Chiasamen enthalten viel Protein, ungesättigte Fettsäuren und Mineralstoffe. Doch wie gesund ist das Superfood wirklich und welche Wirkung hat es?
Um Chiasamen ranken sich viele Legenden, ein paar davon über 5.000 Jahre alt, einige stammen aus den letzten Jahren. Laut den alten Legenden soll das „Gold der Azteken“ diesen bei ihren Eroberungen geholfen haben. Zwei Löffel Chiasamen gaben einem Soldaten Kraft für den ganzen Tag und versorgten ihn mit allen notwendigen Nährstoffen.
Diese Legende brachte die Athleten heutiger Tage auf die Idee, die Samen der Chia-Pflanze als Wunderwaffe und Energielieferant vor Wettkämpfen zu nutzen. Bald schon entdeckten auch Hobbysportler das Pseudogetreide für sich und amerikanische Businessmen „dopten“ sich vor anstrengenden Geschäftsterminen mit den Körnern, die heute meist aus Mexiko und einigen anderen süd- und mittelamerikanischen Ländern kommt.
Nach und nach wurde der Geheimtipp zum Mainstream und Chiasamen zum angesagten Must-have in der Küche. Mit einem hohen Gehalt an Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren, Protein und Mineralstoffen sollen die Körner wahre Gesundheitswunder sein. Stimmt das, oder handelt es sich beim Superfood eher um Katzengold?
Chiasamen: Basisfakten und Botanik
Der Name der Chia-Pflanze ist aus der Sprache der Azteken abgeleitet und bezieht sich auf den hohen Ölgehalt der Samen („chian“ bedeutet „ölig“). Allerdings handelt es sich bei Chiasamen genau genommen gar nicht um Samen, sondern um sogenannte Klausen – Teile einer Zerfallsfrucht, die jeweils einen Samen tragen.
Klausen findet man häufig bei Lippenblütlern, zu denen die Chia-Pflanze als Salbei-Art gehört. Ernährungsphysiologisch werden die Chiasamen aufgrund ihres hohen Fettgehalts zu den Ölsaaten gerechnet. Das blau blühende, einjährige, krautige Gewächs stammt ursprünglich aus Mexiko, wird heute aber in mehreren Ländern Südamerikas und in Australien angebaut.
Die Pflanze verträgt keine Staunässe und kann daher auch nur in Regionen angebaut werden, in denen die Regenmengen recht gering ausfallen. In Europa werden Chia-Pflanzen nur vereinzelt im sonnigen Süden Spaniens kultiviert.
Inhaltsstoffe, Nährwerte und Kalorien der Chiasamen
Zwei Esslöffel sollen Energie für den ganzen Tag geben – das lässt auf ein sehr energiereiches Nahrungsmittel schließen. Tatsächlich enthalten 100 g Chiasamen 440 kcal, ein Großteil davon aus Fett (etwa 35 %), der Rest aus Kohlenhydraten (rund 45 %). Da es sich bei den Fetten aber fast ausschließlich um ungesättigte Omega 3 und 6 Fettsäuren handelt, ist die Energiedichte der kleinen Körner ein eher geringes Problem.
Auch beim Protein-Anteil kann der Samen punkten, mit ca. 22 % liegt dieser höher als zum Beispiel bei Lachs. Im Bereich Vitamine und Mineralstoffe sind die ebenfalls Ölsaaten vorne mit dabei: Chiasamen sind reich an Magnesium, Kalzium, Phosphor, Vitamin E, Vitamin A und C sowie Niacin.
Damit liefern die Powerkörner einige wichtige Nährstoffe, die sonst üblicherweise nur in Fleisch oder tierischen Produkten vorkommen – wichtig vor allem bei veganer Ernährung. Zusätzlich liefern die Klausen der Chia-Pflanze auch noch viele Antioxidantien, denen eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt wird.
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Welche Wirkung hat das Superfood?
Die Inhaltsstoffe der Chiasamen lassen vermuten, dass sich die Körner sehr positiv auf die Gesundheit auswirken. Omega 3- und 6-Fettsäuren sind beispielsweise gut für die Cholesterinwerte und können den Blutdruck senken.
Ein hoher Anteil an Ballaststoffen macht zudem schneller satt, weswegen Chiasamen bei einer Diät unterstützend wirken können. Zudem sind die Körner aus auch ein Powersnack für Sportler, ganz so wie damals vielleicht bei den Azteken.
Da es sich um Pseudogetreide handelt, können alle mit Gluten-Unverträglichkeit oder einer Allergie auf Nüsse, Soja-Proteine oder ähnliches aufatmen: Chiasamen enthalten keinen dieser Bestandteile. Eine Allergie auslösende Wirkung ist deswegen bislang auch nicht bekannt. Soweit zumindest die Werbeversprechungen der Hersteller.
