Pauline und Ole träumen davon, nach Vietnam zu reisen – möchten dafür aber nicht ins Flugzeug steigen. Für Utopia schildern die beiden Reisenden, wie sie mit Trampen, Radfahren und Segeln um die Welt reisen und haben wertvolle Tipps für alle, die es in die Ferne zieht.
Seit acht Monaten sind Pauline und Ole auf Weltreise – ganz ohne Flugzeug. Die beiden erklären, warum sie sich bewusst gegen das Fliegen entschieden haben und berichten von ihren ungewöhnlichen alternativen Fortbewegungsmitteln. Zudem geben sie wichtige Tipps für Fernreisen, von der Planung bis zum Reisen per Anhalter:in.
Ohne Flugzeug von Norddeutschland bis China
Unsere Reiseroute hat es in sich: Wir sind von Norddeutschland aus über Zentralasien bis nach China getrampt, fahren aktuell mit dem Fahrrad durch Südostasien und planen, bald nach Indien zu segeln. Von dort aus geht es über Land und Wasser zurück in unsere norddeutsche Heimat.
Wir haben uns für unsere Weltreise bewusst gegen das Fliegen entschieden und fühlen uns sehr wohl mit unserer Reiseart. Dies hat vor allem zwei Gründe: Wir durften durch das Trampen viele besondere Augenblicke erleben: Wir teilten zum Beispiel den Alltag mit Truckern in der endlosen usbekischen Wüste und schliefen abwechselnd in LKW-Betten und zwischen Kamelherden im Zelt. Mit einem Obsthändler gelangten wir in entlegene georgische Dörfer, in denen wir zu Eiscreme und Schnaps eingeladen wurden. Wir zelteten zwischen kirgisischen Jurten und Wildpferden sowie an einer verlassenen sowjetischen Skistation auf knapp 4.000 m Höhe.
Wir wurden so oft von herzlichen Menschen eingeladen, dass wir uns fragen, wie wir die empfangene Gastfreundschaft je gebührend weitergeben können. Wir erhielten immer wieder Einblicke in die unterschiedlichsten Lebensrealitäten. Unser langsames Reisetempo und die Nähe zu den Einheimischen gaben uns das Gefühl, nicht einfach durchzureisen, sondern mitzureisen.
Wüstenbildung und Überschwemmungen: Klimakrise auf Weltreise deutlich sichtbar
Darüber hinaus sind wir durchs Trampen, Radfahren und Segeln deutlich klimafreundlicher unterwegs als mit dem Flugzeug. Als Mitfahrende in Autos, die die Strecke auch ohne uns zurücklegen würden, belasten wir die Umwelt nur minimal. Eine Flugreise dagegen belastet das Klima sehr stark.
Wir erfuhren von unseren Mitfahrgelegenheiten immer wieder, wie sehr ihre Heimatregionen bereits unter der Klimakrise leiden. Die extrem trockene Mongolei ist beispielsweise eines der Länder, deren Durchschnittstemperatur sich bisher am stärksten erhöht hat. Die usbekische Wüste breitet sich immer weiter aus und in Vietnam gab es bei unserer Ankunft massive, atypische Überschwemmungen.
Da viele Menschen in den bereisten Ländern von Land- oder Viehwirtschaft leben, sind sie besonders stark von klimatischen Veränderungen betroffen. Uns käme es falsch vor, diese Menschen zu besuchen und durch unsere Reiseart ihre Lebensgrundlagen weiter zu zerstören. Dasselbe gilt für die wunderschöne Natur, die wir sehen durften.
Wie wir zum Trampen kamen
Das erste Mal gemeinsam trampten wir 2017 einmal quer durch Niedersachsen. Unser Ziel: Ein Osnabrücker Kino, das die Tramp-Doku „weit“ zeigte. Die Geschichte der beiden Weltreisenden Gwen und Patrick ließ uns seitdem nicht mehr los. In den folgenden Sommern trampten wir quer durch Europa, bevor die Corona-Pandemie allen Reisen Einhalt gebot. Während des Lockdowns wuchs unser Fernweh und bald entwickelte sich Vietnam zu einem Sehnsuchtsziel.
Da Fliegen für uns nicht infrage kam, orientierten wir uns an Gwen und Patricks Reise. Wie die beiden beschlossen auch wir, per Anhalter:innen zu reisen. Wir genießen es, nah an den Menschen zu sein, uns auszutauschen und dadurch Orte und Kulturen kennenzulernen.
Auch der Abenteuerfaktor reizte uns: Man weiß nie, wem man als nächstes begegnet, wovon die Gespräche handeln werden, welche Kuriositäten man unterwegs erlebt. Uns war dabei jedoch immer wichtig, auf uns zu achten: Wenn wir uns krank oder zu erschöpft zum Trampen fühlten, setzten wir uns in einen Bus oder Zug.
