TÜV Süd zu erhalten, müssen die Energieversorger die offiziellen Herkunftsnachweise des Umweltbundesamts vorlegen. Stammt der Strom aus ausländischen Produktionsanlagen, zertifiziert der TÜV Süd diese Anlagen selbst vor Ort. Dafür hat er eigene Kriterien entwickelt, mit denen alternativ auch ein anderes Prüfinstitut die Zertifizierung im Ausland vornehmen kann. Wichtig ist nur, dass die Prüfkriterien des TÜV Süd eingehalten werden. Ist die Herkunft des Stroms geklärt, muss zum Zeitpunkt der Siegel-Vergabe mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt sein:
- 30 Prozent des Ökostroms stammen aus höchstens 3 Jahre alten Anlagen.
- Pro Kilowattstunde fließen 0,2 Cent in erneuerbare Energien oder Technologien.
- Ein festgelegter Ökostrom-Mix wird eingehalten.
Für alle Varianten gilt: Vom Preisaufschlag für Ökostrom müssen mindestens 75 Prozent in die Förderung erneuerbarer Energien oder Technologien fließen.
Die Kriterien der einzelnen EE01-Varianten im Überblick
Variante 1: Im vom TÜV Süd festgelegten Ökostrom-Mix müssen mindestens 15 Prozent des Stroms von kleinen Wasserkraftwerken stammen. Alternativ können es 20 Prozent von Windkraftanlagen, 5 Prozent von kleinen Kraftwerken der Solarenergie, Geothermie und Biomasse oder Biogas sein. Lediglich eines dieser Kriterien muss erfüllt sein.
Variante 2: Wählt der Stromversorger die Option „30 Prozent aus max. 3 Jahre alten Anlagen“, gilt dies ausschließlich zum Zeitpunkt der Zertifizierung. Behält der Anbieter das Siegel über viele Jahre, dürfen die Anlagen höchstens 10 Jahre alt sein. Dann kann der Stromanbieter die Anlagen zwar noch weiter betreiben, mit ihnen aber nicht mehr die 30-Prozent-Vorgabe erfüllen. Stattdessen muss er dann in neue Anlagen investieren.
Variante 3: Alternativ kann der Energieversorger 0,2 Cent pro verkaufte Kilowattstunde in den Ausbau erneuerbarer Energien stecken. Nicht nur neue Anlagen, sondern auch Forschung und Entwicklung von innovativen Speichertechnologien sind zulässig.
TÜV Süd: Kriterien des EE02-Siegels
Auch für dieses Ökostrom-Siegel des TÜV Süd gilt: Mindestens Dreiviertel des Preisaufschlags für den Ökostrom müssen in die Förderung erneuerbarer Energien fließen. Ob der Energieversorger damit neue Anlagen baut, innovative Stromspeicher entwickelt oder bestehende Anlagen ausbaut, ist ihm überlassen. Im Unterschied zum ersten TÜV Süd-Siegel gilt jedoch beim EE02-Zertifikat:
- Der Ökostrom wird zeitgleich (genauer: innerhalb einer Viertelstunde) in gleicher Menge zum Verbrauch eingespeist.
- Nur dreimal darf es im Jahr dazu kommen, dass insgesamt max. 18 Stunden lang mehr verbraucht als eingespeist wird.
- Stromanbieter und -verbraucher befinden sich im gleichen Verbundnetz.
- Akzeptiert werden offizielle Herkunftsnachweise und TÜV-Süd-Zertifikate.
- Optional gibt es weitere Ergänzungen, die sich ein Unternehmen bescheinigen lassen kann, zum Beispiel CO2-Kompensation und Regionalität.
TÜV Süd: Siegel für Energiewendeunternehmen (EWU)
Stromanbieter, die sich besonders an der Förderung erneuerbarer Energien beteiligen, können sich vom TÜV Süd als Energiewendeunternehmen (EWU) zertifizieren lassen. Ein solcher Energieversorger…
- handelt mit einem überdurchschnittlichen Anteil erneuerbarer Energien.
- steigert mit seinen Aktivitäten den Anteil erneuerbarer Energien.
