Eigene Bienen zu halten hat noch immer einen leicht romantischen Anklang – und ist für fast alle Imker in Deutschland eine reine Freizeitbeschäftigung. Nachhaltig ist die Imkerei aber nicht unbedingt, kritisiert der Schweizer Hobby-Imker André Wermelinger.
Eigentlich wollte der Schweizer Elektro-Ingenieur André Wermelinger als Ausgleich zu seinem Job ein schönes Hobby. In der Nähe seines alten Bauernhauses entschied er sich, zu imkern. Doch je stärker er sich mit der Materie auseinander setzte, desto mehr Zweifel kamen ihm.
Inzwischen spricht er von einem „Missmanagement in der Bienenwelt“ und glaubt, die aktuelle Imkerei habe versagt. Aber was genau meint er damit? „Der Imker arbeitet inzwischen genauso intensiv wie jeder andere Nutztierhalter“, so Wermelinger. Er kritisiert die zu hohe Bienendichte und zieht Vergleiche zur Massentierhaltung. Die konventionelle Imkerei nutze eine Art Mast, indem sie die Bienen mit Zucker füttere.
Wir forschen nach. Unsere Recherche ergibt: Viele konventionelle Imker arbeiten mit Zuckerbeigaben. Sobald sie den Honig ernten, füttern sie Zucker als Ersatz für diesen als Wintervorrat gedachten Honig zu.
Neben Honig bauen die Bienen auch eiweiß- und mineralstoffreichen Pollen in die Waben mit ein; diese lässt der Imker in der Regel im Bienenstock. Als Nahrungsquelle reicht das aber nicht aus – weshalb die Bienen mit Zucker zugefüttert werden. Unbestritten ist allerdings: Honig wäre nahrhafter als Zucker, da er zudem wichtige Vitamine und Mineralien für die Bienen bereit hält.
Die Anzahl der Bienenvölker ist laut Deutschem Imkerbund über die vergangenen Jahre nur mäßig gestiegen. Dafür kritisiert der Deutsche Imkerbund ebenso wie der NABU die rasant gestiegene Bienendichte in Großstädten. In Berlin beispielsweise lebten 2016 sechs Bienenvölker pro Quadratkilometer und das sei zu voll.
Auch dass die Honigproduktion 2017 einen Zuwachs von einem Viertel verzeichnete, könnte daran liegen, dass es immer mehr Stadtimker gibt, deren Erträge in der Regel höher sind als die der Landimker.
„Wie in der intensiven Viehzucht“
Den jährlichen Schwarmtrieb – das ist der Impuls der Bienen, auszuschwärmen um ihren Staat zu teilen – zu verzögern oder sogar zu verhindern, nennt Wermelinger ganz drastisch „Kastration“. Außerdem kritisiert der Imker: drei oder vier Mal pro Jahr würden Bienen routinemäßig mit Säuren wie etwa Oxal- oder Ameisensäure behandelt. „Das sind alles Dinge, die kennen wir aus der intensiven Viehzucht.“
Der Schwarmtrieb stellt für den Imker generell ein Problem dar, da er zeitnah zur Haupttracht der Bienen stattfindet ( Tracht = den Bienen zur Verfügung stehendes Blütenangebot). Sofern ein Imker eine spezielle Sorte Honig wie Akazie oder Raps zum Verkauf anbieten will, müssen seine Bienen zum Zeitpunkt der Blüte eben genau mit diesem Nektar zurückkommen. Schwärmen sie aber aus, sammeln sie meist weniger des gewünschten Blütennektars und produzieren weniger Honig. Seitens konventioneller Imker, die Honig herstellen, gibt es also deutliche Bestrebungen, den Schwarmtrieb entweder durch Züchtung oder die eigene Betriebsweise abzuschwächen.
Behandlung gegen Varroamilben: „Chemotherapie“
Was bewirken die von Wermelinger genannten Säuren? Und sind sie nötig, um die Bienen gesund zu erhalten? Laut Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen dient „die Oxalsäurebehandlung im Winter der Restentmilbung der Völker, um einen milbenarmen Start im Frühjahr zu ermöglichen“ und die Ameisensäure der Varroabehandlung. Die Varroa, eine Milbe, ernährt sich vom Blut der Bienen. Über die Bissstellen können Viren in die Insekten gelangen und dadurch zu Krankheiten führen. Die Varroamilbe gilt als eine der Hauptursachen des Bienensterbens.
Trotz des Präventivgedankens sieht der Hobby-Imker André Wermelinger die Säurebehandlung kritisch: Zwar würde es den Parasiten vernichten, doch zeitgleich lege man das Immunsystem der Biene lahm. „Früher hat man die Säurebehandlung auch als Chemotherapie bezeichnet und ich glaube, das trifft den Nagel auf den Kopf“, so Wermelinger.
Derzeit muss jeder Imker in Deutschland gegen Varroa behandeln, ob er will oder nicht. Das ist laut Bundeslandwirtschaftsministerium gesetzlich so vorgeschrieben. Ein Blick in Foren zum Thema ergibt: Viele Imker machen sich Gedanken, ob die Mittel, die sie bei ihren Bienen zur Anwendung bringen, wirklich die richtigen sind. Zitat: „Hier […] ist fast immer nur von Ameisensäure die Rede. Es gibt ja noch einige andere Möglichkeiten (…).“
Eine vorgeschlagene Alternative ist das Mittel Apilife VAR. Einzige Inhaltsstoffe: ätherische Öle wie Thymol und Eucalyptol. Säurebehandlung ade? Eine Studie des Bieneninstituts Kirchhain ergab 2004 einen hohen Wirkungsgrad für dieses und einige ähnlich zusammengesetzte Präparate. Die Uni Hohenheim kam zu der Erkenntnis, dass neben Ameisensäure, Milchsäure und Oxalsäure auch Thymol eine wirksame Substanz für die Varroabekämpfung darstellt. Einige der alternativen Mittel werden heute bereits angewendet.
