Der Frankfurter Unternehmer Daniel Anthes braut Bier aus Brot, das sonst in der Mülltonne landen würde. Ein Gespräch über seine ungewöhnliche Idee und darüber, was wir alle gegen Lebensmittelverschwendung tun können.
Wie kann es sein, dass es in Deutschland, im Land des Brotes und des Bieres, kein Brotbier gibt? Diese Frage hat sich der Frankfurter Unternehmer Daniel Anthes gestellt und kürzlich mit Knärzje das erste Brotbier Deutschlands auf den Markt gebracht. Knärzje ist nicht nur ein innovatives Bier, sondern gleichzeitig auch ein Statement gegen Lebensmittelverschwendung und für mehr Nachhaltigkeit. Was dahinter steckt, erläutert Daniel Anthes im Interview.
Daniel, für alle Nicht-Hessen*innen/Nicht-Pfälzer*innen: Was bedeutet „Knärzje“?
Knärzje bezeichnet in Hessen & der Pfalz das Randstück vom Brot. Das Schöne an der deutschen Sprache ist ja aber, dass es dafür über 200 Begriffe gibt in den unterschiedlichen Regionen Deutschlands. Für uns steht das Knärzje damit auch symbolisch für die Verschwendung von Lebensmitteln. Unglaubliche zwei Millionen Tonnen Backwaren landen jährlich im Müll, obwohl sie noch einwandfrei genießbar wären. Doch genau deshalb ist dieses Endstück für uns nicht das Ende der Fahnenstange, sondern das Herzstück eines ganz besonderen Bieres.
Wie kamst du darauf, ein Bier aus gerettetem Brot zu brauen?
Ich wusste, dass es im Ausland schon Brotbier gibt und war von Anfang an begeistert von der Idee. Irgendwann habe ich mich dann gefragt, warum sich in Deutschland noch keiner an eine Umsetzung wagt. Ich meine, wir leben im Land des Bieres und Brotes – die ganze Welt ist neidisch auf unser Handwerk in diesen Bereichen! Aber zusammengedacht und -gebracht hat es noch keiner, weshalb ich dann einfach eines Tages zu mir sagte: Wenn es sonst keiner macht, mach ich es halt eben selbst!
Und so war die Idee geboren, mit der ich dann bei lokalen Brauereien vorstellig wurde. Glücklicherweise konnte ich mit BrauStil und Brewids sofort sympathische und kompetente Partner finden, weshalb es auch schon direkt beim ersten Brauversuch gut klappte. Wir haben dann aber nochmal mit unterschiedlichen Brotsorten experimentiert, ehe wir uns auf eine besonders rückläufige Sorte geeinigt hatten. Schließlich geht es hier nicht nur um ein besonderes und leckeres Bier, sondern eben auch um die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung.
Ist es komplizierter ein Brotbier zu brauen, als ein Hopfenbier?
Nein, der Prozess ist genau derselbe. Wir ersetzen lediglich bis zu einem Drittel des normalerweise nötigen Braumalzes und können dem Bier so – je nach Brot – eine besondere Note mitgeben. Ansonsten sind die Schritte identisch zu einem Bier „gebraut nach Reinheitsgebot“.
Um Knärzje zu finanzieren, läuft gerade ein Crowdfunding. Wenn ihr eure Fundingziele erreicht habt, wie geht es dann weiter? Was ist eure Vision?
Ich habe vor kurzem mit der Knärzje GmbH ein eigenes Unternehmen gegründet, um das Brotbier noch größer rauszubringen. Mein Ziel ist es, noch mehr Menschen über den Genuss eines besonderen und leckeren Bieres mit dem Thema Lebensmittelverschwendung in Berührung zu bringen. Und ich bin überzeugt davon, dass ein derart subtiles Vorgehen – leckeres Bier trinken und dabei die Welt ein bisschen besser machen – zu mehr Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft beitragen kann, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben oder den Menschen irgendetwas vorzuschreiben.
Nach dem Crowdfunding stehen als Nächstes Gespräche mit neuen potentiellen Partnerbrauereien und -bäckereien sowie unterschiedlichen Handelsvertretern an. Ziel ist es, unsere Idee weiter zu skalieren und mit dem Knärzje in den Handel zu kommen. Unsere Vision ist die, dass wir zeigen, dass Nachhaltigkeit und Genuss wunderbar zusammenpassen. Und ganz praktisch dass Zero Waste eben nicht nur für Verpackungen, sondern vor allem auch für Lebensmittel gelten sollte.
Hast du praktische Tipps, die jede*r von uns beherzigen kann, um weniger Lebensmittel zu verschwenden?
Ich stelle mir schon seit Jahren die Frage, wie wir wieder achtsamer mit unseren Lebensmitteln umgehen können. Viel zu oft sind wir Opfer unserer Gewohnheiten, die sich im Zuge unseres Lebensmittelüberflusses immer weniger nachhaltig eingespielt haben. Dabei ist es gar nicht so schwer: Da wären Aspekte wie die korrekte Lagerung von Lebensmitteln um die Haltbarkeit zu verlängern, das kritische Hinterfragen des Mindesthaltbarkeitsdatums (das eben nicht das Verfallsdatum ist) und natürlich das aktive „Retten“ und Teilen von Lebensmitteln per App oder Foodsharing. Es gibt mittlerweile diverse Möglichkeiten, einen Beitrag gegen die Lebensmittelverschwendung zu leisten – und jeder noch so kleine Schritt ist es wert gegangen zu werden.
Zur Person
Daniel Anthes engagiert sich schon seit Jahren gegen die Lebensmittelverschwendung. Ob ehrenamtlich mit dem eigenen gemeinnützigen Verein ShoutOutLoud samt Foodtruck, als Autor des Buchs „Weil wir Essen lieben – vom achtsamen Umgang mit Lebensmitteln“ oder als Coach in Zero-Foodwaste-Workshops. Durch seine Arbeit als Redner und Berater sowie Partner des Zukunftsinstituts ist er am Puls der Zeit. Nun ist er bereit für den nächsten Schritt – das eigene Food-Startup!
Interview: Michael Rebmann
Der Beitrag erschien ursprünglich im Triodos-Bank-Blog diefarbedesgeldes.de
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