Spanien hat immer wieder mit Wassermangel zu kämpfen. Unsere Autorin lebt selbst in Andalusien und berichtet, wie sich der Klimawandel bemerkbar macht – und welche Konsequenzen das nach sich zieht.
Die Entscheidung ist endlich gefallen: In der andalusischen Provinz Málaga dürfen auch in dieser Saison die privaten Pools und Pools in Wohngemeinschaften (sogenannten Urbanizaciónes) befüllt werden, wie spanische Medien berichten. Das Verbot für die Gesamtregion wurde aufgehoben, die endgültige Entscheidung trifft allerdings jede Gemeinde für sich. Zu dem Gebiet gehört auch mein Wohnort, Marbella. Der bange Blick zum Pool und die Frage: „Was unternehme ich mit dem Kind in zweieinhalb Monaten Sommerferien?“ ist für mich damit erst einmal einem erleichterten Lächeln gewichen.
Was auf den ersten Blick wie ein Paradebeispiel für ein First World Problem aussieht, hat einen ernsten Hintergrund: Spanien und insbesondere meine Wahlheimat Andalusien leiden schon seit Jahren unter massivem Wassermangel. Und selbst Luxusprobleme wie unbefüllte Pools haben massive Auswirkungen auf die Menschen hier, die weit über den Mangel an Abkühlung hinausgehen.
Dürre gefährdet Tourismus und Landwirtschaft
Ein großer Teil der Bewohner:innen der Costa del Sol lebt vom Tourismus. Laut Arturo Bernal – Tourismus-, Kultur- und Sportminister in Andalusien – ist jede vierte andalusische Familie im Tourismus beschäftigt. In dem Haus, in dem ich lebe, habe ich keine richtigen Nachbar:innen, alle Wohnungen werden touristisch vermietet.
Hotels sind von den Wasserrestriktionen an der Costa del Sol ausgenommen, nicht jedoch Ferienapartments in gemischten Wohnanlagen. Zu letzteren zählen auch die vielen Zweitwohnungen an der Küste, die in der Hochsaison vermietet werden. Würden die Pools unzähliger Airbnbs gesperrt, müsste man mit einer Stornierungswelle rechnen. Um dies zu vermeiden, füllen Vermieter:innen von Ferienwohnungen ihre Pools teils mit Brunnenwasser aus Tankwagen – eine kostspielige Angelegenheit.
Und diese wirtschaftlichen Auswirkungen ziehen Kreise: Wenn touristische Ferienwohnungen leer bleiben, werden auch keine Gärtner:innen, Reinigungskräfte und Mitarbeiter:innen von Wohnungs- und Poolwartungsunternehmen benötigt. Diese können zur Hauptsaison ihr Einkommen verlieren. In einer Region, die per se unter ökonomischem Druck steht, sind solche Einschnitte direkt spürbar.
Die Landwirtschaft, das Rückgrat der andalusischen Wirtschaft, leidet besonders unter der Dürre. Schon 2023 erklärte ein Statusbericht des spanischen Bauernverbands COAG, dass es beim Getreideanbau auf 3,5 Millionen Hektar Ackerland zu „irreversiblen Verlusten“ kam. Allerdings trägt die intensive Landwirtschaft in Spanien auch zur Trockenheit bei – zusammen mit anderen Faktoren.
Spanien: Wie entsteht der Wassermangel in Andalusien?
Der Klimawandel ist einer der Haupttreiber der Wasserknappheit in Andalusien. Die Region, die sich über den südlichen Teil der Iberischen Halbinsel erstreckt, ist bekannt für ihr trockenes Mittelmeerklima. Doch in den letzten Jahrzehnten nahmen die durchschnittlichen Niederschläge deutlich ab. Dem spanischen Wetterdienst Aemet zufolge sind etwa die jährlichen Niederschläge in Andalusien zwischen Oktober 2021 und Juni 2022 um circa 25 Prozent geringer ausgefallen als normal, darüber berichtete unter anderem der Tagesspiegel. Extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen und längere Dürreperioden sind häufiger geworden.
Die intensive landwirtschaftliche Nutzung ist ein weiterer entscheidender Faktor für den Wassermangel in Andalusien. Die Region ist ein wichtiger Produzent von Oliven, Zitrusfrüchten und Gemüse. Diese Kulturen benötigen viel Wasser, das hauptsächlich aus unterirdischen Wasserreservoirs und Flüssen entnommen wird. Der Guadalquivir, einer der wichtigsten Flüsse Andalusiens, hat in den letzten Jahren stark an Wasserführung verloren. Übermäßig bewässerte Anbauflächen und ineffiziente Bewässerungstechniken verschärfen das Problem zusätzlich.
Nicht zuletzt bedrohen zahlreiche illegale Brunnenbohrungen Naturschutzgebiete wie die Doñana. Demnach wird im Nationalpark (und UNESCO-Weltnaturerbe) illegal nach Wasser gebohrt – um dieses für den Erdbeeranbau zu nutzen. Die Bohrungen beeinflussen das Ökosystem vor Ort: Flüsse führten zum Beispiel deshalb weniger Wasser. Zudem verschwinden Feuchtgebiete, auch Vogelpopulationen nehmen ab.
Ein weiteres Problem ist das mangelhafte Wassermanagement in der Region. Alte und ineffiziente Infrastruktur, undichte Wasserleitungen und veraltete Bewässerungssysteme tragen erheblich zum Wasserverlust bei. Schätzungen zufolge gehen in ganz Spanien durchschnittlich 20 Prozent des bereitgestellten Wassers durch Lecks verloren. Zudem fehlt es an effektiven Maßnahmen zur Wasserwiederverwertung und -speicherung.
