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„Nicht mehr zeitgemäß“: „Dark“-Star Lea van Acken über Fleischkonsum am Filmset

Lea van Acken
Foto: © Katja Feldmeier

Mit dem Netflix-Hit „Dark“ erreichte Lea van Acken ein weltweites Publikum. Bei der diesjährigen Berlinale ist sie als Jury-Mitglied tätig. Im Interview mit Utopia spricht die Schauspielerin über Nachhaltigkeit in der Filmbranche, trotzige Fleischesser:innen am Set und einen berührenden Netflix-Film.

Aufgrund der Klimakrise ist das Bewusstsein für den CO2-Ausstoß der Filmindustrie in den letzten Jahren gestiegen und auch die Berlinale setzt nun ein Zeichen für mehr Klimaschutz. Mithilfe des Sponsors Oatly wird das komplette Catering der Berlinale 2023 bei allen offiziellen Festival-Veranstaltungen milchfrei: angefangen bei der Kaffeebar über das vegetarische, milchfreie Dinner bis zum Eis auf Haferbasis. Ein Schritt, den auch Schauspielerin Lea van Acken unterstützt.

Die 23-Jährige, unter anderem bekannt durch die Netflix-Serie „Dark“ und ihre Titelrolle in „Das Tagebuch der Anne Frank“, gehört zu einer neuen Generation von Schauspieler:innen, die sich dafür einsetzen, die Filmbranche umweltfreundlicher zu gestalten. Seit 2019 ist sie Nachhaltigkeitsbotschafterin des Deutschen Filmpreises und nutzt außerdem ihre Reichweite bei Instagram, um auf Umwelt- und Klimaschutz aufmerksam zu machen.

Bei der diesjährigen Berlinale wird Lea van Acken als Jurymitglied des Amnesty Filmpreises einen Film auszeichnen, der sich auf herausragende Weise mit einem menschenrechtlichen Thema auseinandersetzt. Vor dem Start des Filmfestivals hat sich Utopia mit der Schauspielerin zum Interview getroffen, um zu erfahren, welche nachhaltigen Entwicklungen es in ihrer Branche gibt – und an welchen Fronten es noch hakt.

Schauspielerin Lea van Acken im Interview

Utopia: Worauf legen Sie wert, wenn sie einen Film sehen? Darf es auch mal reine Unterhaltung sein oder sollten Filme immer auch einen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen?

Es darf auch reine Unterhaltung sein, auf jeden Fall. Wenn ich Filme oder Serien konsumiere, dann möchte ich manchmal einfach nur eine schöne romantische Komödie sehen. Obwohl sich die Diskussion in den letzten Jahren verändert hat. Wir reden im Filmbereich sehr viel über Klimaschutz, und zwar nicht nur darüber, wie wichtig es ist, den Dreh klimafreundlicher zu machen, sondern auch darüber, dass man die entsprechenden Themen in den Film mit reinbringt.

Zum Beispiel gibt es dann im Film keine Plastikbecher oder die Kinder fahren Fahrrad, anstatt vom Papa im SUV abgeholt zu werden. Das sind kleine Dinge, die zwar keine Riesenbotschaft darstellen, aber die man mit einstreuen kann. Ich mag Unterhaltung, aber es ist immer schön, wenn zumindest ein kleiner Teil davon etwas mehr Bedeutung hat.

Filmproduktionen, vor allem große Blockbuster wie zuletzt auch „Avatar: The Way of Water“, sind ressourcenaufwendig und für den Dreh (aber auch für die Marketing-Tour zum Kinostart) wird rund um den Planeten geflogen. Ist das aus Ihrer Sicht moralisch zu rechtfertigen und wenn ja, wie?

Das zeigt die Zweischneidigkeit unserer Zeit. Auf der einen Seite steht etwa James Cameron, der diesen Dreh so nachhaltig wie möglich machen wollte. Andererseits ist das aber auch schon ein Widerspruch, weil ein solcher Riesen-Blockbuster eben nicht das Allernachhaltigste ist.

