Der TÜV Süd zertifiziert Ökostrom-Tarife mit zwei verschiedenen Siegeln: EE01 und EE02, aber scheinbar auch EE, EEneu, EE+ und andere. Utopia erklärt, was die Siegel bedeuten und wo die Unterschiede liegen.
Wer wirklich Ökostrom beziehen will, muss genau hinschauen. Und das gilt erst recht beim TÜV-SÜD-Siegel für Ökostrom. Denn TÜV Süd bietet eine ganze Familie von Zertifikaten an, die unterschiedliche Aspekte des Energiemarktes adressieren.
- Vergeben in: Deutschland, seit 1999
- Verbreitung: wenig bis mittel
- Utopia.de-Bewertung EE01: empfehlenswert
- Utopia.de-Bewertung EE02: empfehlenswert
TÜV SÜD EE01, EE02, EE, EEneu, EE+?
TÜV SÜD unterscheidet vereinfacht gesagt zwischen Labels für Ökostromtarife und solchen für Stromhersteller, letzteres ist für Kund:innen eher irrelevant.
Tarif-Siegel: TÜV SÜD EE01 und EE02
Diese Labels sind für Kund:innen die eigentlich wichtigen und ihnen begegnet man auch am häufigsten.
- TÜV Süd EE01 belegt, dass bestimmte Kriterien erfüllt sind, die mehr oder weniger dem Ausbau der regenerativen Energien nützen. Der Teufel steckt hier im Detail.
- Mit TÜV Süd EE02 zertifizierte Stromprodukte sind in der Lage, den Ökostrombedarf der Kund:innen jederzeit aus eigener Ökostromproduktion decken zu können.
Zertifikate für Kraftwerke: EE, EE+, EEneu
Für Endkund:innen irrelevant. Ganz selten wirbt ein Anbieter unklar mit dem Bezug von Strom aus Anlagen mit TÜV SÜD EE – was leider kaum mehr belegt als den korrekten Einkauf von Herkunftsnachweisen. Auf die „Module“ kommt es an: Das Modul EEneu ermöglicht den Nachweis, dass eine Anlage (oder ein Teil davon) als „neu“ im Sinne des Standards gilt (Grundlage für EE01). Das Modul EE+ bestätigt, dass der Zertifikatnehmer (etwa ein Stromproduzent) in der Lage ist, vertraglich vereinbarte Leistungswerte zu jedem Zeitpunkt mit dem zertifizierten Anlagenpool zu produzieren (Grundlage für EE02). Beides sind keine Label für Tarife.
TÜV SÜD EE01: Die Kriterien im Überblick
Der Standard TÜV SÜD EE01 zertifiziert Ökostromprodukte für Endkund:innen. Er stellt sicher, dass der gelieferte Strom nicht nur zu 100 % aus erneuerbaren Quellen stammt, sondern zusätzlich zur Förderung neuer Anlagen beiträgt.
- Grundprinzip: 100 % erneuerbare Energien plus verbindlicher Beitrag zur Energiewende. Der Anbieter muss transparent darlegen, wie die Förderung erfolgt – über Neuanlagen oder Energiewende-Investitionen oder einen definierten Technologiemix.
- Unterschied zu „TÜV SÜD EE02“: Der Schwerpunkt liegt nicht auf zeitgleicher Lieferung (s.u.), sondern auf dem Zubau neuer Kapazitäten.
Mehrwert
- Mehrwert über Herkunftsnachweise: Der Mehrwert zur Energiewende ergibt sich aus den drei Optionen für EE01: Mindestens 35 % des Stroms aus Neuanlagen (jünger als 3 Jahre), oder 0,3 ct/kWh als Aufschlag für einen Förderfonds, oder ein Technologiemix mit Mindestanteilen aus bestimmten, sehr diversen Anlagentypen, die bestimmte Größen nicht überschreiten dürfen.
