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„Man könnte weinen“: Landwirt:innen vernichten ihre Erdbeerernte

Foto: CC0 Public Domain Pixabay

Im Münsterland pflügen Landwirt:innen derzeit ihre Erdbeerfelder um – und zerstören damit die erntereifen Früchte. Ihr Vorwurf: Der Lebensmitteleinzelhandel drücke die Preise, während die Produktionskosten stiegen.

Erdbeer-Landwirt:innen im Münsterland in Nordrhein-Westfalen sind frustriert: Sie zerstören bewusst ihre Erdbeerfelder mit den reifen Früchten oder planen dies zu tun, weil sie unter den niedrigen Preisen im Lebensmittelhandel leiden. Wie der WDR berichtet, lohnt es sich für sie nicht, die Produktion fortzuführen.

Erdbeerbauer Andreas Rahmann aus Coesfeld etwa zerstört ganze Reihen seines Felds, um bald Mais anbauen zu können. Er sagt: „Man könnte weinen – das ist die Arbeit eines Jahres oder sogar mehrerer Jahre. Wenn man das dann kaputt macht, ohne den Nutzen zu haben, ist das schon sehr ärgerlich.“

Der Landwirt prangert die großen Preispannen für den Einzelhandel an, während seine Marge klein sei. Für 500 Gramm Erdbeeren bekäme er derzeit knapp einen Euro und einen Cent vom Einzelhandel. Dadurch müsse er draufzahlen, sagt Rahmann dem WDR. Vermarkte er die Früchte direkt – also verkaufe er sie selbst – bekäme er 4,50 Euro.

Landwirt Rahmann: „Dann müssen wir mehr Geld bezahlen“

Auch Erdbeer- und Spargelbauer Stephan Bäcker aus Münster ist wütend. Er hat auf 20 Hektar Erdbeeren angebaut und geht davon aus, dass er ein Drittel nicht ernten wird. 50 Tonnen Früchte würden dann verschwendet werden.

„Wenn wir Verbraucher weiterhin Erdbeeren aus Deutschland haben wollen, dann müssen wir mehr Geld bezahlen – anders geht es nicht“, sagt Rahmann. Denn der Einzelhandel bevorzuge Billig-Erdbeeren und kaufe sie deshalb aus dem Ausland, aus Spanien oder den Niederlanden, ein, um sie im Discounter unterzubringen.

Erdbeer- und Spargelhof-Inhaber Heiner Lövenich erklärt dem WDR, dass es für ihn ökonomisch aktuell mehr Sinn macht, die Produktion abzubrechen als sie fortzuführen. Lövenich sei so bei einem Teil seiner Spargelernte vorgegangen, da die Preise für die Produkte sonst nicht einmal die laufenden Kosten gedeckt hätten – und die sind wegen der Energiekrise gestiegen. Der größte Kostenfaktor stellt ihm zufolge jedoch die Bezahlung der Erntehelfer:innen dar. Landwirt-Kollege Rahmann sieht das ähnlich. Er will die Supermärkte gar nicht mehr beliefern. Mit den 4,50 Euro pro 500 Gramm Erdbeeren aus der Direktvermarktung könne er auch ohne Weiteres den Mindestlohn für seine 20 Erntehelfer:innen aus Rumänien bezahlen.

Utopia meint: Die Beweggründe der einzelnen Landwirt:innen sind nachvollziehbar, auch wenn die Zerstörung der Ernte nicht die Lösung sein kann und die Frage bleibt, warum die Felder nicht etwa für eine kurze Zeit zum Selbstpflücken freigegeben wurden. Die dahinterstehende Entwicklung legt in jedem Fall ein System offen, das krankt. Schließlich macht es – folgt man der Argumentation der Betroffenen – die Vernichtung von Nahrungsmitteln erforderlich, um ökonomisch zu wirtschaften. Das ist höchst bedenklich, da die Lebensmittelverschwendung in Deutschland ohnehin ein riesiges Problem darstellt. Zur Verschwendung von Nahrungsmitteln zählt nämlich auch die Primärproduktion: Also Lebensmittel, die noch auf dem Acker entsorgt werden.

Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) werden jedes Jahr insgesamt 12 Millionen Tonnen Nahrung entsorgt, die gar nicht erst auf den Tellern der Menschen landen – davon fallen 1.4 Millionen Tonnen in der Primärproduktion an. Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe zufolge dürfte die verschwendete Menge auf den Feldern jedoch zehn Mal höher sein als bisher offiziell erfasst wird. Neben einer strukturellen Veränderung, die es angesichts des aktuellen Misstands braucht, kann es deshalb ratsam sein, dass wir Verbraucher:innen Erdbeeren oder Spargel regional vom Hof der Landwirt:innen kaufen – und auch im Einzelhandel faire Preise dafür bezahlen. Worauf du sonst noch beim Erdbeer-Kauf achten solltest, hat Utopia hier zusammengefasst: Erdbeeren: Wann kaufen? Sind Erdbeeren aus Spanien empfehlenswert?

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