Können die Bienen noch ohne den Menschen?
Die intensive Bienenzucht führe dazu, dass es heute keine an die Natur angepasste Bienenrasse mehr gebe, die alleine überlebensfähig wäre, so der Elektro-Ingenieur Wermelinger weiter. Seine Prognose: Würde ein Bienenvolk in der Natur ausgesetzt und nicht mehr betreut, dann verhungere es in weiten Teilen Deutschlands und der Schweiz mit einer Wahrscheinlichkeit von über 90 Prozent. „Und jetzt ist es doch ein bisschen paradox, dass der Imker Honig anbieten kann“, findet der Imker.
Führen also die zunehmende Domestizierung, das Verzögern des Schwarmtriebs und das künstliche Aufsetzen von Honigräumen dazu, dass Bienen allein nicht mehr lebensfähig sind? Oder gibt es weitere Faktoren?
Pestizide und Monokulturen machen den Bienen zu schaffen
Wermelinger sieht nicht nur die Imker in der Pflicht, sondern auch die industrielle Landwirtschaft: „Wir müssen nicht nur über Neonicotinoide reden, sondern generell über den Einsatz von Pestiziden nachdenken und uns die Frage stellen: Was richten wir hier eigentlich an?“ Der Hobby-Imker warnt vor „chronischer, ständiger Belastung der Bienen durch einen Pestizidcocktail.“
Durch die angesprochenen Neonicotinoide – eine Gruppe von Insektiziden – verlieren Bienen die Orientierung und finden nicht mehr eigenständig in ihren Bienenstock zurück. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat die davon ausgehende Gefahr für Honig- und Wildbienen bereits bestätigt, final verboten sind sie in der EU jedoch noch nicht.
Diese und andere Pestizide sind in der Agrarindustrie weit verbreitet. Gerade die Kombination der verschiedenen Pestizide könnte dabei fatal sein – doch hierzu gibt es noch zu wenige belastbare Daten. Einzig die ökologische Landwirtschaft kommt ohne synthetische Pestizide aus.
Doch nicht nur Pestizide machen den Bienen zu schaffen, auch Monokulturen stellen ein Problem dar. „Wenn das Feld verblüht ist, dann finden die Bienen eine grüne Wüste vor“, so der Elektro-Ingenieur. Wenn der Raps blühe, würden die Bienen nur einseitig ernährt, da sie nur noch mit diesem Nektar zurückkommen. Auf solche Nahrungsunterbrechungen, sogenannte Trachtlücken, reagierten sie sehr stark. Es schwäche sie im gesamten Jahreszyklus.
Im Wald sehe es in Punkto Nistplätze und Nahrungsangebot nicht viel anders aus. „Damit eine Biene eine genügend große Baumhöhle vorfindet, braucht es alte Baumbestände“, erläutert Wermelinger. Genau diese gebe es in unseren wirtschaftlich genutzten Wäldern fast nicht mehr, da dort Monokulturen an Bäumen vorherrschten. „Wichtig für die Bienen wären zudem Linden“, doch diese fänden sich kaum noch im Forst.
Was Forst- und Landwirtschaft anbelangt: Über die Hälfte der Fläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt. Monokulturen nehmen darin eine riesige Fläche ein und bieten Bienen aufgrund ihrer einseitigen Bewirtschaftung wenig Nahrung. Blührandstreifen an den Feldern oder Magerwiesen könnten Abhilfe schaffen, da sie Nahrung für Bestäuber bereit halten und eine große Artenvielfalt mitbringen.
Das für die Bienen so wichtige Totholz wird aus Wirtschafts-Wäldern oftmals entfernt. Laut Schutzgemeinschaft Deutscher Wald kommt die für Bienen wertvolle Linde nur zu einem Teil von unter 5 Prozent in deutschen Wäldern vor. Ihre hohe Anzahl an Blüten wäre für die Insekten jedoch eine wichtige Nahrungsquelle.
Sind mehr Honigbienen die Lösung?
Aber keine Nahrungsquelle reicht aus, wenn die Konkurrenz schneller ist. Der Hobby-Imker resümiert ein bislang ausgeklammertes Thema: Viel zu viele Honigbienen stünden in Konkurrenz zu den Wildbienen. „Sie saugen den Wildbienen im Prinzip die Blüten aus.“
Während man die Honigbiene leicht vermehren und in beliebiger Anzahl zum Zeitpunkt X auf ein Feld bringen könne, ließen sich Wildbienen nicht so einfach managen. Dafür brauche es richtige Bodenstrukturen, ein Nahrungsangebot und Nistplätze – also eine intakte Natur. Dazu komme, dass bereits erste Krankheiten von der Honigbiene auf die Wildbiene übertreten können.
„Aufgrund der Bevölkerungsexplosion weltweit brauchen wir zukünftig mehr Nahrung“. Das bedeute auch mehr Bestäubung. Die Politik versuche das zu erreichen, indem sie mehr Honigbienen auf die Felder bringe. „Das ist der völlig falsche Ansatz“, glaubt Wermelinger.
Die Honigbiene bestäube in größerer Anzahl nicht wesentlich besser. Er fordert eine nachhaltigere Landwirtschaft, die das Habitat für alle Wildbienenarten und andere Insekten bieten müsse. Das Ideal: „Wir maximieren die Erträge über eine möglichst breite Bestäubervielfalt und nicht, wenn wir möglichst viele Honigbienen haben.“
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