Allerdings konnte keine dieser positiven Wirkungen bislang in wissenschaftlichen Untersuchungen belegt werden. Es handelt sich nur um Effekte, die aufgrund der Inhaltsstoffe vermutlich auftreten könnten – getestet wurde wenn, dann nur im Labor, sodass die Ergebnisse nicht auf den Menschen übertragbar sind.
Chiasamen: wenig Studien, kaum Erfahrung
Als Nahrungsmittel sind die Samen der Chia-Pflanze erst seit 2013 in der EU zugelassen. Davor durften sie nur zu maximal fünf Prozent in verarbeiteten Produkten enthalten sein. So wurden Chiasamen etwa zu Brot und Gebäck oder Müsli-Mischungen als gesunder Bonus hinzugefügt.
Die EFSA, die Europäische Behörde für Ernährungssicherheit, legte die Verzehrempfehlung allerdings auf höchstens 15 Gramm (2 Esslöffel voll) täglich fest – es würden Studien und Erfahrungswerte über einen längeren Zeitraum fehlen, lautete die Begründung.
Bei den im Internet zu findenden begeisterten Berichten über die Wirkung des angeblichen Superfoods handelt es sich demnach großteils nicht um wissenschaftliche Studien, sondern um Erfahrungsberichte einzelner Personen. Und die sind, für sich genommen, wenig aussagekräftig.
Dazu kommt, dass bei der geringen Menge der Verzehrempfehlung die Wirkung der Chiasamen trotz aller enthaltenen Nährstoffe natürlicherweise gering ausfallen wird. Um überhaupt einen messbaren medizinischen Effekt zu erzielen, musste den Probanden bei den wenigen durchgeführten Studien eine deutlich größere Menge verabreicht werden. Und selbst dann konnten nur Möglichkeiten, aber keine konkreten Beweise für die Wirkung festgestellt werden.
Wie gesund sind Chiasamen wirklich?
Nachgewiesen ist eben aufgrund der wenigen Studien weder eine positive noch eine negative Wirkung der Chia-Samen auf die Gesundheit. Dennoch werden die Körner wegen der enthaltenen Nährstoffe von den Ernährungswissenschaftlern als „eher gesund“ eingestuft.
Es sei denn, sie wären mit Schadstoffen belastet, wie dies beim Chiasamen-Test von ÖKO-TEST im April 2016 der Fall war. Sogar bei Bio-Produkten wurde eine deutliche Belastung mit Pestiziden und Mineralölen festgestellt und damit jeder gesundheitliche Vorteil ad absurdum geführt.
Ob Chiasamen wirklich gesund sind, wird erst die Zeit zeigen. Im Moment sollte man die Aussagen der Hersteller auf den Verpackungen eher als Marketing-Versprechungen nehmen.
Chiasamen kaufen – wo mache ich das am besten?
Grundsätzlich sind Chiasamen dank des Hypes mittlerweile in jedem Supermarkt, allen Naturkost- oder Bio-Läden, den Drogeriemärkten und natürlich in vielen Online-Shops (am besten in Bio-Qualität, z.B.** bei Bioaufvorrat, Fooodz oder Amazon) erhältlich.
Allerdings: Nicht einmal das Bio-Siegel oder eine bekannte Marke schützt davor, mit Schadstoffen belastete Produkte zu erwerben. Es lässt sich für einen Konsumenten schlicht nicht nachprüfen, wie die Chia-Pflanzen angebaut und geerntet wurden.
Und selbst für die Markenhersteller ist das schwierig, stammen die Samen doch aus weit entfernten Regionen in Südamerika und Australien. Der Kauf von Chiasamen ist also immer ein bisschen Glücksspiel: gesunde Inhaltsstoffe gegen mögliche Belastungen.
Die Preise sind dafür allerdings recht hoch. Zwischen 8 und 60 Euro sind je nach Herkunft und vermeintlicher Qualität für ein Kilo Chiasamen zu zahlen. Kein Wunder, dass die kleinen Körner früher mit Gold gleichgesetzt wurden.
Die richtige Zubereitung von Chiasamen
Ja, wie isst man sie denn „richtig“, die Wunder-Samen der Chia-Pflanze? Beim Verzehr solltest du immer bedenken, dass Chiasamen, genau wie Leinsamen, stark quellen oder viel mehr einen Teil ihrer Proteine in eine Art Gelee umwandeln. Daher sollten sie immer zusammen mit Flüssigkeit aufgenommen werden.
Am besten solltest du die Chiasamen aber einweichen, wenn du sie pur essen willst. Über Nacht, mit mindestens der doppelten Menge Wasser (also z.B. ein Löffel Chia Samen, zwei Löffel Wasser, besser mehr) in ein Glas gegeben, entsteht ein Chia-Gelee, das quasi geschmacklos ist und gut verstoffwechselt werden kann.
Einweichen ist nicht notwendig, wenn die Chiasamen zum Frühstück im Müsli oder den Cornflakes landen sollen. Da diese meist mit Milch, Milchersatz oder Saft gegessen werden, ist für ausreichend Flüssigkeit gesorgt. Ebenfalls beliebt als richtiges Powerfrühstück sind Chiasamen in Joghurt eingerührt, entweder eingeweicht oder gleich direkt aus der Packung.
