Das Siegel „Zeit zu zweit – für Kuh und Kalb“ ist das womöglich strengste Milch-Siegel auf der Welt. Es stammt vom Tierschutzverein Provieh e.V. und den Demeter-Heumilchbauern.
Damit Kühe Milch geben, müssen Sie jedes Jahr ein Kalb zur Welt bringen. In herkömmlichen Milchvieh-Betrieben trennen Landwirte Kuh und Kälbchen direkt nach der Geburt, damit das Jungtier die Milch nicht selber trinkt.
Hinzu kommt, dass sich die Aufzucht männlicher Jungtiere für die Landwirte meist nicht lohnt. Zu teuer sind die Futterkosten für eine Mast und zu gering der Fleischpreis. Die Tiere werden daher schon nach wenigen Tagen ins Ausland verkauft, wo sie in Intensiv-Mastanlagen in kürzester Zeit hochgezüchtet und dann geschlachtet werden.
Das Siegel „Zeit zu zweit – für Kuh und Kalb“ zertifiziert Milch von Biohöfen, bei denen die Jungtiere deutlich länger beim Muttertier bleiben dürfen und auch von ihr die Milch bekommen.
- Vergeben in: Deutschland
- Vergeben von: Demeter e.V. und ProVieh e.V.
- Kategorie: Milchprodukte
- Produkte: u.a. Milch und Käse
- Verbreitung: mittel (vor allem in Süddeutschland: in den Regionen Bodensee, Allgäu, Linzgau und Oberschwaben)
„Zeit zu zweit“-Siegel: Kriterien
Die Kriterien des Siegels „Zeit zu zweit“ sehen vor:
- Jungtier und Muttertier bleiben in der Regel drei Monate zusammen, mindestens jedoch vier Wochen.
- Das Kalb trinkt vom Mutter- oder einem Ammentier.
- Kuh und Kalb treffen mindestens zweimal am Tag aufeinander zum Säugen.
- Darüber hinaus gelten die Vorgaben des Demeter-Siegels.
Besonders an dem Siegel ist, dass es keinen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Jungtieren macht. Und dies, obwohl der Markt für Bullenkälber eigentlich am Boden ist: Landwirte berichten, dass sie oft weniger als zehn Euro für ein männliches Jungtier erhalten. Ein Bullenkalb trinkt also schon an seinem ersten Lebenstag für mehr Geld Milch, als es jemals auf dem Markt erzielen wird.
Das Siegel „Zeit zu zweit“ garantiert, dass die Tiere dennoch über Wochen auf dem Hof aufwachsen und Milch bekommen. Das funktioniert, weil es alternative Konzepte zu hochindustrialisierten Milchwirtschaftsbetrieben gibt.
Demeter-Bauer Rolf Holzapfel, Vorstand der Demeter-HeuMilch-Bauern, erklärt: „Wir sehen die mutter- und ammengebundene Kälberaufzucht als besonders wesensgemäße Art der Haltung an, denn sie kommt den Bedürfnissen der Kälber und ihren Müttern besonders entgegen“. Besonders von Vorteil sei auch der Sozialkontakt, das Belecken, die Körperpflege durch ihre Mütter und Ammen und das Saugen. Dies tue den Kälbern gut.
Kontrollen beim „Zeit zu zweit“-Siegel
Die Tierschutzorganisation Provieh e.V. besucht nach Angaben von Demeter alle Betriebe und überzeugt sich vor Ort davon, dass alle Vorgaben eingehalten werden. Hinzu kommen die jährlichen Kontrollen durch staatlich anerkannte, unabhängige Prüfinstitute. Sie prüfen die Einhaltung der Kriterien für das Bio- und das Demeter-Siegel.
Utopia-Fazit
Auch in der Bio-Landwirtschaft ist das große Problem mit den Bullenkälbern noch nicht zufriedenstellend gelöst: Jedes zweite Kalb ist schließlich männlich und insbesondere Bullenkälber von milchbetonten Rassen (die also viel Milch geben, aber kaum Fleisch ansetzen) werden nach einigen Tagen verkauft – auch in Bio-Betrieben. Oft landen sie im Ausland, wo sie konventionell gemästet und geschlachtet werden.
Das Siegel „Zeit zu zweit“ ist das einzige Siegel, bei dem die männlichen Jungtiere auf dem Hof aufgezogen werden und das oft über mehrere Monate. Das Siegel fordert zudem die hohen Demeter-Standards ein, die zu den strengsten Kriterien der Branche zählen. Bedauerlich ist aber, dass Produkte mit dem Siegel „Zeit zu weit“ bisher vor allem in Süddeutschland verbreitet und in anderen Bundesländern kaum zu finden sind.
Mehr zum Thema bei Utopia:
- Warum Bio-Weidemilch und Bio-Heumilch besser sind
- „Kaputt gemolken“: So viele Kühe müssen für unsere Milch sterben
- Milchtankstellen: So findest du ihre Standorte
War dieser Artikel interessant?