Krönchen, Schärpe und strahlendes Lächeln: Miss-Wahlen sind nicht gerade die Aushängeschilder des Feminismus. Der „Miss Germany“- Wettbewerb will nun alles ganz anders machen.
Sie sind schön, winken nett und wünschen sich den Weltfrieden: Dieses Bild haben viele im Kopf, wenn es um Gewinnerinnen von Schönheitswettbewerben geht. Doch die Macher*innen hinter der Miss-Germany-Wahl 2020 schlagen einen völlig anderen Ton an.
„Im Finale stehen starke Frauen, die die Welt verändern und sie täglich mit Haltung, Überzeugung und Persönlichkeit prägen“, heißt es unter dem Youtube-Video, auf dem der Live-Stream der Veranstaltung zu sehen sein wird. „Sie setzen neue Maßstäbe und sind Identifikationsfiguren, die uns herausfordern.“ Dazu der Hashtag #EmpoweringAuthenticWomen. Bitte was?
Statt Schönheit soll jetzt Persönlichkeit zählen
Am 15. Februar wird bei einer großen Show im Europa-Park Rust die „Miss Germany 2020“ gekürt. Und gesucht wird nun angeblich nicht mehr die schönste Frau Deutschlands – sondern ein Vorbild für eine ganze Generation junger Frauen.
Hier ist das Finale von „Miss Germany 2019“ als Video bei YouTube zu sehen.
Zu dem Sinneswandel kommt es dank dem 24-jährigen Max Klemmer, der das Familienunternehmen „Miss Germany Corporation“ übernommen hat. „Ich habe gespürt, dass etwas verändert werden muss“, sagte er dem „Handelsblatt“. Klemmer bemühte sich um eine komplette Neuausrichtung der Marke.
So gelten im Wettbewerb einige neue Spielregeln, die schon in den vergangenen Jahren nach und nach eingeführt wurden: kein Lauf im Bikini mehr, die Altersgrenze reicht bis 39 Jahre, auch Mütter dürfen mitmachen. Die Jury besteht in diesem Jahr nur aus Frauen. Vor allem aber sollen die Teilnehmerinnen heute mit ihrer Persönlichkeit überzeugen.
Die Gewinnerin bekommt zwei Autos und ein Joy-Cover
Klemmer betont, dass die Bewerberinnen die verschiedensten Interessen hätten, darunter „plastikfreie Lebensweisen“ – und noch nie seien so viele Veganerinnen und Vegetarierinnen dabei gewesen. Dazu habe es ein lesbisches Paar, eine Frau im Rollstuhl und mehrere Frauen mit Migrationshintergrund gegeben – viel Diversität also. Trotzdem entsprechen die übrig gebliebenen Kandidatinnen, wenig überraschend, dem gängigen Schönheitsideal.
Eine von 16 Finalistinnen kann sich am Samstag den Titel „Miss Germany“ holen. Sie gewinnt damit unter anderem einen Platz auf dem Cover des Magazins „Joy“, zwei Autos, die sie während ihrer „Amtszeit“ nutzen darf (eines davon ein Cabrio) sowie jede Menge Schönheitsprodukte und Schuhe.
Die Show setzt kaum ein zeitgemäßes Signal
Utopia meint: Die Neuausrichtung erinnert an die Bemühungen von „Germany’s next Topmodel“, sich dank Transgender-Models oder Kandidatinnen mit Glatze und Tattoos divers und zeitgemäß zu präsentieren. Aus Marketing-Sicht ein cleverer Schachzug, um einem altbackenen Format neues Leben einzuhauchen. Dass die Gewinnerin bei „Miss Germany“ am Ende mit Konsumgütern und Autos überhäuft wird, setzt jedoch kaum ein zeitgemäßes Signal.
Es wäre nicht feministisch, eine Kandidatin dafür zu kritisieren, selbstbestimmt bei diesem Wettbewerb mitzuwirken. Grundsätzlich stellt sich aber die Frage, ob solche Veranstaltungen im Jahr 2020 noch eine Daseinsberechtigung haben. Wozu muss man Schönheitswettbewerbe, einem Relikt aus vergangenen Zeiten, überhaupt einen Image-Wandel verpassen?
Geht die Oberflächlichkeit verloren, ist die fragwürdige Aussagekraft einer solchen „Miss-Wahl“ recht gering. Denn kein Mensch braucht eine Identifikationsfigur mit Krone, Schärpe und Stöckelschuhen, so interessant ihre Persönlichkeit auch sein mag – sondern Vorbilder jeder Geschlechtsidentität, die ganz konkret etwas bewirken. Die dabei helfen, die Klimakrise zu lösen, neue Technologien zu entwickeln oder andere mit ihrem Handeln inspirieren.
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