- trägt zu einem geringeren Verbrauch von Rohstoffen und Energie bei.
- fördert die flexible Energieversorgung (z. B. durch Speicher-Technologie).
- verkauft keinen Strom aus Atomkraftanlagen.
Je nachdem, wie streng der Energieversorger die einzelnen Kriterien umsetzt, erhält er eine bestimmte Punktzahl. Viele Punkte gibt es etwa, wenn der Strom-Mix aus mindestens 80 Prozent erneuerbaren Energien besteht. Auch wenn der Strom-Anbieter innerhalb von 3 Jahren 30 Prozent mehr erneuerbaren Strom produziert, bekommt er viele Punkte. Um als sogenannter „Wegbereiter der Energiewende“ zu gelten, muss mindestens die Hälfte der möglichen Punkte erreicht werden.
TÜV Süd: Kontrollen
Die Prüfung der einzelnen Kriterien nimmt der TÜV Süd bei allen Siegeln selbst vor. Nach der Erst-Zertifizierung prüft der TÜV Süd innerhalb des ersten Jahres, ob der Stromanbieter alle Kriterien einhält. Alle 12 Monate erfolgt eine weitere Prüfung, ohne die das Zertifikat nicht verlängert wird.
Kritik an den Ökostrom-Siegeln des TÜV Süd
Auch wenn die drei Siegel des TÜV Süd strenger als viele andere sind, gibt es immer wieder Kritik. Die lautet unter anderem, die Stromanbieter könnten mit dem EE01-Siegel auch einfach nur Ökostrom-Zertifikate kaufen, statt eigene Anlagen zu bauen. Auch seien die Zertifizierungs-Kriterien für einzelne Anlagen zu lasch, das kritisiert etwa der WWF.
Bei den beiden Stromtarif-Siegeln EE01 und EE02 muss der Energieversorger außerdem nicht den vollständigen Preisaufschlag in den Neubau von EE-Anlagen investieren. Gibt es gar keinen Preisaufschlag, muss der Stromanbieter auch kein Geld in EE-Anlagen oder anderen Projekte investieren, kritisiert das Umweltbüro Berlin Brandenburg. Den zusätzlichen ökologischen Nutzen gibt es dann nicht. Zudem kann mit dem Ökostrom-Siegel EE02 auch Strom aus 30 Jahre alten Anlagen verwendet werden. Der Strommix würde dann nicht grüner werden. “ In diesem Fall ist das Siegel nicht viel mehr als ein Herkunftsnachweis und Marketinginstrument“, kritisiert das Umweltbüro Berlin Brandenburg.
Das stimmt zumindest theoretisch. Denn gewinnt ein Anbieter mit EE02-Siegel viele neue Kunden, braucht er auch zusätzliche (neue) Anlagen. Außerdem muss er ebenfalls Dreiviertel der Preisaufschläge für den Ausbau erneuerbarer Energien einsetzen. Viel Spielraum bleibt dem Energieversorger mit dem EE02-Zertifikat somit trotz vieler Kritik nicht.
Der Europäische Verbraucherverband (BEUC) hat 2017 in einer Untersuchung darauf hingewiesen, dass das TÜV Süd Siegel Stromanbietern erlaubt, Anteile an Kohle- und Atomkraftwerke zu besitzen und zu erwerben. Außerdem gibt es keine ökologischen Vorschriften und die Anbieter können sich mit Ökostrom-Zertifikaten eindecken. Denn es gibt keine Kopplung von den Herkunftsnachweisen an das Kraftwerk, aus dem tatsächlich der Strom kommt.
Alternativen zu den Siegeln des TÜV Süd
Entgegen aller Kritik zählen die beiden Stromtarif-Siegel des TÜV Süd zu den besseren Siegeln. So hebt Label-Online etwa das EE01-Siegel als ein „anspruchsvolles Label“ hervor. Auch das Label Energiewendeunternehmen wird nur unter hohen Voraussetzungen vergeben. Für die Zertifizierung von Strom-Tarifen mit EE01 und EE02 gibt es aber auch empfehlenswerte Alternativen:
- Das Siegel ok power ist besonders kundenfreundlich und fördert Neuanlagen und innovative Projekte. Atom- und Braunkohlekraftwerken sind tabu. Die Herkunft des Stroms prüfen regelmäßig unabhängige Gutachter.
