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Artenrettung auf dem Archehof: Schutz für seltene Kühe, Schweine und Co.

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Foto: Utopia/ Katharina Schmidt

Die schönste Kuh Bayerns war lange vom Aussterben bedroht, heute ist sie wieder verbreitet und gefragt. Ihr Überleben verdankt sie Archehöfen, wie dem von Georg Schlickenrieder. Der Landwirt verrät, welche Tierarten er sonst noch vorm Aussterben bewahrt hat und wie sie auf seinem Hof leben.

2010 gab es über 80 Archehöfe in Deutschland, auf denen seltene Haustierrassen gehalten und gezüchtet werden. Die Bauern halten die Tiere als Nutztiere und verkaufen ihre Erzeugnisse – so sollen die alten Rassen dauerhaft in die Landwirtschaft integriert werden.

Georg Schlickenrieder führt im Münchner Umland einen Archehof, der gleichzeitig von Naturland als Bio-Bauernhof zertifiziert ist. Er war einer der ersten Höfe, die an dem Projekt der Gesellschaft zu Erhaltung gefährdeter Haustierrassen (GEH) teilnahmen. Inzwischen hält er viele vom Aussterben bedrohte Kühe-, Rinder- und Schweinerassen. Wir haben mit dem Landwirt gesprochen:

Utopia: Ihr Hof ist zertifizierter Bio-Landwirtschaftsbetrieb und  Archehof – was bedeutet das eigentlich?

Georg Schlickenrieder: Um die Bezeichnung „Archehof“ führen zu dürfen, muss ein Bauernhof mindestens drei vom Aussterben bedrohte Haustierrassen halten und züchten. Die meisten Exemplare sollten reinrassig sein, damit die Rasse weiter gezüchtet werden kann. Sie müssen ihre Abstammung im sogenannten Herdbuch nachweisen können.

Welche Nutztier-Arten sind denn vom Aussterben bedroht?

Auf unserem Hof züchten wir beispielsweise braune und schwarze Bergschafe, bunte Bentheimer-Schweine und verschiedene seltene Hühnerrassen. Aber auch Murnau-Werdenfelser-Rinder, die vor wenigen Jahren kurz vorm Aussterben standen, leben auf unserem Hof.

Wie kommt es dazu, dass so ein Rind ausstirbt?

Murnau-Werdenfelser sind eine sehr alte Haustierrasse, die ursprünglich in der Region zwischen München und Murnau gehalten wurden. Vor circa 180 Jahren wurde allerdings eine andere Kuhrasse – das Simmentaler Vieh aus der Schweiz – in den meisten Regionen von Deutschland eingeführt, weil sie höhere Fleisch- und Milcherträge lieferte. Durch Einkreuzung starb die regionale Rasse fast aus.

Archehof: Hier lebt die schönste Kuh Bayerns

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Georg Schlickenrieders Kuh Regina wurde 2014 zur schönsten Kuh Bayerns gekürt. (Foto: Utopia/ Katharina Schmidt)

Und haben Sie die Rinderart nun vom Aussterben gerettet?

Als wir damals mit der Zucht begannen, gab es weltweit nur circa 50 anerkannte Zuchtkühe – inzwischen gibst es wieder knapp 1200 Tiere. In den letzten 15 Jahren erlebte die Rasse einen regelrechten „Boom“. Ihr Fleisch ist nämlich besonders feinfaserig und deshalb sehr beliebt.

Außerdem zeichnen sich die Rinder durch eine Zeichnung um die Augen aus, die aussieht wie Kayal – das hat einer unserer Kühe 2014 den Titel „schönste Kuh Bayerns“ eingebracht.

Inzwischen ist das Murnau-Werdenfelser-Rind auch in anderen Regionen Deutschlands beheimatet; wir halten 60 Exemplare auf unserem Hof.

Die Rinder sind doch so selten – warum werden sie trotzdem geschlachtet?

Für Bauern wäre es unmöglich, alte Rassen zu züchten, ohne ihr Fleisch verkaufen zu können – dann stirbt sie nämlich aus. So erging es auch dem Bayrischen Landschwein: Sein Fleisch war in der Nachkriegszeit sehr gefragt – danach aber nicht mehr, weil es zu fett war. Heute gibt es die Art nicht mehr.

Bei uns wird aber das ganze Tier verwertet: Bevor wir ein Tier schlachten, starten wir einen E-Mail-Verteiler, und verkaufen so jedes Stück im Vorhinein.

Bei Archehöfen geht es auch um Tierschutz

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Auf einem Archehof haben die Tiere genug Auslauf und werden mit frischem Futter versorgt. (Foto: Utopia.de)

Was unterscheidet Archehöfe noch von konventionellen Bauernhöfen?

Für Arche-Höfe gelten strenge Richtlinien, die dafür sorgen sollen, dass die Tiere artgerecht gehalten werden: Sie müssen zum Beispiel eine Auslauf-Möglichkeit und einen bequemen Liegebereich haben und dürfen nur in Gruppen gehalten werden.

