Der Dürre-Winter in Italien und Frankreich beschäftigt auch hierzulande die Expert:innen. Im Interview mit Utopia erklärt Dr. Peter Bissolli, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst, ob sich daraus Ableitungen für die kommenden Monate in Deutschland treffen lassen – und was das Wetter der Bundesrepublik besonders macht.
Von Grischa Beuerle und Laura Gaida
Bereits im Februar herrschen in einigen Teilen Europas eher trockene Verhältnisse. In Frankreich fiel 31 Tage lang kein Regen. Dies hat es im Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1959 noch nie gegeben. Italien leidet bereits im Februar unter ausbleibendem Niederschlag und ungewöhnlich hohen Temperaturen. Während in Venedig die Kanäle kaum Wasser führen, fordern Umweltschützer:innen eine nationale Wasserstrategie. Dr. Peter Bissolli, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD), spricht im Utopia-Interview über die derzeitige Situation – und blickt auf die kommenden Wetter-Monate in Deutschland.
Utopia: In Italien spricht man schon im Februar von einer Dürre, wie oft kommt so etwas vor – und beunruhigen Sie die Daten?
Peter Bissolli: Normalerweise gleichen sich trockene und nasse Winter über einen längeren Zeitraum aus. Seit 1989 sind aber in Italien gehäuft sehr trockene Winter aufgetreten. Immerhin hatten im Zeitraum 1989-2022 10 Winter mehr als 20 Prozent weniger Niederschlag als normal, das ist fast ein Drittel. Darunter waren auch die neueren Jahre 2017, 2019, 2020, 2022 und jetzt wohl auch 2023. Das kam früher weitaus seltener vor, der Trend geht in Italien also klar in Richtung Wintertrockenheit. Beunruhigend ist das sicher, weil es für die Menschen die dort leben zu gravierenden Wassereinschränkungen führen kann, wenn sich dies weiter fortsetzt.
Was kann das für die kommenden Monate bedeuten?
Die Bodenfeuchte und die Wasserpegel gehen mit niedrigen Werten in die Vegetationsperiode. In Norditalien kommt noch dazu, dass es in den Alpen wenig Schnee im Winter gab. Damit fehlt auch noch das Schmelzwasser. Trotzdem muss es noch keine Katastrophe bedeuten, wenn das Frühjahr nass wird. Aber die Ausgangsposition ist ungünstiger als sonst.
Dürre-Winter in Deutschland? „Süd-Deutschland wird mit deutlichem Defizit abschließen“
Droht Deutschland auch ein Dürre-Winter?
Dezember 2022 und Januar 2023 waren in Deutschland im Norden relativ nass, im Süden relativ trocken. Der Februar 2023 war bisher in der ersten Woche insgesamt eher nass, in der zweiten Woche eher trocken, in der dritten Woche auch eher nur im Süden. Süd-Deutschland wird also mit einem deutlichen Defizit abschließen, der Norden nicht. Aber von Dürre kann man noch nicht reden, weil im Winter weniger verdunstet und die Böden insgesamt noch mehr Wasser gespeichert hatten.
Noch im Dezember sanken die Temperaturen in Deutschland mancherorts unter minus 20 Grad, nur um dann an Silvester über die 10-Grad-Marke zu klettern. Gibt es schon Daten zum Winter, was bedeutet das für die kommenden Monate?
Temperaturmäßig war der Dezember in Deutschland im Mittel in Norden leicht kühler, im Süden leicht wärmer als im Klimamittel 1991-2020. Die Kälte- und die Wärmeperiode haben sich also fast ausgeglichen. Der Januar 2023 war dagegen deutlich wärmer und auch der Februar war bis jetzt insgesamt recht mild. Der Winter insgesamt wird daher auch sehr wahrscheinlich als mild herausgehen. Für die kommenden Monate bedeutet das aber erst einmal nichts. Die Prognosen sprechen jedoch dafür, dass auch das Frühjahr und der Sommer wieder relativ warm ausfallen werden.
