Vor zehn Jahren gründeten Martin Höfeler und Anton Jurina das Modelabel Armedangels. Die Vision: keine Lohnsklaverei, kein Chemiewahnsinn, keine billige Massenware. Die beiden Kölner wollten Mode machen, die fair, bio und schön ist. Wir haben mit Höfeler über faire Arbeitsbedingungen, existenzsichernde Löhne und die neue Sommerkollektion gesprochen.
Herr Höfeler, in den letzten zehn Jahren hat sich Armedangels von einer T-Shirt-Company hin zu einer Allround-Modemarke gewandelt. Wie ist dieser Wandel gelungen?
Martin Höfeler: Mit knallharter Arbeit, Durchhaltevermögen und einem tollen Team, das von der Sache überzeugt ist. Ich glaube, dass es einen wichtigen Unterschied macht, ob man für Geld arbeitet oder für seine Überzeugung. Dann natürlich mit guten, qualitativ-hochwertigen Produkten und dem wachsenden Bewusstsein der Menschen in Sachen nachhaltigem Konsum.
„In einem T-Shirt steckt viel Arbeit“
Fast Fashion mit bis zu 12 Kollektionen im Jahr verleitet zum Dauerkonsum. Wie kommen mehr Menschen weg davon, hin zu qualitativ besserer Slow Fashion?
Martin Höfeler: Indem sie bewusster konsumieren und darüber nachdenken, was sie kaufen. Hier ist in den letzten Jahren viel passiert. Die Menschen sind grundsätzlich aufgeklärter, was das Thema nachhaltige Mode betrifft. Sie beschäftigen sich mehr damit, was sie anziehen, wie es produziert wurde.
Doch auch wenn die Menschen sich immer mehr Gedanken über die Herstellung ihrer Kleidung machen – wir kaufen in erster Linie, was uns gefällt. Fair enough. Niemand will ein hässliches T-Shirt tragen, egal, wie nachhaltig es ist. Unsere Aufgabe als Brand ist es, den Menschen zu beweisen, dass gutes Produktdesign und Nachhaltigkeit sich nicht ausschließen.
Wir hören oft, 30 Euro wären zu viel für ein Shirt…
Martin Höfeler: Absolut nicht! Genau da liegt ja das Problem von Fast Fashion: Sie führt zu schnellerem Konsum von billiger Massenware. Doch Qualität und Nachhaltigkeit haben ihren Preis. Viele Menschen wissen heute gar nicht mehr, wie viel Arbeit in einem T-Shirt steckt, durch wie viele Hände es läuft, wie viele Verarbeitungsschritte es braucht und wie viel Ressourcen notwendig sind. Mode muss wieder mehr wertgeschätzt werden. Unsere Aufgabe ist es, hohe Qualität und langlebige Produkte zu liefern. Und wir müssen noch transparenter werden in dem, was wir tun. Dann wird auch der Preis verständlich.
Martin Höfeler: „Wir sind nicht perfekt“
Im ersten Brand Performance Check der Fair Wear Foundation (FWF) schneidet Armedangels mit „good“ ab. Dennoch gab es den Fall, dass nicht alle Arbeiter eines Zulieferbetriebes den Mindestlohn bekamen. Wie gehen Sie mit diesem Vorfall um?
Martin Höfeler: Das ist ein grundsätzliches Problem der Textilindustrie. Im Fall von unserem Lieferanten war es aber nur ein Bereich von vielen, der verbessert werden musste. Wir sind nicht perfekt und noch lange nicht am Ende angekommen, aber wir freuen uns, dass wir nach einem Jahr intensiver Zusammenarbeit an Sozialstandards bereits viele Verbesserungen für die Mitarbeiter im Betrieb erzielen konnten.
So werden die neuen Mindestlöhne von Januar 2017 nun für alle Mitarbeiter gezahlt – pünktlich am Anfang des Monats. Die Fabrik hat nun frei gewählte Arbeitnehmervertretungen, die u.a. aktiv an dem internen Beschwerdemanagement beteiligt sind. Intensive Trainings für Mitarbeiter und Management zu Sozialstandards und Health & Safety haben stattgefunden. Überstunden konnten allgemein deutlich reduziert werden, sind nun gesetzlich korrekt berechnet und mit einer Prämie pünktlich bezahlt – das neue elektronische Zeiterfassungssystem hilft dabei. Auch im Bereich Arbeitssicherheit und Hygiene wurde viel verbessert.
Unser Ziel ist es, faire Arbeitsbedingungen bei allen Betrieben, mit denen wir zusammenarbeiten zu implementieren und langfristig zu sichern. Wir wollen, dass es den Menschen überall besser geht. Dafür tun wir alles und arbeiten hart, uns gemeinsam mit unseren Lieferanten und Partnern immer weiter zu entwickeln. So können wir Schritt für Schritt Verbesserungen bewirken und den Betrieben Tools an die Hand geben, die die Prozesse verbessern.