- Investitionsverpflichtung: Bei EE01 investiert nur die Förderfond-Variante direkt in die Energiewende, wobei die anderen Optionen es aber auch indirekt tun können. Erhebt der Anbieter einen Preisaufschlag für den Ökostrom, sind mindestens 75 % dieses Preisaufschlags in Maßnahmen zur Energiewende zu investieren – relevant z.B. bei Stadtwerken, die Tarife ohne und mit Ökostrom anbieten.
- Neuanlagenförderung: Die liefernden Anlagen müssen entweder vollständig neu sein oder durch das EE-Modul EEneu als Neuanlagen zertifiziert werden. Auch umfassend modernisierte Bestandsanlagen oder Kapazitätserweiterungen können zählen – sofern sie die EEneu-Kriterien erfüllen.
- 100 % erneuerbare Herkunft: Der Strom darf ausschließlich aus Wind-, Solar-, Wasser-, Biomasse-, Klärgas-, Biogas- oder Geothermieanlagen stammen.
- Modular erweiterbar: Anbieter können zusätzlich Module wählen – etwa für Regionalität, CO₂-Kompensation oder physische Kopplung von Strom und Herkunftsnachweis.
Beitrag zur Energiewende
- Beitrag zur Energiewende: EE01-Tarife zwingen Anbieter, in neue Erzeugungskapazitäten zu investieren – oder entsprechende Beiträge zu leisten.
- Ausschlusskriterien: TÜV SÜD EE01 kennt keine verpflichtenden Ausschlusskriterien für Anbieter mit Kohle- oder Atomverflechtung.
- Ökologische Mindeststandards:
- … bei Wasserkraft: keine.
- … bei Windkraft: keine.
- … bei Solarenergie: keine.
- … bei Biomasse: keine.
- Eine verpflichtende nachhaltige Unternehmenspolitik ist nicht Teil des Standards.
Sonstiges
- Alleinstellungsmerkmal: Die „Technologiemix“-Option ist vergleichsweise einzigartig. Durch die Auferlegung von Größenbeschränkungen fördert TÜV SÜD EE01 implizit die Entwicklung und Integration kleinerer, dezentralerer Projekte für erneuerbare Energien und fördert theoretisch eine widerstandsfähigere, diverse, dezentrale Netzstruktur.
- Zertifizierende Stelle: TÜV SÜD AG
- Verbreitung: Wenig bis mittel – vor allem bei Anbieter:innen mit eigenen oder langfristig gebundenen EE-Anlagen, etwa kommunale Energieversorger.
- Info: www.tuvsud.com
TÜV SÜD EE02: Die Kriterien im Überblick
Der Standard TÜV SÜD EE02 zertifiziert Ökostromprodukte mit dem Anspruch auf zeitgleiche Lieferung. Er stellt sicher, dass der Strom, den Verbraucher:innen verbrauchen, im gleichen Moment aus erneuerbaren Quellen ins Netz eingespeist wird – in Echtzeit statt auf Jahresbasis.
- Grundprinzip: Hochwertiger Ökostrom mit garantiertem Echtzeitbezug. Anbieter müssen nachweisen, dass in jeder Viertelstunde mindestens so viel Ökostrom ins Netz eingespeist wird, wie die Kund:innen gleichzeitig verbrauchen.
- Unterschied zu TÜV SÜD EE01: EE02 legt den Fokus auf die zeitliche Deckung von Verbrauch und Erzeugung, während EE01 (siehe oben) auf Neuanlagenförderung abzielt.
Mehrwert
- Mehrwert über Herkunftsnachweise: Die bloße Lieferung von Herkunftsnachweisen aus alten Wasserkraftwerken reicht nicht aus. Stattdessen muss die zeitnahe physikalische Einspeisung in einem geprüften Anlagenpool nachgewiesen werden. Herkunftsnachweise müssen im Viertelstundenraster zur tatsächlichen Lieferung passen.
- Investitionsverpflichtung (Überblick): Keine zwingenden. Erhebt der Anbieter einen Preisaufschlag für den Ökostrom, sind aber mindestens 75 % eines theoretischen Preisaufschlags in Maßnahmen zur Energiewende zu investieren – relevant z.B. bei Stadtwerken, die Tarife ohne und mit Ökostrom anbieten.
