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Phänologischer Kalender: Wie der Klimawandel die Jahreszeiten verschiebt

Phänologischer Kalender
Foto: CC0 / Pixabay / stux

Anhand des phänologischen Kalenders können wir sehen, dass der Klimawandel die Jahreszeiten in Deutschland bereist deutlich beeinflusst. Was sich ändert und welche Folgen das für uns und unsere Umwelt hat, erfährst du in diesem Artikel.

Der Phänologische Kalender unterteilt das Jahr in verschiedene Entwicklungsstadien in der Pflanzen- und Tierwelt. Dank Langzeitstudien können wir so die klimawandelbedingten Veränderungen in der Umwelt feststellen.

Im Jahr 2023 beispielsweise, begann der Vorfrühling mit der einsetzenden Haselblüte als Frühlingsbote in Deutschland bereits Mitte Januar – und damit mehr als einen Monat früher als im langjährigen Mittel 1961-1990. Der Klimawandel verändert unser Wetter und damit auch unsere Jahreszeiten deutlich. In diesem Artikel bekommst du einen Einblick, wie sehr sich unsere Jahreszeiten durch den Klimawandel verändern und was das für uns und unsere Umwelt bedeutet.

Phänologischer Kalender: Entwicklung der Vegetation im Jahresverlauf

Der phänologische Kalender basiert auf der Phänologie. Die Phänologie (griechisch für „Lehre der Erscheinungen“) beschreibt die Entwicklung der Pflanzen im Jahresverlauf. Anhand bestimmter Ereignisse in der Pflanzenentwicklung, wie etwa Blattentfaltung, Blattfall, Blüte oder Fruchtreife, wird das Jahr in phänologische Jahreszeiten unterteilt. Neben den Pflanzen gibt es auch Beschreibungen von Tieren, die in verschiedenen Jahreszeiten bestimmte Verhaltensweisen zeigen. Dieser Artikel geht jedoch auf die Phänologie der Pflanzen ein.

Das Jahr unterteilt sich in zehn phänologischen Jahreszeiten, die durch bestimmte Leitphasen eröffnet werden:

  1. Vorfrühling (Haselblüte)
  2. Erstfrühling (Forsythienblüte)
  3. Vollfrühling (Apfelblüte)
  4. Frühsommer (Holunderblüte)
  5. Hochsommer (Sommerlindenblüte)
  6. Spätsommer (Apfelfrüchte)
  7. Frühherbst (Holunderfrüchte)
  8. Vollherbst (Stieleichenfrüchte)
  9. Spätherbst (Stieleichen-Blattfärbung)
  10. Phänologischer Winter (Stieleichen-Blattfall)

Übrigens: Für Gärtner:innen ist das besonders interessant. Lies mehr dazu hier in unserem Beitrag Phänologischer Kalender: Die 10 Jahreszeiten für Gärtner:innen

Die Phänologische Uhr

Der phänologische Kalender setzte sich aus Eintrittszeiten der phänologischen Jahreszeiten in Deutschland zusammen. Hier siehst du ihre Veränderungen der letzten Jahre (außen: 1961-1990, innen: 1991 - 2020).
Der phänologische Kalender setzte sich aus Eintrittszeiten der phänologischen Jahreszeiten in Deutschland zusammen. Hier siehst du ihre Veränderungen der letzten Jahre (außen: 1961-1990, innen: 1991 – 2020).
(Foto: https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2023/3/19.html)

Der phänologische Kalender wird auch als Uhr bezeichnet: Die Phänologische Uhr beschreibt die Verteilung der natürlichen Jahreszeiten über das Jahr. Ehrenamtliche Beobachter:innen melden dem Deutschen Wetterdienst die Eintrittszeiten von charakteristischen Vegetationsstadien, wie zum Beispiel den Beginn der Haselblüte. Daraus leitet der DWD dann laufend die aktuellen phänologischen Jahreszeiten ab. Da sich die Vegetation in Deutschland unterschiedlich schnell entwickelt, gibt es für jedes Bundesland eine eigene aktuelle phänologische Uhr.

Neben der jahresaktuellen phänologischen Uhr, die der DWD laufend aktualisiert, gibt es inzwischen langjährige phänologische Uhren. Diese langjährigen Uhren beruhen auf Beobachtungen von inzwischen vielen Jahrzehnten. Indem wir die langjährigen phänologischen Uhren von früher und heute miteinander vergleichen, können wir sehen, wie der Klimawandel die Jahreszeiten verändert. Die Abbildung oben zeigt die langjährigen phänologischen Uhren der Zeiträume 1961-1990 und 1991-2020 im Vergleich.

Phonologischer Kalender zeigt: Klimawandel verändert die Jahreszeiten deutlich

Die Hasel, die im phänologischen Kalender den Beginn des Vorfrühlings markiert, blüht im langjährigen Mittel immer früher.
Die Hasel, die im phänologischen Kalender den Beginn des Vorfrühlings markiert, blüht im langjährigen Mittel immer früher.
(Foto: CC0 / Pixabay / adege)

Der phänologische Kalender ist also dynamisch und verändert sich von Jahr zu Jahr. Im Vergleich der langjährigen phänologischen Uhren von 1961-1990 (früher) und 1991-2020 (heute) fallen einige Dinge auf:

  • Die Haselblüte und damit der Vorfrühling beginnt etwa zwei Wochen früher. Während der Vorfrühling früher in den ersten Märztagen anfing, beginnt er heute im Schnitt bereits Mitte Februar. Im Jahr 2023 begann der Vorfrühling bereits Mitte Januar!
  • Auch die meisten anderen Jahreszeiten beginnen deutlich früher.
  • Dabei zeigen sich in Deutschland bei der Phänologie regionale Unterschiede: So beginnt beispielsweise der Vorfrühling in Sachsen circa zwei Wochen später als in Nordrhein-Westfalen.
  • Gleichzeitig beginnen der Spätherbst und der Winter nicht deutlich früher. Die Zeit, in der unsere Pflanzen aktiv sind, hat sich demnach deutlich verlängert: Die Vegetationsperiode ist heute 19 Tage länger als früher

Dabei stellt der DWD klar, dass die Verlängerung der Vegetationsperiode und die Verschiebung der phänologischen Jahreszeiten maßgeblich durch die gestiegenen Temperaturen verursacht werden. Das ist laut Forscher:innen auf den Anthropogener Klimawandel zurückzuführen.

