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Rückschlag: Koalition erlaubt Ferkelkastration ohne Betäubung

In Deutschland sollen Ferkel noch länger ohne Betäubung kastriert werden dürfen.
Foto: CC0 Public Domain / Pixabay / aitoff

20 Millionen Ferkel werden in Deutschland jährlich ohne Betäubung kastriert. Endes des Jahres sollte damit Schluss ein. Jetzt hat die Koalition die Ferkelkastration ohne Betäubung für zwei Jahre verlängert. Die Quälerei geht weiter.

In Deutschland werden Ferkeln wenige Tage nach der Geburt die Hoden entfernt – ohne Betäubung. Diese Praxis sollte zum Jahreswechsel verboten werden.

Jetzt haben sich Union und SPD gegen den Protest von Umwelt-, Tier- und Verbraucherschützern darauf geeinigt, das Verbot um zwei Jahre zu verschieben. Erst dann soll die Ferkelkastration ohne Narkose endgültig verboten werden.

Grund: Fehlende Alternativen und Kosten

Grund für die Verlängerung sind nach Ansicht der Großen Koalition und des Bauernverbands fehlende Alternativen und zu hohe Kosten. Um zwei bis fünf Euro pro Ferkel würden die Kosten steigen – zu viel aus Sicht der Landwirte. Statt zwei bis fünf Euro mehr zu zahlen, nehmen sie die Schmerzen der Tiere in Kauf. Eigentlich könnten sie die höheren Kosten auf den Fleischpreis abwälzen, dazu müssten aber auch die Kunden bereit sein, mehr für das Fleisch zu zahlen. Die Schweinehalter fürchten die billigere Konkurrenz aus dem Ausland, die sie ihre Existenz kosten könnte.

Kritik von allen Seiten

Die Grünen kritisieren den Aufschub scharf. Anton Hofreiter, Grünen-Fraktionschef, meint: „Natürlich gibt es Alternativen (…). Die Fleischindustrie stemmt sich gegen die tierschutzgerechten Lösungen, in erster Linie um Kosten zu sparen.“ Die Grünen-Abgeordnete Renate Künast kritisiert via Twitter, SPD und Union würden das Tierschutzgesetz aufweichen. „GroKo ist #AlptraumDerTiere“, so twittert die Ministerin.

Der Deutsche Tierschutzbund bezeichnet die Entscheidung der Großen Koalition als Kniefall vor der Agrarlobby. „Es ist ein Armutszeugnis der Großen Koalition, dass SPD und CDU es nun tatsächlich tun und die Qual für Millionen Ferkel verlängern“, sagt Dr. Brigitte Rusche, Vizepräsidentin des Deutschen Tierschutzbundes.

„Die Koalition schreibt in ihrem Gesetzentwurf schwarz auf weiß, dass die unternehmerischen Interessen der Landwirte wichtiger sind als das Staatsziel Tierschutz – ein Kniefall vor der Agrarlobby. Die Große Koalition bringt einen Gesetzentwurf ein, mit dem sie wissentlich gegen das Grundgesetz verstößt und massives Tierleid verursacht. Dabei steht im Koalitionsvertrag sogar, dass Deutschland eine Spitzenposition im Tierschutz einnehmen möchte.“

Traurige Praxis: Ferkelkastration ohne Betäubung

Ferkel werden in Deutschland für die Fleischproduktion ohne irgendeine Art von Betäubung kastriert. Eine qualvolle Praxis, die knapp 20 Millionen kleiner Eber jährlich erleiden müssen. Die Kastration hat nur einen Sinn: Durch sie soll vermieden werden, dass das Fleisch von Ebern einen strengen Geruch und Beigeschmack bekommt.

Eigentlich sollte Anfang 2019 Schluss sein mit den umstrittenen Eingriffen: Seit der Reform des Tierschutzgesetzes 2013 war das Verbot der betäubungslosen Ferkel-Kastration ab 2019 bereits beschlossene Sache.

Doch der Bauernverband hat eine Verschiebung gefordert und auf die schwierige wirtschaftliche Lage verwiesen, auch fehle es an praktikablen Alternativverfahren. Anfang Oktober hatte sich die schwarz-rote Koalition auf eine längere Übergangsfrist geeinigt. Der Protest von Tier- und Verbraucherschützern war groß: Sie sind der Meinung, dass es genug Alternativen gäbe. Problem sei nur, dass die Fleischindustrie die höheren Kosten scheue.

Alternativen zur betäubungslosen Ferkel-Kastration

Als Alternativen zur Ferkel-Kastration ohne Betäubung gibt es mehrere Verfahren:

  • Ebermast (d.h. Mast unkastrierter Eber)
  • Impfung gegen Ebergeruch (Immunokastration)
  • Kastration unter Vollnarkose (durch einen Tierarzt). Diese Methode wird bereits bei Neuland-Betrieben praktiziert.
  • Kastration unter Lokalanästhesie (durch den Landwirt). Land- und Fleischwirtschaft favorisieren diesen sogenannten „skandinavischen Weg“, der in Dänemark bereits praktiziert wird. Tierschützer lehnen die Methode aber ab, da auch sie Schmerzen für die Jungtiere bedeutet.

Nachbarländer wie die Niederlande und England sind mit gutem Beispiel vorangegangen und haben die betäubungslose Kastration von Ferkeln bereits verboten.

Weiterlesen auf Utopia.de:

Quellen: www.tierschutzbund.de / www.foodwatch.org / www.bmel.de

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