Spanische Gemeinden beschränken Wasser
Schon im Winter, Anfang des Jahres 2024, galten in knapp 60 Gemeinden Andalusiens strenge Wasserbeschränkungen. Trinkwasser durfte nicht mehr für das Waschen von Autos oder nicht-essentielle Zwecke wie öffentliche Duschen an Stränden und dekorative Brunnen ohne geschlossenen Wasserkreislauf verwendet werden.
Darüber hinaus wird der Wasserdruck in einigen Regionen tagsüber reduziert, um den Wasserverbrauch zu senken und Ressourcen zu schonen. Auch ein komplettes Abschalten der Wasserversorgung gehört zu den aktuellen Notfall-Maßnahmen. So wurde im Januar in meinem Nachbarort Fuengirola das Wasser von Mitternacht bis 7 Uhr morgens vollständig abgestellt, um den Depots die Möglichkeit zu geben, Wasser für die Tagesversorgung zu sammeln.
Die wohlhabenden Regionen Marbella und Estepona gehören aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus und einem ausreichend befüllten Stausee zu den Ausnahmeorten. Die strahlend grünen Golfplätze an der sogenannten Costa del Golf erscheinen nahezu absurd im Angesicht der akuten Trockenheit des Landes. Doch selbst in meinem Wohnort Marbella, waren in den Winter- und Frühlingsmonaten die Toiletten am Strand versperrt und die Wasserhähne an der Promenade abgestellt. Die Gärten blieben monatelang ohne Bewässerung und das verschwenderische Grün der Anlagen ist längst einem gelbgefärbten Rasen gewichen. Trotzdem weiß ich: Wenn man hier lebt, bekommt man eher wenig mit von der Krise.
Ein Jahr kein Trinkwasser für Ort in Südspanien
Eine kurze Arte-Dokumentation zeigt, welche Auswirkungen der Wassermangel in anderen, weniger privilegierten Regionen Andalusiens hat, deren Stauseen keine Reserven mehr aufweisen. Ab April 2023 hatte der kleine, im Film vorgestellte Ort Pozoblanco in Andalusien monatelang kein genießbares Trinkwasser mehr, die Menschen wurden mit täglichen, streng limitierten Wasserrationen versorgt.
Ein Jahr später bekam der Ort grünes Licht: Das Wasser aus dem Wasserhahn ist wieder verfügbar und trinkbar. Zwölf Monate Ausnahmezustand sind beendet. Die Regenfälle zu Ostern haben dazu geführt, dass alle wichtigen Stauseen Andalusiens wieder ausreichend befüllt sind. Die stetig wiederkehrenden Dürreepisoden jedoch zeigen, dass das Problem nicht abschließend behoben werden kann. Die Zukunftsprognosen für Andalusien sehen düster aus.
Not macht erfinderisch: Lösungen aus der Region
Schon lange wissen wir: Wasser ist keine Selbstverständlichkeit mehr in Andalusien. Diesem Umstand verdanken wir es, dass immer wieder neue, innovative Geschäftsmodelle und Lösungen auf den Markt kommen, die versuchen, mit diesem Umstand zu leben und das Leben der Menschen hier zu verbessern.
Eines dieser Projekte ist das Startup Biotonomy aus Málaga, das autonome Häuser kreiert. Ich durfte den Gründer Moein Nodehi bei einer Veranstaltung in meinem Coworking Space kennenlernen, bei der Lösungen für den Wassermangel und Ideen für nachhaltige Landwirtschaft vorgestellt wurden. In einer aktuellen Zusammenarbeit mit Bioazul hat Biotonomy die Fassade des lokalen Hotels „Mariposa“ in einen vertikalen Garten verwandelt. Diese Bepflanzung wird mit Grauwasser bewässert, also dem Abwasser des Betriebs. De facto benötigt der ganze Garten das Abwasser nur weniger Zimmer, um wachsen zu können. Zugleich soll die Bepflanzung die Umgebung kühlen und CO2 binden.
Auch ein Projekt in La Almoraima, dem größten Landgut Andalusiens, schont Ressourcen – im Rahmen eines Bewässerungsprojekts. Darüber berichtete eine lokale Zeitung. Das Regad-IN-System sammelt Regenwasser und leitet dieses während trockenen Phasen direkt an die Wurzeln von Setzlingen weiter – unter anderem mittels Destillation. Bei ersten Tests stieg die Überlebensrate der Pflanzen demnach von 26,3 Prozent auf 76,2 Prozent, wenn sie durch die Erfindung mit Wasser versorgt wurden.
Andalusien muss umdenken
Die Projekte sind Beispiele dafür, wie nachhaltige, moderne Lösungen dazu beitragen können, die Folgen des Klimawandels abzuschwächen. Doch leider sind sie nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In Andalusien bedarf es einem grundlegenden Umdenken, um die Dürre und ihre Folgen in den Griff zu kriegen. Dabei geht es nicht nur um den schönen grünen Rasen im Garten oder die pittoresk anzusehenden Springbrunnen in der Altstadt. Die Region kämpft ums Überleben – ein Umstand, der manchmal vor lauter Villenneubauten, Traumstränden und teuren Luxusautos auf den überfüllten Straßen übersehen wird.
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