„Normal ist das nicht“
In Frankreich hat es zuletzt mehr als 30 Tage nicht geregnet. Ist das normal für die Jahreszeit? Und gibt diese Entwicklung erste Hinweise, wie das Wetter dort im Sommer werden könnte?
Diese Aussage muss man etwas relativieren. Richtig ist, dass in Frankreich im Durchschnitt seit mehr als 30 Tagen weniger als 1 mm Niederschlag gefallen ist. In einigen Regionen in Frankreich gab es Regen. Dennoch: Normal ist das nicht. Seit mindestens 1959 ist dies noch nie in einem Winter vorgekommen. Für die Wetterprognose im Sommer sagt das noch nichts, denn die Wetterlage kann sich bis dahin grundlegend umstellen.
Welche Risiken sehen Sie angesichts der Situation in Italien und Frankreich für die Natur in Europa?
Wie gesagt, die Ausgangsbedingungen sind für einige Gebiete (vor allem Westeuropa, Südalpen und Nord-Italien) eher ungünstig, das ist natürlich ein Risiko für die Wasserversorgung allgemein und für die Landwirtschaft und die Schifffahrt im Besonderen. Es muss aber deswegen in diesem Jahr nicht schlimm kommen. Es trifft auch nicht auf ganz Europa zu, zum Beispiel war der Winter in Skandinavien bisher eher nass.
„Ich hätte keine Bedenken, den Urlaub dort zu verbringen“
Mit Italien, Spanien und Frankreich waren im letzten Sommer typische Urlaubsländer zum Teil von Wassermangel und Trockenheit geplagt. Für die Menschen vor Ort stellte das eine große Herausforderung dar, auch weil der Tourismus dadurch bedroht ist. Ist es trotzdem ratsam in diesen Gebieten in den Urlaub zu fahren?
Nun, ich denke, die Leute fahren ja gerade deswegen in diese Länder, weil sie sich nach viel Sonne und wenig Regen sehnen. Wer also in der Tourismusbranche tätig ist, kann sich eher freuen, zumal auch die Saison länger wird. Anders natürlich beim Skitourismus in den Alpen. Gegebenenfalls muss man mit Einschränkungen bei der Wasserversorgung rechnen, aber nicht zwingend. Ich hätte also keine Bedenken, den Urlaub dort zu verbringen.
Die europäische Hitzewelle vergangenen Sommer hat auch Deutschland getroffen. Zum Beispiel wurden Hungersteine durch die hohe Verdunstung im Rhein freigelegt, die Schifffahrt war eingeschränkt. Für Menschen ist sie eine Gesundheitsgefahr. Welche Besonderheiten bringt das Wetter hierzulande mit sich und wohin entwickelt es sich?
Das deutsche Wetter hat die Besonderheit, dass sich sehr verschiedene Wetterlagen einstellen können, weil sich verschiedene Luftmassen aus allen Richtungen bei uns auswirken können – und das auch je nach Jahreszeit sehr unterschiedlich. Es ist daher auch langfristig schwieriger vorhersehbar als etwa das Wetter in den Tropen oder Subtropen. Der Trend in Deutschland sieht so aus, dass es in allen Jahreszeiten wärmer wird, die Sommer werden trockener, die Winter eher nasser. Problem sind aber vor allem Extremereignisse wie zum Beispiel das Ahrtalhochwasser 2021, aber auch immer wieder einmal Temperaturrekorde. Es ist wichtig, die weitere Entwicklung zu beobachten und so weit wie möglich Vorsichts- und Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen.
Ist der Klimawandel schuld an der Trockenheit?
Dazu muss zunächst festgehalten werden: Einzelne Wetterphänomene sind nicht auf den Klimawandel zurückzuführen. Wo sich die Expert:innen jedoch einig sind: Extreme Wetterlagen – wie etwa Hitzewellen und Dürreperioden – verstärken sich durch den Klimawandel künftig und werden an Häufigkeit deutlich zunehmen.
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