Hinweis: Obwohl sich die Jahreszeiten in dem phänologischen Kalender verschieben, bleiben andere Daten, wie der kalendarischer und meteorologischer Winteranfang jedes Jahr gleich.

Welche Risiken birgt diese Jahreszeitenverschiebung?

Das Bild zeigt die Wahrscheinlichkeit für Temperaturen von unter -2 °C nach Beginn der Apfelblüte für die Zeiträume 1961-1990 (links), 1991-2020 (mittig) und die Veränderung zwischen den beiden Zeiträumen in %.
Das Bild zeigt die Wahrscheinlichkeit für Temperaturen von unter -2 °C nach Beginn der Apfelblüte für die Zeiträume 1961-1990 (links), 1991-2020 (mittig) und die Veränderung zwischen den beiden Zeiträumen in %.
(Foto: https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2023/4/15.html)

Ein wesentliches Problem an der Verschiebung der Jahreszeiten im phänologischen Kalender ist, dass das Risiko für Spätfröste deutlich zunimmt. Zwar sinkt durch den Klimawandel die Anzahl der Frosttage und auch die Anzahl der Tage mit späten Frösten im Frühjahr in Deutschland. Doch: Je früher die Blüte einsetzt, desto höher wird das Risiko, dass es während der Blüte dann doch mal frostig wird. Und das ist ein Problem, denn Spätfrost kann die Blüte schädigen und damit den Ertrag deutlich schmälern.

Die Abbildung zeigt die Wahrscheinlichkeit für Fröste von unter -2 °C nach Beginn der Apfelblüte in Deutschland für die Zeiträume 1961-1990 und 1991-2020. Es zeigt sich, dass solche Spätfröste nach der Apfelblüte früher sehr unwahrscheinlich waren. Im Gegensatz zu früher ist das Spätfrostrisiko deutlich gestiegen, sodass wir heute insbesondere im Südwesten alle sieben bis zehn Jahre mit schadensträchtigem Spätfrost rechnen müssen. Bei anderen Obstsorten, wie zum Beispiel Wein, zeigen sich ähnliche Entwicklungen.

Wie sich das Spätfrostrisiko in Zukunft entwickeln wird, ist ungewiss. Einerseits nimmt die Wahrscheinlichkeit für Spätfröste ab, gleichzeitig kann die Vegetation nicht unbegrenzt früher austreiben. Demnach ist offen, ob und wie stark das Spätfrostrisiko in Zukunft weiter zunehmen wird. Fest steht: Auf absehbare Zeit muss die Landwirtschaft mit einem gegenüber früher erhöhten Spätfrostrisiko leben.

Übrigens: Aufgrund des Klimawandels erleben wir auch immer mehr milde Winter. Diese werden sich kurz- und langfristig auf Flora und Fauna auswirken.

Verschobene Jahreszeiten bringen Ökosysteme durcheinander

Die sich verschiebenden Jahreszeiten bringen ganze Ökosysteme durcheinander.
Die sich verschiebenden Jahreszeiten bringen ganze Ökosysteme durcheinander.
(Foto: CC0 / Pixabay / cocoparisienne)

Neben dem erhöhten Spätfrostrisiko gerät auch das ökologische Gleichgewicht ins Wanken. Dabei handelt es sich um das eingespielte Verhältnis von Tieren und Pflanzen im Verlauf des Jahres, was auch im phänologischen Kalender widergespiegelt wird.

So beeinflussen die Veränderungen die Ökologie: 

  • Bäume und Pflanzen blühen so früh, sodass die Insekten, die sie bestäuben sollen, noch nicht geschlüpft sind. Das kann die Ernte langfristig schaden.
  • Zugvögel kommen aufgrund der milden Witterung früher aus dem Süden zurück. Dann finden sie aber nicht die richtige Nahrung, weil sie (noch) nicht verfügbar ist. Das wiederum kann ihre Population senken.
  • Durch die veränderten Blühzeiten wird das Leben von Heuschnupfen-Geplagten schwerer: Der Heuschnupfen dauert deutlich länger und sie haben früher als sonst mit den Pollen zu kämpfen.

Fazit: Das Ungleichgewicht durch die Verschiebung der Jahreszeiten im phänologischen Kalender wird sich somit langfristig auf die Biodiversität auswirken.

Mitwirken im phänologischen Kalender: Was du jetzt tun kannst

Kennst du dich mit Vegetation aus und hast Lust, ehrenamtlich aktiv zu werden? Der DWD sucht laufend nach ehrenamtlichen Beobachter:innen, die Daten für den phänologischen Kalender sammeln.

Ansonsten gilt es, dem Klimawandel mit all seinen Auswirkungen möglichst entgegenzuwirken. Dazu haben wir bereits viele Artikel, in denen du stöbern kannst, wie du selbst aktiv dem Klimawandel entgegentreten kannst:

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