Rezepte mit Chiasamen
Chiasamen sind geschmacksneutral und passen somit zu nahezu allen anderen Zutaten. Als Pseudogetreide können sie fast wie Weizen, Roggen und Co. verwendet werden.
Weil die Ölsaaten aber glutenfrei sind, kann ein Teig nicht mit Mehl allein aus Chiasamen angerührt werden. Durch das fehlende Klebereiweiß würde er einfach zerlaufen. Meist wird daher nur ein Teil des Mehls, beispielsweise für Brot, durch Chiasamen ersetzt.
Für andere Rezepte muss zuerst das Chia-Gelee durch Einweichen hergestellt werden. Das fertige Gelee lässt sich zum Beispiel hervorragend mit Beeren zu einem Smoothie verarbeiten.
Aber auch anderes Obst und Gemüse kann mit dem Getreide zu einem der beliebten kalten Drinks verarbeitet werden. Besonders bei Hitze ist das perfekt – weswegen in der Herkunftsregion Chiasamen mit Obst- oder Gemüsesaft „Iskate“, einer Art natürlichem Energydrink, gemischt werden. Und für die Fans aller süßen Sachen ist Marmelade mit Chiasamen immer eine gute Idee.
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Die Samen als Ei-Ersatz
Speziell für Veganer interessant ist, dass sich Chiasamen als Ersatz für die Eier in Kuchen und Gebäck eignen. Dazu wird erst Chia-Gelee mit relativ viel Wasser hergestellt. Das Gelee hat ähnliche Eigenschaften wie Eiklar, wobei circa 2 Esslöffel ein Ei ersetzen können. Das Chia-Gelee wird einfach ganz normal statt der Eier in den Teig eingearbeitet und anschließend mitgebacken.
Nachhaltigkeit und Chiasamen: „Setzen, Sechs!“
Chiasamen haben, was Umwelt und Nachhaltigkeit betrifft, zwei große Probleme. Das eine sind die langen Transportwege, da sämtliche im Handel zu findende Chiasamen entweder aus Südamerika oder aus Australien stammt.
Das zweite ist die Landwirtschaft der Herkunftsregionen, speziell in Südamerika. Hier gibt es kaum Bio-Kontrollen, bei denen Proben genommen werden. Der Umgang mit Pestiziden, Mineraldüngern und anderen Hilfsmitteln ist relativ locker – Hauptsache, der Ertrag stimmt.
Die Schadstoffbelastung von Boden und Chiasamen ist deswegen vergleichsweise hoch. Durch den geringen Wasserbedarf der Pflanze wird aber zumindest die Trinkwasser-Versorgung nicht übermäßig strapaziert.
Dennoch haben die Samen, bis sie bei uns in kleinen Beutelchen (Vorsicht, Plastikmüll!) im Verkauf landen, bereits einen recht großen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Und über nachhaltigere Anbaumethoden wird derzeit nicht nachgedacht.
Kurzum: Wer nicht nur sich selbst, sondern auch seine Umwelt gesund erhalten will, meidet Chiasamen.
Das Chiasamen als Superfood: Fazit eher ernüchternd
Alles in allem verdienen Chiasamen den Titel „Superfood“ nicht wirklich. Sicher, sie enthalten viel Proteine, ungesättigte Fettsäuren, Mineralstoffe und Antioxidantien, die eine gesundheitliche Wirkung haben könnten – wissenschaftlich bewiesen ist das noch lange nicht.
Und über die richtige Dosis, um überhaupt eine Wirkung feststellen zu können, ist auch noch nichts bekannt. Dafür waren im Test auch Bio-Produkte mit Pestiziden, Mineralölen, Cadmium und Blei kontaminiert, Stoffen, die die Gesundheit erwiesenermaßen schädigen.
Und der Preis für die Ölsaaten aus Mexiko ist auch relativ hoch, genauso wie die Umweltschädigung durch Anbau und Transportwege. Für eine nicht nachgewiesene Wirkung eindeutig zu viele negative Aspekte.
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Leinsamen als Alternative für Chiasamen
Es gibt sie aber, die Alternative zum problematischen Superfood: Leinsamen. Sie wachsen in Deutschland und Österreich, weisen ein ähnliches Fettsäure-Muster wie die Exoten und einen hohen Protein-Anteil auf. Sie bilden, wenn eingeweicht oder kurz aufgekocht, ebenfalls die Schleimstoffe, die den Magen beruhigen und die Verdauung fördern sollen.
Bio-Produkte sind, da sie aus der EU stammen, streng kontrolliert und in der Regel frei von Schadstoffen. Und mit 3 bis 4 Euro pro Kilo auch deutlich billiger. Wer also nicht „hip“ sein will, sondern seine Nahrung mit gesunden Ölsaaten aufbessern möchte, ist mit Leinsamen eindeutig besser dran.
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