- Eine hohe Förderung erneuerbarer Energien (bis zu 0,5 Cent/kWh) macht das Label Grüner Strom zur Voraussetzung. Die Summe kann für den Bau neuer Anlagen oder innovativer Technologien investiert werden. Hinter dem Siegel stehen mehrere Naturschutzverbände. Sie achten auch darauf, dass neue Anlagen immer naturverträglich gebaut werden.
Wenn ein Ökostrom-Anbieter keines dieser Siegel vorweisen kann, muss er nicht zwangsläufig schlecht sein. Oft können sich vor allem kleinere Energieversorger die Zertifizierungskosten nicht leisten. Wir raten deshalb zu den Utopia-Empfehlungen und der Utopia-Bestenliste mit renommierten Ökostrom-Anbietern. Auch NGOs und Umweltschutzverbänden geben immer wieder Tipps.
Verfügbarkeit der Ökostrom-Siegel des TÜV Süd: mittel
Die beiden Tarif-Siegel EE01 und EE02 werden recht häufig verliehen, das strenge Label Energiewendeunternehmen bekommen aber nur wenige Energieversorger. Nach TÜV-Angaben wurden alle Siegel zusammen rund 50 Mal verliehen. Als Verbraucher solltest du aber genau auf die Beschriftung des TÜV-Süd-Siegels achten. Der TÜV Süd bescheinigt nämlich auch andere Faktoren mit einem Siegel, zum Beispiel Kundenzufriedenheit. Die einzelnen Sigel sehen identisch aus und können nur anhand der Bezeichnung EE01 oder EE02 unterschieden werden.
Utopia-Fazit zu den Ökostrom-Siegeln des TÜV Süd
Die drei Ökostrom-Siegel des TÜV Süd bescheinigen dem zertifizierten Unternehmen, erneuerbare Energien gezielt zu fördern, und sind durchweg empfehlenswert. Besonders sticht dabei das Gütesiegel EE02 heraus: Es macht zur Voraussetzung, dass der Stromanbieter regional produzierten Ökostrom einkauft und den zeitgleich zum Verbrauch in das Stromnetz einspeist. Wenn mehr Menschen auf einen solchen Tarif setzen, müssen Stromproduzenten mehr regionale EE-Anlagen bauen. Möglicherweise müssen sie zudem einen Überschuss an Ökostrom produzieren, um auch zu Spitzenzeiten genug Ökostrom zur Verfügung stellen zu können. Tarife mit dem EE01-Zertifikat zeichnen sich vor allem durch Strom aus sehr neuen Anlagen aus.
Herausragend ist das Zertifikat Energiewendeunternehmen, das oft zusammen mit dem EE01– oder EE02-Siegel vergeben wird. Es zeichnet Energieversorger für ihre nachhaltige Unternehmenskultur aus, die weit über die Anforderungen aller Ökostrom-Siegel hinausgehen.
Wichtige Beiträge zu dem Thema auf Utopia.de:
- Ökostrom-Siegel im Vergleich
- Die besten Ökostrom-Anbieter
- Umfrage: Welchen Ökostrom-Anbieter nutzen Sie?
- Diese 7 Ökostrom-Anbieter empfiehlt dir Utopia
- Ökostrom: So einfach ist Wechseln
- Wie gut ist Ökostrom von den Stadtwerken?
Externe Info-Seiten:
- Kriterienkatalog für das TÜV-Süd-Siegel EE01
- Kriterienkatalog für das TÜV-Süd-Siegel EE02
- Kriterienkatalog für das TÜV-Süd-Siegel Energiewendeunternehmen (EWU)
- Verbraucherzentrale Niedersachsen: Ökostrom-Marktuntersuchung
- Das Umweltbundesamt zu Ökostrom und Labels
- WWF zur Bewertung von Ökostrom-Siegeln
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