Was tun, wenn man von einem Mann regiert wird, der Umweltschutz für Schwachsinn hält? Klagen, lautet die Antwort in Kalifornien. Dafür hat sich der Bundesstaat Eric Holder an Bord geholt – den ehemaligen Justizminister der Obama-Regierung. Ein schlauer Schachzug.
Kalifornien gilt in den USA als das Paradebeispiel für ernst gemeinten Umweltschutz: Nirgends wird Ökostrom so intensiv ausgebaut wie hier. Die Abgasvorschriften sind strenger, die Emissionsziele ambitionierter. In kaum einem Staat beschäftigt die Regierung sich derart umfassend mit dem Klimaschutz.
Und nirgends kann der neue US-Präsident Donald Trump mit seinen impulsiven Beschlüssen so viel kaputt machen wie in Kalifornien. Trump versteht Umweltvorschriften als lästige Wirtschaftsbremse – schädlich für seine Maxime „Make America great again“.
Geheimwaffe mit Namen Eric Holder
Der Bundesstaat wappnet sich deshalb für die juristische Konfrontation mit dem Weißen Haus. Seine Geheimwaffe soll Eric Holder sein: Der ehemalige Justizminister, der aktuell bei der renommierten Washingtoner Kanzlei „Covington & Burling“ arbeitet, wurde am 4. Januar von der kalifornischen Regierung angestellt. „Kalifornien kann einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten – unabhängig davon, was in Washington vor sich geht“, kündigte Kaliforniens demokratischer Gouverneur Jerry Brown gegenüber der „New York Times“ an.
Kann Holder erreichen, was Brown verspricht?
Seit seinem Jura-Abschluss arbeitete Eric Holder immer wieder im United States Department of Justice (DOJ), dem amerikanischen Justizministerium: Von 1976 bis 1988 erst als junger Anwalt, 1997 wurde er dann für vier Jahre stellvertretender Justizminister unter Bill Clinton. Später gab Barack Obama ihm den Posten des Ministers, den er von 2009 bis 2015 innehatte. Er kennt das Ministerium in- und auswendig.
„Eric Holder hat den Vorteil, dass er gegen seinen früheren Arbeitgeber, die Exekutive der US-Regierung, klagt und verteidigt“, sagt Kirk Junker, Professor für US-amerikanisches Recht an der Universität Köln. „In diesem Sinne kann ihm sein Insiderwissen über die alltägliche Regierungsarbeit einen Vorteil bringen.“
Eric Holder zerrte BP wegen Deepwater Horizon vor Gericht
In seiner Zeit als Minister kämpfte Holder insbesondere gegen Rassismus und Polizeibrutalität. Er nutzte das Zivilrecht aber auch, um sich für die Umwelt einzusetzen. 2010 zerrte er den britischen Konzern BP mit einer Zivilklage vor Gericht. Als Entschädigung für die Umweltschäden, die die Explosion der BP-Ölplattform „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko damals verursacht hatte, musste der Konzern letztlich 18,7 Milliarden Dollar bezahlen – es ist die höchste Entschädigung, die jemals in den USA gezahlt werden musste.
Rechtsexperte Junker sieht gute Chancen, dass Holder auch die kalifornischen Umweltgesetze erfolgreich verteidigen kann. Direkt loslegen kann er damit jedoch noch nicht. Junker räumt ein: „Weder Herr Holder noch sonst eine Person kann vor ein US-Gericht ziehen und einfach vortragen: ‚Wir mögen nicht, was Präsident Trump macht – stoppen Sie ihn!’“
Der Stopp des Einreiseverbots macht den Trump-Gegnern Mut
Eric Holder harrt also in einer Habachtstellung aus. Erst wenn Trumps US-Exekutive eine Entscheidung fällt, die die Kalifornier betrifft, kann er dagegen vor Gericht ziehen. Zentral für seine Argumentation könnte der Schaden sein, der den Bürgern durch Trumps Maßnahmen entsteht.
Vorstellbar wäre also folgendes Szenario: Sollte Trump die strengen kalifornischen Abgasvorschriften verwässern, so könnte Holder darauf hinweisen, dass die Kalifornier durch schlechtere Luftqualität geschädigt werden.