- 100 % erneuerbare Herkunft: Strom darf wie bei EE01 ausschließlich aus erneuerbaren Quellen stammen.
- Technische Absicherung durch Modul EE+: Auf Erzeugerseite wird der Anlagenpool nach dem Modul „EE+“ zertifiziert – er muss in der Lage sein, den vereinbarten Fahrplan auch wirklich zu liefern.
Beitrag zur Energiewende
- Beitrag zur Energiewende: Bei EE02 geht es um die Echtzeitversorgung mit 100 % Ökostrom und die Integration wechselhafter Quellen wie Wind und Solar. Auch wenn hier keine direkte Pflicht zu Neuanlagen oder Investitionen besteht, erfordert die Umsetzung der Zeitgleichheit oft Investitionen in steuerbare EE-Anlagen, Speicher oder virtuelle Kraftwerke, wie sie Stromnetze künftig brauchen.
- Ausschlusskriterien: Wie bei EE01 fehlen verpflichtende Ausschlüsse für Anbieter mit Kohle- oder Atomverflechtung.
- Ökologische Mindeststandards:
- … bei Wasserkraft: keine.
- … bei Windkraft: keine.
- … bei Solarenergie: keine.
- … bei Biomasse: keine.
- Eine verpflichtende nachhaltige Unternehmenspolitik ist nicht Teil des Standards.
Sonstiges
- Alleinstellungsmerkmal: EE02 ist eines der wenigen Label, das viertelstundengenaue Stromdeckung verlangt – also die härteste Form der physikalischen Kopplung. Das erfordert komplexe Steuerung, bringt aber maximalen Nutzen für die Netzstabilität.
- Zertifizierende Stelle: TÜV SÜD AG
- Verbreitung: gering; noch können nur wenige Anbieter die Anforderungen dauerhaft erfüllen
- Info: tuvsud.com
TÜV SÜD EE01 und EE02: Kontrollen
TÜV SÜD führt bei beiden Siegeln – EE01 und EE02 – regelmäßig Audits durch, bei denen sämtliche Anforderungen und Nachweise überprüft werden. Die Auditierung erfolgt in der Regel jährlich, spätestens jedoch alle zwei Jahre.
Versorger müssen dabei unter anderem:
- bei EE01: detailliert nachweisen, wie der geforderte Anteil an Neuanlagen oder Förderbeiträgen oder die Technologiemix-Anforderungen erfüllt wurden
- bei EE02: belegen, dass der zertifizierte Anlagenpool die zeitgleiche Deckung im Viertelstundentakt einhält
Kritik an den Ökostrom-Siegeln des TÜV Süd
Das TÜV Süd Siegel wurde in der Vergangenheit stark kritisiert, hat sich aber in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Auffällig ist aber, dass er noch immer sehr technisch gedacht ist und wenig Rücksicht nimmt auf die Wünsche von Kund:innengruppen, die sich eine einfach verständliche Selbstwirksamkeit wünschen.
Kritikpunkte:
- Das TÜV-Süd-Siegel kennt keine Umweltkriterien für Energieerzeugungsanlagen.
- Beim EE02-Label kann der Stromanbieter auf den Bau von und die Investition in Neuanlagen komplett verzichten, der Strom kann auch aus uralten Anlagen kommen.
- bei EE01-Label liegen die Zahlen der Mindestförderung (35% aus Neuanlagen, 0,3 ct/kWh für Förderfonds) unter denen von beispielsweise dem Grüner Strom Label.
- Die Technologiemix-Option für TÜV Süd EE01 ist einerseits spannend, andererseits bedeutet sie implizit, dass EE01 nicht ausdrücklich zertifiziert, dass Geld in den Ausbau der EE fließt.
- Die Energiekonzerne E.ON, Vattenfall und EnBW sind Mitglieder des Vereins TÜV Süd e.V., dem die Mehrheit der TÜV Süd AG gehört. An potentiellen Interessenskonflikten stoßen sich manche, etwa das Umweltbüro Berlin Brandenburg.
