Die in Bärenform gepresste Bärchen-Wurst kennen einige Menschen aus ihrer Kindheit. Der Konzern dahinter hat mit sinkender Nachfrage zu kämpfen. Deshalb verkauft er längst nicht nur mehr herkömmlich produziertes Fleisch – sondern setzt unter anderem auf Fleisch aus Bioreaktoren.
Deutschlands zweitgrößter Wursthersteller fährt die Produktion herunter. Das kündigten die InFamily-Foods-CEOs Hans-Ewald Reinert und Wolfgang Kühnl in einem Interview mit dem Handelsblatt an. Grund ist ein Rückgang der Nachfrage von Fleischprodukten. Ihr Konzern verkauft mitunter die bekannte Bärchen-Wurst – und geht nun neue Wege. Unter anderem setzt das Unternehmen auf Fleisch aus Bio-Reaktoren.
Bärchen-Wurst-Hersteller drosselt Produktion
Der Konzern hinter der Bärchen-Wurst heißt InFamily Foods und führt unter dem Namen „The Family Butchers“ zahlreiche Fleischprodukte – auch ohne Tierform – im Sortiment. Dazu ging Ende 2022 die Veggie-Marke Billie Green des Tochterunternehmens „The Plantly Butchers“ an den Markt.
Nun stehen weitere Veränderungen an: The Family Butchers wird die Produktion von Fleischwaren von rund 120.000 Tonnen um 20 Prozent drosseln, erklärt Kühnl gegenüber Handelsblatt. Auch das Wurst- und Schinken-Sortiment werde von 1.340 auf 950 Artikel gestrafft. Dies geschehe, damit der Konzern „nicht in eine Schieflage gerät“, erklärt Kühnl. Auch die Produktion der Bärchen-Wurst werde demnach verlagert, das bisher zuständige Wurstwerk geschlossen.
Weniger Nachfrage nach Fleischprodukten
Nötig wurden diese Schritte, weil die Nachfrage fehlt. „Allein im letzten Jahr ist der Fleischverzehr um vier Kilo auf 52 Kilo pro Kopf eingebrochen“, betont Reinert. Zum einen, weil Fleisch und Wurst durch die Inflation teurer werden, zum anderen, weil die jüngere Generation „nicht mehr dasselbe [isst] wie Oma und Opa“. An politischen Bemühungen, den Fleischkonsum zu reduzieren, kritisiert Reinert das Tempo und die „Radikalität“.
Doch der Konzern passt sich auch an verändertes Konsumverhalten an. Die eigene Veggie-Marke setzt auf Weizenprotein und komme ohne Zusatzstoffe aus, betont Reinert. Kühnl ergänzt: „Aber noch viel mehr versprechen wir uns von unserem dritten Standbein neben Wurst und Veggie-Alternativen: The Cultivated B.“
The Cultivated B: Fleischkonzern setzt auf Laborfleisch
The Cultivated B ist ein Unternehmen aus Heidelberg, dass InFamily-Foods für drei Jahre durchfinanziert und mitaufgebaut hat, so Kühnl. Die Firma soll bald Fabriken für kultiviertes Fleisch bauen – nicht nur für InFamily-Foods-Marken. Laut Kühnl wolle man vom nationalen Hersteller von Fleischwaren zu einem „internationalen Produkt-, Technologie- und Serviceanbieter für die Proteinmärkte der Zukunft“ werden.
„Wir wollen die komplette Infrastruktur liefern – von Fleischzellen über Bioreaktoren bis zu Wachstumsfaktoren der Nährlösungen“, erklärt Kühnl. Die ersten Bioreaktoren habe The Cultivated B bereits verkauft, in wenigen Monaten starte die Produktion in Toronto.
Im Labor könne man aus Zellkulturen bereits ein Kilo Fleisch für drei bis fünf Euro züchten. „Aber für eine Massenproduktion fehlen weltweit Kapazitäten“, so Kühnl. Die Bärchen-Wurst aus dem Bioreaktor komme „nicht so bald“, meint Reinert. „Zunächst wären hybride Produkte aus Pflanzenproteinen und zehn Prozent Zellfleisch als Geschmacksträger denkbar.“
Fleischprodukte aus dem Bioreaktor sind in der EU derzeit nicht zugelassen, in den USA könnte das bald geschehen. In Singapur darf Laborfleisch seit 2020 verkauft werden.
Utopia meint
Dass die bewusstere Ernährung von Konsument:innen Druck auf große Fleischkonzerne ausübt, ist ein gutes Zeichen. Sie müssen nun neue Wege gehen, um auf dem Markt zu bestehen. InFamily Foods setzt neben eigenen Veggiemarken dabei auf Fleisch aus Zellkultur. Das mag finanziell eine sinnvolle Entscheidung sein. Aber ist sie es auch aus Klimaschutz-Sicht?
Was seine CO2-Bilanz angeht, gilt Laborfleisch als umstritten. Das Umweltbundesamt erklärte 2020, ersten Prognosen zufolge könnte In-Vitro-Fleisch beim Wasser- und Landverbrauch besser als konventionell produziertes Fleisch abschneiden, beim Energieverbrauch schlechter. Auch merkte das Amt an, dass die Nährmedien, die für die Produktion gebraucht werden, derzeit das Blut ungeborener Kälber enthalten – ganz ohne Material lebender Tiere kommt die Technik also (noch) nicht aus. Die Bioreaktoren benötigen viel Strom – deshalb ist auch die Zusammensetzung des Strommixes für die CO2-Bilanz von Bedeutung. Bezieht ein Land viele erneuerbare Energien, werden für die Herstellung von Laborfleisch weniger Emissionen ausgestoßen.
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