Nüsse gelten als gesunde Energielieferanten. Doch Anbau, Ernte, Verarbeitung und Transport gehen häufig zulasten von Mensch und Umwelt. Wir zeigen, wo die Probleme liegen – und worauf du achten kannst.
Ab Herbst haben heimische Haselnüsse und Walnüsse Saison. Ernährungsphysiologisch genießen Nüsse einen sehr guten Ruf: Gut für Herz und Kreislauf, reich an ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxidantien. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt 25 Gramm – also rund eine Handvoll – Nüsse am Tag als Orientierungswert für Erwachsene.
In diesem Artikel erfahrt ihr, welche Nüsse in eurer „Handvoll pro Tag“ landen sollten, bei welchen Nüssen aus ökologischen und sozialen Gründen Vorsicht geboten ist und ob Bio-Nüsse immer sinnvoller sind.
Nüsse: die Krux mit der Herkunftskennzeichnung
Üblicherweise könnt ihr die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln in einem ersten Schritt anhand ihrer Ursprungskennzeichnung einschätzen. So kann sich etwa jede:r mit ein wenig gesundem Menschenverstand zusammenreimen, dass in Deutschland verkaufte Erdbeeren aus Übersee im Dezember in Sachen Ökobilanz nicht allzu gut abschneiden. Und es ist nicht allzu überraschend, dass bei Anbau und Ernte besonders billiger exotischer Früchte aus dem globalen Süden womöglich Menschenrechte verletzt wurden.
Bei Nüssen ist leider oft nicht erkennbar, woher diese stammen, denn das deutsche Lebensmittelrecht verlangt, dass nur bei ungeschälten Mandeln, Hasel- und Walnüssen das Ursprungsland auf der Verpackung deklariert werden muss. Daher: Wenn ihr auf der Verpackung keinerlei Informationen darüber finden könnt, wo die Nüsse herkommen, kann es sein, dass ihr mit eurem Kauf unnachhaltige und ausbeuterische Anbau- und Verarbeitungsstrukturen unterstützt. Bei Bio-Nüssen erkennt ihr immerhin am Ländercode unter dem Bio-Siegel, wo die Nüsse herkommen bzw. ob sie aus der EU stammen oder nicht.
Bio-Nüsse sind besser als konventionelle Nüsse
Beim Anbau von Bio-Nüssen ist die Verwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutz- und Düngemittel nicht erlaubt, was die Arbeitssicherheit verbessert und die Umwelt schont. Bei der Verarbeitung gibt es zwischen Bio- und konventionellen Nüssen weitere wichtige Unterschiede: Da Nüsse sehr anfällig für Schädlinge wie Käfer oder Motten sind, werden sie üblicherweise vor der Lagerung „entwest“. Bei Bio-Nüssen geschieht dies mithilfe von Druck und Kohlendioxid, bei konventionellen Nüssen darf hingegen Methylbromid verwendet werden, welches nicht nur hochgradig giftig ist, sondern auch die Ozonschicht schädigt. Außerdem dürfen Hersteller Bio-Nüsse im Gegensatz zu konventionellen nicht mit Schwefel bleichen, um eine gleichmäßige Färbung zu erhalten.
Doch bio und konventionell ist nicht die einzige Unterscheidung, die du beim Kauf von Nüssen treffen solltest. Je nach Sorte sind Nüsse umweltschonender oder nicht.
Mandeln: beliebte Nuss mit enormem Wasserverbrauch
Ob als Marzipan, Mandelmus, Mandelmilch oder Snack für Zwischendurch: Nur Erdnüsse sind beliebter als Mandeln. Für das Erntejahr 2023/24 wird eine weltweite Mandelernte von rund 1,6 Millionen Tonnen Mandeln erwartet, vorrangig in den USA geerntet. Dabei verbraucht der Mandelanbau extrem viel Wasser: Bis zu 15.000 Liter werden für ein Kilo benötigt.