Ein Musterbeispiel für einen solchen Gerichtsprozess habe man bereits am vergangenen Wochenende beobachten können, sagt Max Grünig vom Thinktank „Ecologic Institute“ in Washington. Die Bundesstaaten Minnesota und Washington klagten gegen Trumps Einreiseverbot für Muslime. Ihnen entstehe ein Schaden, weil wichtige Mitarbeiter wie etwa Universitätsangestellte in Folge des Einreiseverbots nicht zu ihrer Arbeit hätten erscheinen können, so das Argument.
Der zuständige Richter gab den Bundesstaaten Recht und setzte Trumps „Muslim Ban“ vorerst außer Kraft. „Hier öffnet sich eine wichtige Tür – und zwar nicht nur eine Hintertür, sondern eher das Scheunentor“, sagt Grünig. „Wenn diese Argumentation in der Einwanderungspolitik anerkannt wird, dann ist das genauso im Bereich Umwelt- und Klimapolitik denkbar.“
Die Bundesstaaten sind in den USA weit mächtiger und unabhängiger als beispielsweise die deutschen Bundesländer, sagt US-Rechtsexperte Junker. Man müsse sie sich eher vorstellen wie EU-Mitgliedstaaten: Mit eigenen souveränen Rechten, eigener Steuer und eigener Umweltschutzbehörde. Wenn die Trump-Regierung in diese Kompetenzen eingreift, muss sie begründen, warum sie das tut. Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln, geht davon aus, dass die Trump-Regierung sich auf die Wirtschaft beziehen wird: Strenge Abgasvorschriften schade der Autoindustrie, könnte eine Argumentationslinie lauten. „Anhand der Verfassung könnte Eric Holder dann vor Gericht anfechten, dass es nicht in der Kompetenz des Bundes liegt, in die kalifornischen Umweltvorschriften einzugreifen“, sagt Jäger.
Grundsatzentscheidung für den Klimaschutz
„Die Bundesstaaten haben viel Handlungsspielraum“, sagt auch Nora Löhle, Direktorin des Programms „Energy and Environment“ im Washingtoner Büro der Heinrich Böll Stiftung. „Über Jahrzehnte hinweg, unter völlig unterschiedlichen Präsidenten, haben einzelne US-Bundesstaaten sich weit ambitioniertere Umwelt- und Klimaschutz-Ziele gesteckt als vom Bund vorgeschrieben.“
So hat Kalifornien sich vorgenommen, seinen CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent zu senken, verglichen mit den Werten von 1990. Der Bundesstaat Massachusetts strebt an, seine Stromversorgung bis zum Jahr 2050 zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien zu gewinnen.
Das Vorbild Massachusetts ist es auch, das unter kalifornischen Juristen und Umweltschützern für Hoffnung sorgen dürfte. 2007 reichte der Bundesstaat eine Klage ein, die letztlich vor dem Supreme Court landete. Massachusetts hatte gefordert, dass der Ausstoß an Treibhausgasen von der US-Regierung reguliert werden müsse – zu Recht, so das Urteil des Obersten Gerichtshofs.
Der Fall wurde zur Grundsatzentscheidung. Auf dessen Druck nahm die US-Umweltbehörde „Environmental Protection Agency“ die Regulierung von Treibhausgasen mit in den sogenannten „Clean Air Act“ auf, ein Gesetz zur Sicherstellung einer guten Luftqualität.
„Was die Umwelt- und Klimapolitik betrifft, werden die Bundesstaaten unter Trump umso mehr gefragt sein“, prognostiziert Umweltexpertin Nora Löhle. Dass Kalifornien dieser Verantwortung gerecht werden will, zeige bereits die medienwirksame Anstellung von Eric Holder als juristischen Berater. Und der kalifornische Gouverneur Jerry Brown ging schon im November 2016 auf Konfrontationskurs zu Trump. Mit Blick auf den damals frisch gewählten US-Präsidenten sagte er gegenüber einem Klima-Thinktank: „Wir haben die Wissenschaftler, wir haben die Anwälte. Wir sind bereit zu kämpfen.“
GASTBEITRAG vom Greenpeace Magazin.
TEXT: Julia Huber
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