Ich schätze Filme aber nicht nur wegen der Botschaften, die sie haben, sondern auch deshalb, weil sie Menschen zusammenbringen, uns Hoffnung geben können, uns in Zeiten, wo uns viel schlechte Nachrichten erreichen, in fremde Welten entführen. Ich finde das einfach so wichtig und sehe es deshalb nicht als Lösung, keine Filme oder Blockbuster mehr zu drehen.

Was ist denn die Lösung?

Wir müssen uns auf den Weg machen, immer mehr gute Maßnahmen zu finden, wie wir die Produktion so nachhaltig wie möglich gestalten. Klar, kann man an jeder Stelle noch strenger hingucken. Doch wenn wir uns schon bei der kleinsten Sache verurteilen, dann wird es nur noch schwieriger, weiterzukommen. Ich lobe lieber, was schon da ist, und finde, dass wir in einem freundlichen Dialog bleiben müssen.

„Da wird sich teils immer noch wahnsinnig echauffiert“

Wie sieht die Lage in Deutschland aus. Welches Nachhaltigkeitsproblem stört Sie bei Filmproduktionen am meisten?

Was mir in den letzten Jahren am meisten wehgetan hat, war, als wir wegen Corona wieder anfangen mussten, alle kleinen Snacks einzeln zu verpacken. Das war schon brutal zu sehen, hatte aber natürlich auch einen guten Grund.

Was mich sauer macht, sind die Reaktionen, wenn es darum geht, ein vegan-vegetarisches Catering anzubieten oder Fleisch zumindest auf nur einen Tag pro Woche zu begrenzen. Da wird sich teils immer noch wahnsinnig echauffiert. Das finde ich einfach nicht mehr zeitgemäß.

Ist die Stimmung bezüglich veganer Ernährung am Filmset wirklich so schlimm?

Nicht unbedingt. Ich merke, wenn man das einfach zelebriert und es als gegeben hinstellt, dann ist es nur ein kleiner Teil, der sich beschwert. Für die meisten ist es eher so, dass sie merken: „Ach cool, ich dachte gar nicht, dass Spaghetti Carbonara mit Tofu und Hafersahne so gut schmeckt.“

Am 16. Februar startet die 73. Berlinale, und zwar mit einer Neuerung: Sie ist komplett milchfrei. Was halten Sie davon und von veganer Ernährung allgemein?

Ich selbst ernähre mich zu 99 Prozent vegan und finde es ganz toll, dass die Berlinale sich mit Oatly einen starken Partner gesucht hat und als Gastgeberin sagt: „So ist das jetzt einfach. In eurer Freizeit könnt ihr euch ruhig anders ernähren. Aber wir sparen einfach superviel CO2 damit ein.“

Und wenn ich mir vorstelle, dass ich auf einer offiziellen Berlinale Veranstaltung bin, das Catering fleisch- und milchfrei ist und ich einen Haferlatte und ein kleines Creme-Törtchen mit Hafersahne bekomme, dann fühlt es sich für mich auch gesünder an.

„‚Dark‘ hat es ganz gut gemacht“

In welchen Bereichen Ihrer Branche hat sich denn in den letzten Jahren viel Positives getan, hin zu mehr Nachhaltigkeit?

Das Thema Fliegen ist geringer geworden, gerade unter den jungen Leuten. Da fliegt kaum jemand mehr von Hamburg nach München. Beim Essen geht es mehr in Richtung tierfrei. Vor sechs Jahren war das schon was anderes, wenn ich mal Hafermilch bekommen wollte. Jetzt gibt es kaum ein Set, wo es das nicht mehr gibt. Vielleicht waren es vor sechs Jahren ungefähr zwei Veganer:innen am Set. Jetzt hast du gefühlt in jedem Department eine und insgesamt sind es dann etwa 15. Da verändert sich echt viel.