Besonders in Kalifornien, woher 80 Prozent der Mandeln weltweit stammen, verschärft der Anbau die bereits kritische Wasserknappheit zusätzlich. Außerdem werden auf den in Monokulturen angelegten Plantagen große Mengen Düngemittel und Pestizide ausgebracht. Gleiches gilt für Spanien, dem zweitwichtigsten Mandelproduzenten nach den USA. Zwar sorgen einige Bio-Betriebe durch die Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit für eine bessere Wasserspeicherfähigkeit der Böden, dennoch wird auch im Bio-Sektor bewässert.
In den USA kommt hinzu, dass Bienenvölker zur Bestäubung der Mandelplantagen quer durchs Land transportiert werden – und viele davon das dem Guardian zufolge nicht überleben. Unterm Strich fällt die unbequeme Empfehlung zum Thema Mandeln daher leider wie folgt aus: lieber verzichten – oder zumindest den Konsum sehr stark reduzieren.
Gleiches gilt aus denselben Gründen (Wasserknappheit, Pestizide und Dünger) auch für Pistazien, da die USA etwa 75 Prozent der weltweiten Menge herstellt.
Cashews: absurde Transportwege und giftige Schalenöle
Cashewbäume sind deutlich pflegeleichter als Mandeln: Da sie auch auf nährstoffarmen, degradierten Böden wachsen, eher anspruchslos sind und ein sehr ausgeprägtes Wurzelwerk bilden, brauchen sie deutlich weniger Wasser und können einen wichtigen Beitrag zum Erosionsschutz leisten. Ursprünglich aus Brasilien stammend werden Cashews heute vor allem in Afrika und Asien angebaut.
Allerdings nehmen fast alle afrikanischen Cashews einen geradezu absurden Umweg, bis sie in unseren Geschäften landen. Denn ihre Verarbeitung – Rösten, Dämpfen, Knacken, Sortieren und Häuten – findet fast ausschließlich in Indien und Vietnam statt, was ihre Klimabilanz deutlich verschlechtert. Bei der Verarbeitung ist der Schutz der Arbeiter:innen besonders wichtig, da Cashewschalen ein giftiges Öl enthalten, welches schwere Verätzungen hervorrufen kann.
Achtet daher beim Cashew-Kauf mindestens auf eine Fair-Trade-Zertifizierung, die Gesundheitsschutzmaßnahmen bei der Cashew-Produktion vorschreibt. Empfehlenswert sind etwa die Cashews von Rapunzel – die Firma informiert auf ihrer Webseite umfassend über die jahrelange Zusammenarbeit mit ihrem indischen „Hand in Hand“-Partner.
Erdnüsse: abgesehen von langen Transportwegen meist keine schlechte Wahl
Über die Hälfte aller jährlich weltweit angebauten knapp 50 Millionen Tonnen Erdnüsse stammt aus China (40 Prozent) und Indien (15 Prozent). Streng genommen handelt es sich bei dem beliebten Snack allerdings nicht um Nüsse, sondern um Hülsenfrüchte bzw. Leguminosen, die – genau wie Erbsen oder Bohnen – in der Lage sind, Stickstoff aus der Luft im Boden zu fixieren und damit die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn auf den Feldern zuvor stickstoffbedürftige Pflanzen wie Baumwolle oder Mais angebaut wurden und Erdnüsse im Rahmen einer Fruchtfolge eingesetzt werden.
Sofern sie, wie im Bio-Anbau vorgeschrieben, nicht zusätzlich mit chemischen Pflanzenschutzmitteln behandelt werden, sind Erdnüsse, die außerdem nur wenig Wasser benötigen, ökologisch gesehen keine schlechte Wahl. Je nach Ursprungsland solltest du jedoch zu fair gehandelter Ware greifen.
