Nur ein Jahr im Amt und schon hat US-Präsident Trump fast alle umweltpolitischen Bemühungen seines Vorgängers zu Fall gebracht. Schwer war das nicht, Obama hatte es ihm leicht gemacht.
Was haben der reale US-Präsident Donald Trump und der fiktive TV-Wissenschaftler Sheldon Cooper gemeinsam? Beide sind nicht verrückt – sagt der Arzt. Immer wenn in der US-Serie „The Big Bang Theory“ jemand den verschrobenen Cooper kritisiert, erwidert dieser: „Ich bin nicht verrückt, meine Mutter hat mich testen lassen.“
Das kann Donald Trump jetzt auch sagen. Allerdings hat der derzeitige US-Präsident seine mentale Gesundheit auf eigenen Wunsch überprüfen lassen. Trump wolle so ein für allemal mit Gerüchten um seinen Gesundheitszustand aufräumen, bestätigte sein Arzt Ronny Jackson journalistische Nachfragen. Der Leibarzt des Weißen Hauses hatte untersucht, ob Trump physisch und psychisch fit sei – kurz vor dessen einjährigem Jubiläum als US-Präsident. Das Ergebnis war positiv.
„Es ist gefährlich, Trump nicht ernst zu nehmen“, sagt Max Gruenig im Gespräch mit dem Greenpeace Magazin. Der Volkswirt forscht am „Ecologic Institute“ in Washington D.C. zu Energiewende und Nachhaltigkeitspolitik in den USA. Gruenig warnt davor, das Politdrama im Weißen Haus nur als unterhaltsame und absurde Soap Opera zu begreifen. Trump sei kein verwirrter „Idiot“, sondern beispielsweise in Umwelt- und Klimapolitik besorgniserregend produktiv.
In einem Jahr hat Trump Erstaunliches geleistet – gegen Umwelt und Klimaschutz
Die Effizienz, mit welcher der US-Präsident sämtliche umweltpolitischen Bemühungen seines Vorgängers zunichtemacht, beschreibt Gruenig als beeindruckend: Trump hat Ölbohrungen an Küsten und Arktis erleichtert, den Austritt aus dem Pariser-Abkommen verkündet, die US-Umweltschutzbehörde EPA zu einer Schutzbehörde für Wirtschaftsinteressen umgebaut, Fracking-Auflagen gelockert und Naturschutzgebiete verkleinert.
Allerdings habe Ex-Präsident Barack Obama es Trump leicht gemacht. „Einen grün orientierten Präsidenten, das gab es in den USA noch nie“, sagt Gruenig. „Auch Barack Obama setzte andere Prioritäten.“ Zu Beginn seiner Präsidentschaft hatte Obama die Mehrheiten in Senat und Abgeordnetenhaus und musste sich entscheiden: Obamacare oder Emissionshandelsgesetz. Er entschied sich für die Gesundheitsreform und vertagte den Klimaschutz auf später. Doch dann verlor er die Mehrheiten.
Obamas Ruf war besser als seine Politik
Also brachte Obama kaum Gesetze auf den Weg, sondern hauptsächlich politisch wenig nachhaltige Erlässe oder Regulierungen, die ohne Zustimmung des Kongresses funktionieren. Gerade die Präsidentenerlässe, auch Dekrete genannt, ermöglichen es einem US-Präsidenten, am Kongress vorbeizuregieren, sind aber auch vom nächsten Präsidenten genauso einfach wieder aufzuheben. Obama hatte durch diese Dekrete den Küstenschutz verstärkt und die Fläche von Nationalparks vergrößert sowie neue ernannt. „Die hat Trump dann alle – quasi über Nacht – mit einem Federstrich aufgehoben“, so Josef Braml gegenüber dem Greenpeace Magazin. Der Wissenschaftler forscht mit Schwerpunkt USA bei der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“.
Etwas aufwendiger ist es, Regulierungen wie den „Clean Power Plan“ loszuwerden. Mit dem wollte Obama die erneuerbaren Energien in den USA ausbauen. Zwar braucht Trump dazu auch keine Mehrheit im Kongress, aber schon mehr als einen Federstrich – nämlich einen längeren Prozess, der sich einige Monaten bis Jahre hinziehen kann. So muss eine Ersatzverordnung ins Leben gerufen werden, die von der US-Umweltschutzbehörde EPA vorgelegt und von Interessensvertretern diskutiert werden muss. Außerdem kann solch eine Verordnung rechtlich angegriffen werden, was den Prozess weiter verzögern kann.
So geschehen bei dem „Clean Power Plan“ selbst. Der sah vor, fossile Brennstoffe verstärkt durch erneuerbare Energie zu ersetzen und so den CO2-Ausstoß von Kraftwerken bis 2030 um 32 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken. Dagegen klagten betroffene Unternehmen, seit 2016 liegt der Plan auf Eis. Er war ursprünglich das Herzstück von Obamas Klimastrategie und sollte helfen, die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 zu erreichen.