Existenzsichernde Löhne: „eine komplexe Sache“
Für 2016, so der FWF-Bericht, wollte sich Armedangels dem Thema existenzsichernde Löhne zuwenden. Was ist diesbezüglich im letzten Jahr geschehen?
Martin Höfeler: Das Thema existenzsichernde Löhne (Living Wage) liegt uns enorm am Herzen, ist gleichzeitig aber auch eine enorm komplexe Sache – nicht nur für Brands, sondern auch für die Fabriken selbst. So ist zum Beispiel unklar, wie hoch der „Living Wage“ eigentlich sein sollte, da es keine einheitliche Berechnungsmethode gibt. Auch fehlende Tarifverhandlungen und Kollektivverträge sowie die mangelnde Zusammenarbeit zwischen Brands, die in der gleichen Fabrik sourcen und Bedenken haben, dass Kartellrecht zu verletzen, machen das Thema kompliziert.
Viele Betriebe wollen und können aufgrund ihrer Auslastung gar nicht mehr zahlen. Hier besteht unsere Aufgabe darin, Lösungen zu finden, die die Zahlung existenzsichernder Löhne ermöglicht, ohne dass die Produzenten darunter leiden. Letztes Jahr haben wir hier bereits die Vorarbeit für ein Living-Wage-Projekt geleistet. Die ersten Berechnungen für drei Beispielprodukte haben bereits stattgefunden, es gab erste Recherchen und erste Gespräche mit verschiedenen Lieferanten.
Außerdem sind wir dem FWF Living Wage Incubator beigetreten. Der Incubator ist ein Projekt der Fair Wear Foundation, an dem sich insgesamt 16 Mitgliedsunternehmen beteiligen mit dem Ziel, Lösungen für das Thema Living Wages zu finden. Noch dieses Jahr startet deswegen auch bei uns ein Pilotprojekt und wir versuchen Lösungen zu finden, die wir dann auf alle Betriebe ausweiten können.
Armedangels will das fairste Modelabel der Welt werden
Sie produzieren in China, Portugal und der Türkei. Warum nicht auch in Deutschland?
Martin Höfeler: Die Textilindustrie zählt zu den wichtigsten der Welt und wird meiner Meinung nach in anderen Ländern mehr gebraucht als in Deutschland. Angefangen haben wir mit der Produktion in Portugal, weil das aufgrund der räumlichen Nähe einfach zu kontrollieren ist.
Haben Sie keine Bedenken, Produkte für ein faires Label in Ländern wie China und der Türkei zu fertigen, in denen Bürgerrechte nicht hoch im Kurs stehen?
Martin Höfeler: Selbstverständlich ist uns bewusst, dass China und die Türkei derzeit sehr umstritten sind. Die eigentliche Idee war aber immer, mit der Produktion dort hinzugehen, wo die Bedingungen für Umwelt und Mitarbeiter nicht optimal sind, um genau dort etwas zu bewegen, wo es nötig ist. Je größer wir als Marke werden, desto weiter versuchen wir uns voran zu tasten. Je größer die Mengen, die man produziert, desto größer ist nämlich auch der Einfluss, den man als Unternehmen auf Arbeits- und Umweltbedingungen ausüben kann.
Welche Schritte sind zu machen, um noch fairer zu werden?
Martin Höfeler: Unser Ziel ist es, das fairste Modelabel der Welt zu werden. Vielleicht sind wir es sogar auch schon. Trotzdem gibt es noch eine ganze Menge zu tun. Das ist uns klar; und je größer wir werden, desto mehr Herausforderungen erwarten uns auch. Das ist zwar anstrengend, aber gleichzeitig spornt es uns an. Denn daran wachsen wir.
In den nächsten fünf Jahren wollen wir den Fair-Fashion-Markt in Europa erobern und in zehn Jahren wollen wir in allen relevanten Märkten der Welt vertreten sein, Eco & Fair als Fashion Standard in der Modewelt etabliert und möglichst viele Menschen mit unserer Message zum Umdenken in ihrem Kaufverhalten bewegt haben. Ein bisschen was haben wir also noch vor uns, aber es hat ja auch niemand gesagt, dass es einfach ist, die Welt zu verändern.
Welche modischen Highlights gibt es im Sommer 2017 bei Armedangels?
Martin Höfeler: Key-Looks unserer aktuellen Sommerkollektion sind Matching Shirts und Hosen sowie lässige Shorts mit Midi-Tops im Streifenprint oder ein Knitted Collar Shirt. Außerdem haben wir mit der Kollektion unser Denim-Sortiment für Männer und Frauen weiter ausgebaut. Neben den Klassikern Straight und Skinny Jeans gibt es jetzt in der Women’s Kollektion neue Schnitte wie die Girlfriend, High Waist, Cropped und Wide Legs Denims. Alle wie gewohnt aus Bio-Baumwolle, vegan und GOTS-zertifiziert.
Herr Höfeler, wir danken Ihnen für das Interview.
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