In der konventionellen Landwirtschaft werden Tiere oft in Käfigen oder angebunden gehalten – bei uns gibt es das nicht. Außerdem sollen Archehof-Bauern das Futter für die Tiere selbst herstellen und dafür sorgen, dass sie mit allen nötigen Nährstoffen versorgt werden.

Wir verfüttern zum Beispiel nur Heu und Kops von unseren eigenen Wiesen – so wissen wir, dass das Futter nicht mit Pestiziden behandelt wurde oder von genmanipulierten Pflanzen stammt.

Ich sehe, Ihre Kühe stehen im Freien – ist das immer so?

Unsere Tiere haben einen Offenfront-Lauftstall mit Weidegang. Das heißt, sie können selbst entscheiden, ob sie auf die Weide oder lieber drinnen bleiben möchten – zu jeder Tageszeit.

Früher hat man geschlossene Ställe gebaut, damit die Tiere im Winter im Warmen sind. Doch Kühe haben ein anderes Wärmeempfinden als Menschen: Für sie sind Minus-Temperaturen im Winter angenehm, im Sommer bleiben sie bei + 30 Grad lieber drinnen im Schatten. Wenn es regnet und windet trotten sie dann auf die Weide – dann herrscht echtes Kuhwetter.

Außerdem stellen sich unsere Kühe auf Temperaturänderungen ein: Ihr Fell wächst länger – bei Kühen in traditionellen Ställen geschieht das nicht.

Auch das Braune Bergschaf ist vom Aussterben bedroht

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Auch die braunen Bergschafe sind vom Aussterben bedroht. (Foto: Archehof Schlickenrieder)

Warum halten Sie keine normalen Kühe?

Von meinem Vater übernahm ich ursprünglich einen ganz normalen Milchbetrieb mit 20 Fleckviehkühen. Diesen führte ich ein halbes Jahr weiter, bis ich das Milchkontingent für mein Jahr erfüllt hatte. Danach habe ich all meine Milchkühe verkauft.

Wieso?

Ich wollte einmal länger in den Urlaub fahren – als Landwirt hatte ich dazu nie die Möglichkeit. Der Verkauf machte es mir im Nachhinein erst möglich, meinen Hof auf Bio umzustellen. Ich wollte nach der Milchkuh-Zucht etwas Neues ausprobieren und informierte mich über die Schafzucht.

Dabei bin ich auf das damals schon stark vom Aussterben bedrohte Braune Bergschaf gestoßen. Früher waren die Tiere in Bayern sehr verbreitet – heute gibt es sie fast nicht mehr. Darum beschloss ich, es in die Gegend zurückzuholen. Danach folgten weitere seltene Rassen, die hier in der Gegend beheimatet sind.

Wie können Menschen mehr über alte und vom Aussterben bedrohte Nutzertier-Rassen erfahren?

Wir versuchen mit Hofführungen so viele Menschen wie möglich auf das Problem aufmerksam zu machen. Denn zu einem Archehof gehört, dass die Besucher auch etwas über die von Aussterben bedrohten Rassen lernen.

Ein Beispiel: Pro Jahr kommen uns etwa 40 bis 50 Schulklassen besuchen, die wir über den Hof führen. Außerdem bieten wir für Interessierte bei unseren Veranstaltungen immer eine Hoftour an – dann erzählen ich und meine Mitarbeiter gerne mehr zu den seltenen Rassen. Jedes Jahr im Herbst finden bei uns am Hof außerdem die Öko-Erlebnistage statt, auf denen wir ebenfalls über von Aussterben bedrohte Hautierrassen informieren.

Vielen Dank für das Interview!

Arche-Höfe müssen ihre Tiere artgerecht halten

Allein in Deutschland sind mehr als 100 Nutztierrassen vom Aussterben bedroht. Deshalb hat die Gesellschaft zu Erhaltung gefährdeter Haustierrassen – kurz GEH – 1995 das Archehof-Projekt ins Leben gerufen: Der Verein zeichnet Bauernhöfe aus, die seltene Kuh-, Schwein-, Hühner- und andere Hautierrassen halten und züchten.

Archehofbauern unterscheiden sich in vielen Punkten von konventionellen Landwirten: Die Bauern lehnen es zum Beispiel ab, ihren Tieren Gen-Futter und übermäßig „energetisch hochkonzentrierte Leistungsfuttermittel“ zu füttern. Genfutter besteht aus Weizen, Mais und Soja, deren Erbgut künstlich verändert wurde – die Gen-Pflanzen werden oft stark mit Pestiziden behandelt und sind noch nicht ausreichend erforscht. Leistungsfutter besteht ebenfalls aus Getreide, Soja und Mais und soll die Milchproduktion anregen – in freier Natur würde eine Kuh diese Pflanzen allerdings nicht fressen, weil sie ihren Magen übersäuern können.

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