Trump schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe
Trump hat angekündigt, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, ohne die dort festgeschriebenen Klimaziele braucht er dann auch keine Strategie mehr, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Den Clean Power Plan soll die US-Umweltschutzbehörde EPA durch eine neue wirtschaftsfreundlichere Verordnung ersetzen. Ihr Chef, Scott Pruitt, hilft Trump gerne dabei, Umweltstandards abzubauen. Bevor Trump ihn zum obersten Umweltschützer der USA machte, verklagte Pruitt – damals noch Justizminister von Oklahoma – die EPA 14 Mal wegen angeblicher Regulierungswut. „Er schafft alle Maßnahmen ab, die die Industrie stören. Er ist ihr oberster Lobbyist“, sagte ein früherer EPA-Mitarbeiter dem Spiegel.
Der wirkliche Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen lässt aktuell noch auf sich warten. Die beteiligten Staaten hatten zunächst eine Ruhephase von drei Jahren vereinbart, erst dann kann ein Land aussteigen. Und selbst dann dauert es noch ein weiteres Jahr, bis der Ausstieg gültig wird. „Da muss Trump sich ganz schön beeilen, damit er das vor Ablauf seiner Amtszeit schafft“, sagt Max Gruenig vom „Ecologic Institute“. „Aber rein technisch ist es möglich, dass er das in seiner sogenannten ‚lame duck period‘ – also bis die neue Regierung 2021 übernimmt – noch schnell durchzieht.“
Es kommt ein erfolgreiches Jahr für den Abbau von US-Umweltstandards
Dass die neue US-Regierung wieder eine unter Trump sein könnte, möchte Max Gruenig sich nicht vorstellen. „Der kann alleine 2018 noch genug anrichten“, so der Nachhaltigkeitsforscher. So plant die Trump-Regierung eines der ältesten Umweltgesetze einzuschränken, das schon seit 1913 existiert und sich dem Schutz von Vögeln widmet. Bei möglichen Umweltkatastrophen will Trump die Haftung der Ölindustrie massiv zurückschrauben. „Wenn das kommt, müsste BP in einem ähnlichen Fall wie bei ‚Deep Water Horizon’ nichts mehr zahlen“, so Gruenig. Die vom Ölkonzern BP geleaste Bohrinsel „Deepwater Horizon“ war 2010 nach einer Explosion gesunken, große Mengen Rohöl strömten aus. Die ökologischen und wirtschaftlichen Folgen waren verheerend, die Kosten brachten BP in Existenznot.
„Auch den ‚Clean Power Plan’ will die EPA unter Pruitt dieses Jahr zu Fall bringen“, sagt Gruenig. Der Forscher befürchtet eine Kampagne, die wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel attackiert, um den moralischen Boden für die modifizierte Verordnung zu bereiten. Außerdem könnten sich Probleme mit der Luftqualität und der Ozonbelastung weiter verschärfen, gerade in Städten, aber auch in ländlichen Gebieten mit hohem Fracking-Aufkommen. Und es bestehe das Risiko, dass die US-Regierung im neuen Jahr Geld in die Hand nimmt, um die marodierende Atomreaktor-Industrie wieder in Gang zu bringen. Dabei sei die Endlagerfrage für Atommüll auch in den USA nicht gelöst.
Umweltzerstörung passiert bei Trump mehr nebenbei als strategisch
So verheerend die Folgen von Trumps Politik für Umwelt und Klimaschutz auch sind, eine klare Strategie steht laut Max Gruenig nicht dahinter. Umweltstandards reihenweise abzuschaffen, sei für Trump eher Kollateralschaden als Fokus. „Der interessiert sich für sowas doch überhaupt nicht“, so Gruenig. Allerdings sei die aktuelle Umwelt- und Klimapolitik auch kein Zufall, sondern einfach die Folge davon, dass bestimmte Umweltschutz- und Klimamaßnahmen den Interessen von Wirtschaft und Industrie entgegenständen.
Der Debatte, ob Trump geistig zurechnungsfähig sei, kann Max Gruenig wenig abgewinnen. Im Enthüllungsbuch „Fire and Fury“, das zu Beginn dieses Jahres pünktlich zu Trumps einjährigem Amtsjubiläum am 20. Januar erschien, geht es genau darum. Der Autor Michael Wolff beschreibt die Zustände im Weißen Haus als Chaos und Trump als debilen, kindischen „Idioten“. Das hat die These befeuert, der US-Präsident sei nicht in der Lage sein Amt auszuüben – und hat vermutlich auch dazu geführt, dass Trump seine mentale Gesundheit ärztlich und öffentlichkeitswirksam bestätigen ließ.
„Ich sehe gerade bei deutschen Reaktionen auf die derzeitig schwierige Situation in den USA häufig eine gewisse Spur von Schadenfreude oder Häme“, sagt Gruenig. Das hält der Forscher für nicht zielführend, denn Europa brauche die USA als Kooperationspartner bei allen wichtigen internationalen wirtschaftlichen, außenpolitischen, aber auch umweltpolitischen Fragen. „Es gibt keine Alternative zur Zusammenarbeit mit den USA“, sagt Max Gruenig.
GASTBEITRAG vom Greenpeace Magazin.
TEXT: Nora Kusche
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