Nachhaltige Weltreise: Mit dem Fahrrad durch Asien
Auf unserer Reise trafen wir nach und nach einige Bikepacker, die teils von Europa bis nach Australien radelten. Der Gedanke, sich emissionsfrei und nur mithilfe von Muskelkraft fortzubewegen, gefiel uns. Wir reisen gerne langsam, halten an Orten, die uns gefallen und interagieren mit den Menschen, die wir unterwegs treffen. Nach sieben Monaten Trampen hatten wir Lust auf eine Veränderung: In Vietnams Hauptstadt Hanoi kauften wir uns zwei gebrauchte Fahrräder und Zubehör.
Seit einigen Wochen reisen wir nun auf zwei Rädern durch Südostasien. Für lange Strecken nutzen wir teilweise auch das gut ausgebaute Bahnnetz. Ein besonderer Vorteil beim Radfahren: Auch in touristisch geprägten Ländern gelangen wir damit leicht an abgelegene Orte und erhalten Einblicke, die wir an den Hauptsehenswürdigkeiten verpassen würden.
Auf dem vietnamesischen Ho Chi Minh Highway fuhren wir zum Beispiel tagelang durch entlegene Dschungeldörfer. Dabei begleiteten uns oft Kinder auf ihren Fahrrädern durch die Orte. Wir sahen wilde Affen durch die Bäume springen und entdeckten unzählige Wasserfälle, die in kristallklare Flüsse stürzten.
Da Myanmars Landgrenzen derzeit geschlossen sind, wird unsere Fahrradreise dort enden. Wir planen, das Land zu umsegeln. Über die Website „Find a Crew“ haben wir ein Boot gefunden, das auf dem Weg nach Indien noch Besatzungsmitglieder zur Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben wie Kochen, Putzen und Nachtwache sucht. Zwischen diesen Aufgaben bleibt genug Zeit zum Schnorcheln, Schwimmen, Sonnen und Lesen. Wir freuen uns schon sehr darauf. Wie es für uns ab Indien weitergeht, sehen wir dann. Trampen werden wir auf dieser Reise aber auf jeden Fall noch einmal.
Wie viel Planung erfordert eine Weltreise ohne Flugzeug?
Zur Vorbereitung der Reise nahmen wir uns etwa ein Jahr Zeit. Neben unseren Vollzeitjobs war das ein guter zeitlicher Rahmen. Da wir jeweils nur ein WG-Zimmer bewohnten, konnten wir nebenbei genug Geld für die Reise beiseitelegen.
Wir kündigten unsere Jobs, WG-Zimmer und Mitgliedschaften, beantragten Pässe, Zweitpässe und internationale Führerscheine, ließen uns impfen, schlossen eine Reisekrankenversicherung ab und feierten Abschiede. Einzig das chinesische Visum mussten wir schon in Deutschland beantragen (diese Regelung hat sich mittlerweile geändert). Alle anderen Visa konnten und können wir flexibel unterwegs organisieren.
Da wir in den ersten Monaten vor allem trampten und zelteten, fielen viele Organisationsschritte weg. Wir mussten uns weder um Transport noch um Unterkünfte kümmern, sondern konnten ganz spontan reisen. Fürs Trampen bereiteten wir lediglich ein Pappschild vor, auf das wir spaßeshalber schon in Niedersachsen „Vietnam“ schrieben.
Unsere Routenplanung orientierte sich vor allem an Einreisebedingungen und Jahreszeiten. Den Sommer verbrachten wir in Zentralasien, während der Winter optimal für die meisten Orte in Südasien ist. Den Winter bei bis zu -40 Grad im Zelt in der Mongolei zu verbringen, wollten wir lieber nicht ausprobieren.
Die Einreisebedingungen in einige Länder erforderten leider Flexibilität. Wir planen immer noch regelmäßig um, wenn sich politische Lagen oder Visaregularien ändern. Immer wieder sind wir überrascht, dass Trampen und Wildcampen auf unserer Reise keine Schwierigkeiten bereiteten – vor die größten Herausforderungen stellte uns bisher jedes Mal die Bürokratie.
Tipps zur Planung einer Weltreise
Wenn man ein so großes Projekt plant, können die Vorbereitungsschritte erst einmal überwältigend erscheinen. Es gibt jedoch online viele Checklisten, Hilfestellungen und Foren, die die Planung einer langen Reise ohne Flugzeug immens erleichtern. Eine Auswahl hilfreicher Links findest du am Ende dieses Beitrags. Zusätzlich können dir folgende Tipps helfen.