Was war der bisher umweltfreundlichste Film- oder Seriendreh, an dem Sie bisher teilgenommen haben und warum?

Die Produktion der Netflix-Serie „Dark“ hat es ganz gut gemacht. Da gab es keine Plastikflaschen mehr im Studio, sondern überall Wasserspender und man konnte seine Trinkflasche dort auffüllen. Die haben sogar die Wasserkanister mitgenommen, wenn wir draußen im Wald gedreht haben, und haben probiert, in den Kulissen nicht nur Neues zu verwenden, sondern auch zu recyclen. Beim Catering war auch immer eine vegane Variante dabei. Und ich glaube in Staffel 3 waren es nur noch ein oder zwei Tage die Woche mit Fleisch.

Lea van Acken in der Netflix-Serie „Dark“
Lea van Acken als Silja Tiedemann in „Dark“ (Foto: Netflix)

Besonders nachhaltig war auch der Dreh vom Film „Fünf Finger eine Faust“ in Schweden. Da gab es in der ganzen Produktion nur einmal Fleisch. Wir sind gemeinsam mit Zug und Auto rübergefahren, haben in kleinen Hütten in einem Dorf gewohnt, haben ganz viel Secondhand und nachhaltige Labels getragen. Also auf jeder Ebene probiert, das so nachhaltig wie möglich zu machen.

Wie würden Sie die Stimmung beschreiben, die in der Filmbranche aktuell zum Thema Nachhaltigkeit herrscht?

Es ist in vielen Kreisen angekommen, dass wir nicht mehr so produzieren wollen wie früher. Dabei herrscht aber eine positive Stimmung und die ist für Veränderung super wichtig.

Klar muss man vorsichtig sein, wenn man sagt: „Unser Dreh ist total klimaneutral“, und eigentlich ist er es gar nicht. Aber ich glaube trotzdem, dass man jeden Schritt, der in die richtige Richtung geht, unterstützen muss, weil einem das auch wieder Kraft gibt, weiterzugehen. Die Stimmung, die entsteht, wenn man sagt: „Du bist nicht perfekt, also lass es doch gleich!“, halte ich für super gefährlich.

Was würdest du ändern an der Filmbranche, wenn du jetzt die Chance dafür hättest?

Ich würde einführen, dass man am Set maximal nur noch ein bis zwei Fleischtage pro Woche hat. Und dass man das Catering eben so vegan wie möglich macht. Außerdem würde ich dafür sorgen, dass bei jedem Dreh ein Green Consultant von Anfang an eingebunden wird, der die Prozesse auf Nachhaltigkeit optimiert und Kontakt zu jedem Department hat.

Außerdem würde ich mir wünschen, dass sich alle gemeinsam im selben Boot fühlen und neben ihrer kreativen Aufgabe, die sie für den Film haben, und der Belastung, auch in schwierigen Inflationszeiten ein solches Projekt auf die Beine zu stellen, trotzdem einfach die Weitsicht und die Möglichkeit haben, den Dreh so nachhaltig wie möglich zu gestalten.

Filmtipp von Lea van Acken

Zum Schluss haben Sie noch die Chance, unseren Leser:innen einen Film zu empfehlen, der Ihrer Meinung nach besonders zu einem nachhaltigeren Lebensstil anregt.

„Okja“ mit Tilda Swinton und Lily Collins auf Netflix. Der ist ganz besonders, aber auch sehr traurig. Es geht um Massentierhaltung bzw. um ein riesiges Fantasy-Schwein, das mit einem Kind befreundet ist. Dieses Schwein wird weggenommen und soll zu Essen verarbeitet werden. Man sieht diese Riesenanlagen und die ganzen anderen Tiere, die leiden. Ich fand das sehr berührend und eindrücklich und es ist aus der Perspektive eines Kindes erzählt, das noch mal mit ganz anderen Augen auf die Thematik schaut. 

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