Schattenseiten von Nüssen: Wildsammlung von Paranüssen ist harte Arbeit
Paranussbäume wachsen wild in den Regenwäldern Brasiliens, Boliviens, der Elfenbeinküste und Perus. Sie werden nicht kultiviert, sodass bei ihrem Anbau weder Pestizide noch Düngemittel zum Einsatz kommen. Während sich die Wildsammlung positiv auf die Umweltbilanz der Nüsse auswirkt, ist sie umso beschwerlicher für diejenigen, die sich mit der Machete durch den dichten Dschungel kämpfen, um die Nüsse, von denen sich jeweils zwölf bis 24 Stück in Kokosnuss-ähnlichen Schalen verbergen, zu sammeln. Der Kauf von Paranüssen sollte dir daher eine Fair-Trade-Prämie wert sein – wie etwa bei den Paranüssen von Fairfood.
Vorsicht bei türkischen Haselnüssen
Über 70 Prozent der Haselnüsse weltweit werden in der Türkei angebaut. In Europa ist nur Italien mit neun Prozent der weltweiten Menge ein nennenswertes Anbauland für die beliebten Nüsse. Haselnüsse benötigen vergleichsweise wenig Wasser und sind unkompliziert im Anbau. Aber: Die türkischen Haselnüsse stammen von über 400.000 familienbetriebenen Haselnussplantagen entlang der Schwarzmeerküste, wo bei der in Handarbeit erfolgenden Ernte nach wie vor unterbezahlte Saisonarbeiter:innen unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen schuften, darunter auch viele Kinder.
In Italien erfolgt die Ernte zwar maschinell, doch dafür haben die meist düngungs-intensiven Monokulturen vielerorts einst biodiverse Kulturlandschaft verdrängt. Bei italienischen Haselnüssen ist daher das Bio-Siegel besonders wichtig, bei Haselnüssen aus der Türkei solltet ihr fair gehandelte Produkte, zum Beispiel von der Firma Gepa, bevorzugen.
Übrigens: Haselnüsse wachsen auch bei uns in Deutschland. Wenn du niemanden mit einem Haselnussstrauch im Garten kennst, hilft dir die Seite mundraub.org weiter. Sie markiert Orte, an denen du Haselnüsse und andere Früchte kostenfrei ernten darfst.
Lieber europäische Walnüsse als Pekannüsse aus Übersee
Walnüsse belegen bei den weltweiten Produktionsmengen nach Mandeln und Erdnüssen den dritten Platz. Die auch bei uns immer beliebteren Pekannüsse gehören zur gleichen Familie, stammen jedoch fast ausschließlich aus den USA oder Mexiko, von wo aus sie weite Transportwege bis nach Deutschland zurücklegen.
Die geschmacklich etwas herberen Walnüsse hingegen werden zwar ebenfalls in großem Stil in den USA sowie in China angebaut, wachsen jedoch auch bei uns in Deutschland und in unseren Nachbarländern, vor allem in Frankreich. Europäische Walnüsse sind folglich in jedem Fall die bessere Wahl.
Fazit: Lieber regionale Bio-Nüsse essen
- Wie bei allen Lebensmitteln solltest du auch bei Nüssen möglichst auf Regionalität und Bio-Qualität achten. Im Bio-Anbau wird nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch bei der Verarbeitung auf den Einsatz giftiger Chemikalien verzichtet. Was saisonal und regional verfügbar ist, kannst du auch im Utopia-Saisonkalender nachlesen.
- Haselnüsse und Walnüsse wachsen auch bei uns in Deutschland, wenn auch die europäischen Mengen auf dem Weltmarkt keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Erkundige dich doch mal bei Familie und Bekannten. Oder schau auf Webseiten wie mundraub.org, ob und wo in deiner Nähe Nüsse wachsen, die womöglich sonst niemand erntet.
- Wenn du nicht auf exotischere Nüsse verzichten möchtest, achte – sofern erkennbar – auf die Produktherkunft sowie Bio- und Fair-Trade-Siegel . Investiere insbesondere bei Nüssen aus Schwellen- und Entwicklungsländern etwas mehr für faire Anbau- und Handelsbedingungen.
- Mandeln solltest du aufgrund ihres sehr hohen Wasserbedarfs weitgehend von deinem Speiseplan streichen. Cashews solltest du nur von Firmen kaufen, die den Schutz der Arbeiter:innen in der Verarbeitung gewährleisten.
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