- Das TÜV-Süd-Siegel stört sich nicht daran, wenn Stromanbieter des zertifizierten Tarifs mit Kohle- und Atomkraftwerken verflochten sind.
- Durch die Vielzahl an Modulen und Varianten ist zumindest für Konsumenten schwer durchschaubar, was genau mit TÜV Süd gemeint ist.
Unterm Strich wird am häufigsten kritisiert, dass sowohl EE01 als auch EE02 prinzipiell die Möglichkeit bieten, einfach Herkunftsnachweise zu verwenden, um Börsen-Graustrom grün zu waschen, statt direkt in neue Anlagen zu investieren. Das ist wahr, aber erstens nur in bestimmten Fällen (bei EE01 nur in der Technologiemix-Option), übersieht aber, dass das letztlich alle Optionen (auch EE02) auf ihre Weise indirekt auf die Energiewende einzahlen.
Alternativen zum TÜV Süd EE01 oder EE02
Schon die beiden TÜV-Süd-Standards untereinander sind so verschieden, dass es schwierig ist, ein einfaches „besser oder schlechter als“ auszusprechen.
Vor allem für ökologisch weitergehende Kriterien bieten sich diese TÜV-Süd-Alternativen an:
- Das ok-power-Siegel hat ein flexibles, aber anspruchsvolles System mit klarer Investitionspflicht und Ausschlusskriterien für Atom- und Kohle-Energie, welche es bei TÜV Süd nicht gibt.
- Das Grüner Strom Label, fordert eine physische Kopplung von Strom und Herkunftsnachweis, schließt Anbieter mit Atom- und Kohlebeteiligungen aus, fordert einen höheren Förderbeitrag als TÜV Süd EE01 und EE02 und stellt hohe Umweltforderungen an die EE-Anlagen.
Verbreitung des Ökostrom-Siegels
Das TÜV SÜD Siegel für Ökostromtarife sehen wir selten, keiner der Tarife der von UTOPIA empfohlenen Ökostromanbieter hat es. Es ist aber vor allem bei Stadtwerken bzw. kommunalen Energieversorgern zu finden, und bei ihnen ist es auch sinnvoll: Sie sind oft noch aus historischen Gründen wirtschatlich oder technisch mit Atom- und Kohlestrom verbunden und können daher Siegel wie ok-power oder Grüner Strom nicht haben.
Utopia-Fazit: TÜV Süd Label für Ökostrom
Bei der Einordnung hilft, sich klarzumachen, dass das Siegel TÜV EE01/EE02 sich vor allem an Stadtwerke, Grundversorger und kommunale Stromanbieter richtet. Es versucht, deren Bedürfnissen gerecht zu werden und ihnen flexible Optionen anzubieten, dennoch für die Energiewende tätig zu werden. Bei genauem Hinschauen leisten das sowohl EE01 als auch EE02.
Wem Verbindungen des Ökostromtarif-Anbieters zu Kohlestrom-Unternehmen egal sind und wer sich nicht ausdrücklich für die Umweltfreundlichkeit von EE-Anlagen interessiert (die in Einzelfällen natürlich dennoch gegeben sein kann, nur eben nicht Teil des TÜV-Süd-Siegel ist), findet mit den EE01-/EE02-Siegeln jeweils auf unterschiedliche Weise wirkende, sinnvolle Kriterien.
Wenn du dich beispielsweise aus Gründen der regionalen Unterstützung für einen Tarif von Stadtwerken, Grundversorgern und kommunalen Stromanbietern entscheidest, dann achte auf Tarife mit TÜV-Süd-Siegel.
Wichtige Beiträge zu dem Thema auf Utopia.de:
- Ökostrom-Siegel im Vergleich
- Die besten Ökostrom-Anbieter
- Diese 7 Ökostrom-Anbieter empfiehlt dir Utopia
- Ökostrom: So einfach ist Wechseln