Bewohner in München können Anfang November darüber abstimmen, ob ein Steinkohlekraftwerk im Norden der Stadt vorzeitig abgeschaltet werden soll. Die Initiatoren des Bürgerentscheids sprechen von der wichtigsten Klimaschutzmaßnahme für München.
2025 wollen die Stadtwerke München die gesamte bayerische Hauptstadt mit Ökostrom versorgen. Das Heizkraftwerk Nord könnte theoretisch allerdings noch bis 2035 weiterlaufen – der Block 2 wird mit Heizkohle betrieben.
Am 5. November können die Münchner jedoch entscheiden, ob die Stadtwerke das Steinkohlekraftwerk schon früher abschalten sollen. Wenn die Bevölkerung dafür stimmt, könnte der Kohleblock schon 2022 abgestellt werden.
Mehr Emissionen als durch den Straßenverkehr
Rund 60 Bürgerinitiativen hatten den Bürgerentscheid gemeinsam initiiert. Ihre Argumentation: Das Verbrennen der Steinkohle verursache jedes Jahr 17 Prozent der CO2-Emmissionen in München. Damit habe der Kohleblock einen höheren Ausstoß an CO2, als alle Autos uns LKWs im Münchner Straßenverkehr zusammen. Die Initiatoren beziehen sich dabei auf Daten des Bundesumweltamts zu Emissionen des Heizkraftwerkes.
Was ebenfalls für eine Ausschaltung spricht: In München wird ausschließlich importierte Kohle verbrannt – und zwar jedes Jahr 800.000 Tonnen. Der Steinkohleabbau bringt den Initiatoren des Entscheids zufolge weltweit massive Naturzerstörung und Menschenrechtsverletzungen mit sich. Bei der Steinkohleverbrennung werde außerdem giftiges Quecksilber freigesetzt.
Ein Ausstieg bis 2022 sei problemlos möglich, sind Bürgerinitiativen überzeugt. Die Stadtwerke hätten genug Zeit, sich um Alternativen zur Steinkohle zu kümmern – dies belege ein Gutachten des Ökoinstituts und der Münchner Stadtwerke selbst. Da München in einem besonders günstigen Gebiet liege, könne sich die Stadt vollständig durch Geothermie-Anlagen versorgen.
- Die offizielle Webseite der Initiatoren des Bürgerentscheids
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Das Kohlekraftwerk und die Versorgungssicherheit
Die Mehrheit im Münchner Stadtrat sowie die Stadtwerke München sind allerdings gegen eine Abschaltung. Sie argumentieren, dass der Kohleblock im Heizkraftwerk in den kommenden Jahren notwendig für die Versorgungssicherheit bei der Fernwärme sei. Auch die Stadtwerke berufen sich dabei laut der Süddeutsche Zeitung online (SZ online) auf eine Studie der Stadtwerke und des Öko-Instituts. Zumindest an sehr kalten Tagen müssten nach einer Abschaltung des Kohleblocks zusätzliche Gasheizwerke ans Netz gehen. Die Anlagen müssten laut SZ online jedoch erst gebaut werden und wären überflüssig, sobald ausreichend Geothermie verfügbar wäre.
Ein frühzeitiger Ausstieg sei teuer und bringe außerdem auch keine CO2-Einsparungen, meint der Münchner Stadtrat. Würde der Kohleblock abgeschaltet werden, müsse man die ausfallende Energie in anderen Kraftwerken produzieren. Die in München entfallenen CO2-Emissionen würden dann an anderer Stelle entstehen.
Was ist dran an dem Argument?
Die Süddeutsche Zeitung hat dieses Argument geprüft und gibt dem Stadtrat zumindest teilweise recht. Durch die Stilllegung des Kohleblocks müssen die Stadtwerke die ausfallende Energie tatsächlich anderweitig produzieren. Die SZ geht davon aus, dass die Stadtwerke das Kraftwerk Süd nutzen würden. Da dieses Kraftwerk mit Gas betrieben werde, habe es geringere CO2-Emissionen – den Kohleblock abzuschalten bringe damit entgegen der Aussage des Stadtrats deutliche CO2-Einsparungen.
Jedoch hebe sich dieser Effekt durch den Handel mit Zertifikaten wieder auf: „Allerdings geht der Stadtwerke-Chef davon aus, dass die über Zertifikate erworbenen Verschmutzungsrechte dann eben von einem anderen Unternehmen genutzt werden. Was global gesehen keinen Unterschied machen würde. Erst wenn die EU beginne, Zertifikate vom Markt zu nehmen, seien klimarelevante CO₂-Einsparungen zu erreichen.“
Der Stadtrat argumentiert außerdem, dass der Kohleblock ohnehin nicht mehr bis 2035 betrieben werden solle, sondern spätestens zwischen 2027 und 2029 abgeschaltet werden solle – erst dann sei der Ausbau der Geothermie ausreichend fortgeschritten, sodass München vollständig versorgt werden könne.
Wie geht es nach dem Bürgerentscheid weiter?
Sollte München für die Stilllegung des Kohleblocks stimmen, müssen die Stadtwerke einen entsprechenden Antrag bei der Bundesnetzagentur einreichen. Die Behörde prüft dann, ob die Anlage überhaupt vom Netz genommen werden kann. Sollte sie unentbehrlich für die Versorgungssicherheit sein (wie vom Stadtrat behauptet), wird sie die Stilllegung nicht genehmigen. Der Kohleblock könnte laut SZ online dann zwar trotzdem noch heruntergefahren werden, müsste aber betriebsbereit und „warm gehalten“ werden. Aber selbst so würde CO2 eingespart werden.
Utopia meint: Die Argumente beider Seiten klingen nachvollziehbar – eines ist jedoch klar: Unserer Gesundheit und der Umwelt zuliebe müssen wir weg von fossilen Energien, am besten so schnell wie möglich. Der Bürgerentscheid zur Stilllegung des Kohlekraftwerks in München ist deshalb allein schon wegen seiner symbolischen Wirkung wichtig. Dank des Entscheids findet eine breite öffentliche Diskussion über fossile Energien statt, die den Druck auf die Politik und Entscheidungsträger erhöht. Der Bürgerentscheid kann aber mehr erreichen, als nur ein Signal zu geben: Wenn die Münchner im Bürgerentscheid für eine Stilllegung des Kraftwerks stimmen, kann unabhängig geprüft werden, ob das Ausschalten entgegen der Meinung des Stadtrats überhaupt möglich wäre.
Wer sich für saubere Energien einsetzen will, sollte jedoch nicht auf politische Entscheidungen warten, sondern selbst aktiv werden – am besten durch einen Wechsel zu Ökostrom. Wie das funktioniert erfährst du in unserem Artikel „Stromanbieter wechseln – sinnvoll und einfach“. Die besten Ökostrom-Anbieter kannst du dir in unserer Bestenliste vergleichen:
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