1. Keine Angst vor langen To-Do-Listen
Lass dich nicht von langen To-Do-Listen abschrecken. Natürlich müssen ein paar grundsätzliche Dinge vor einer monatelangen Reise erledigt werden, doch das meiste lässt sich bei Bedarf auch noch unterwegs organisieren. Für uns hat sich gezeigt:
- Du brauchst nicht das perfekte Equipment.
- Du musst keine optimale Route ausarbeiten, sondern kannst vor Ort schauen, worauf du Lust hast.
- Du musst kein:e Mediziner:in werden, denn dein:e Ärzt:in wird dir sagen, welche Impfungen du brauchst.
- Reisen kann sehr einfach sein. Trau dich einfach, fang klein an, wenn du dich damit wohler fühlst – und leg los.
2. Reiseziel und Infrastruktur vor Augen haben
Wenn du nur wenig Zeit für eine Fernreise ohne Flugzeug hast, solltest du dir vor allem über die Erreichbarkeit des Reiseziels Gedanken machen. Bis nach Georgien und Armenien gelangst du sehr unkompliziert, auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Um weiter gen Osten zu reisen, benötigst du derzeit ein Visum für Russland (wofür du im Voraus Verkehrsmittel mit einer russischen Bankkarte buchen musst) oder für den Iran (über eine Agentur unkompliziert und günstig, nur wurden unsere Anträge leider abgelehnt).
Nach Amerika gelangt man unter Umständen einfacher, da für die Atlantiküberquerung relativ viele Mitfahrgelegenheiten angeboten werden. Ansonsten bieten sich auch etwas teurere Reisen per Containerschiff (zum Beispiel nach Südafrika oder Kolumbien) an. Spontanes Anheuern auf Containerschiffen ist nach allem, was wir gehört haben, mittlerweile leider so gut wie unmöglich.
Viele Websites listen detaillierte Zug-, Bus- und Fährverbindungen zu entfernten Reisezielen wie Island oder Marokko. Wer nicht genug Zeit für eine richtige Fernreise hat, findet auch in Europa unglaublich schöne, vielseitige Natur und Kultur, bis sich eine Gelegenheit für weiter entfernte Ziele bietet.
3. Mit Gleichgesinnten austauschen
Für uns war der Austausch mit anderen Reisenden sehr hilfreich. Vor allem auf Instagram suchten wir gezielt nach Hashtags wie #ohneflugzeug, #notflying und #hitchhikers, um Gleichgesinnte zu finden. Als wachsende Gemeinschaft konnten wir uns gegenseitig mit Tipps zu bürokratischen Hindernissen, Reiserouten oder funktionierenden VPNs unterstützen. Außerdem tut es uns sehr gut, zu wissen, dass wir nicht alleine klimabewusst reisen, sondern Teil einer größeren Gemeinschaft sind.
Fazit: Entschleunigtes Reisen macht glücklich(er)
Wir persönlich sind sehr glücklich und dankbar, uns auf dieses Abenteuer eingelassen zu haben. Die vergangenen acht Monate waren reich an außergewöhnlichen Erlebnissen und positiven Erfahrungen. Das langsame, bewusste Reisen hat unseren Horizont enorm erweitert.
Lesetipp: Digital Nomad: Wie ich zwei Jahre mit dem Rucksack unterwegs war
Auswahl hilfreicher Webseiten und Tools
Planung:
- Auswärtiges Amt – Länderinfos: Informationen zu Einreisebedingungen, Sicherheit und Krankheiten
- Notion: individuell erstellbares Planungstool, mit dem wir große Teile unserer Reise geplant haben
Transport:
- Hitchwiki: Informationen zum Reisen per Anhalter in verschiedenen Ländern
- Rome2Rio: stellt Transportwege auch für längere Strecken zusammen
- Find a crew: Mitfahrgelegenheiten für Boote
Unterkünfte:
- Booking.com, Hostelworld und Airbnb: bekannteste Buchungsplattformen für Unterkünfte
- Couchsurfing: Website für kostenlose Übernachtungen bei Einheimischen, die sich über den Austausch mit dir freuen
- Workaway und Wwoofing: zur Suche von Stellen für Kurz- oder Langzeit-Freiwilligenarbeit; Kost und Logis werden häufig gestellt
Unterwegs:
- Google Übersetzer: Offline-Übersetzer mit Sprachausgabe wenn online
- CyberGhost: VPN-Programm, um etwa deine Streamingkonten auch im Ausland nutzen zu können
- Maps.me: kostenfreie offline-Navigation
- Facebook-Gruppen: gibt es zu fast allen Themen
Zu den Autor:innen: Pauline und Ole sind seit April 2023 auf Weltreise. Sie bloggen darüber auf fernostpost.wordpress.com und berichten auf ihrem Instagram-Account @tentasians.
Auch die Utopia-Redakteur:innen probieren Alternativen zum Flugzeug aus, lies darüber in ihren Erfahrungsberichten:
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