Die Transformationsforscherin Maja Göpel spricht anlässlich ihres neuen Buches über politische und soziale Entwicklung beim Klimaschutz. In einem Interview erklärte sie, warum der Wunsch nach Normalität gerade bei privilegierten Menschen Ausdruck einer anderen Sehnsucht sei.
Die Politökonomin und Transformationsforscherin Maja Göpel stellt in einem Spiegel-Interview ihr neues Buch „Wir können auch anders – Aufbruch in die Welt von morgen“ vor. Anlässlich dessen erklärt sie, was in Deutschland beim Klimaschutz falsch läuft, obwohl in den vergangenen 25 Jahren noch nie so intensiv darüber diskutiert worden sei wie aktuell.
Ein Punkt, der Nachhaltigkeit in den Hintergrund geraten lässt, ist der Angriffskrieg auf die Ukraine – sowie ein Mangelgefühl der Menschen, wie Göpel sagt. „Aus einem Gefühl heraus, dass nicht mehr genug für alle da sei, gibt es dann ein Spektrum an Reaktionen, an deren Enden Verzweiflung oder Verdrängung stehen: Bevor alles zu teuer oder verboten wird, wird noch schnell ein fetter Geländewagen gekauft oder eine ausgedehnte Fernreise gemacht.“ Das Narrativ, die Menschen seien nun mal so, ist laut Göpel daher nicht korrekt. Man könne es sich angesichts des Klimawandels außerdem nicht leisten. Das Narrativ höre die Wissenschaftlerin insbesondere von „sehr privilegierter Menschen„. Ihnen widerspricht Göpel entschieden: „Natürlich ist es bequem, wenn man die eigene Privilegiensicherung zum Normalzustand erklärt.“
Hinter dem Begriff „Normalität“ stehe aus ihrer Sicht die Sehnsucht nach Stabilität. Da es in den nächsten Jahren aber weiterhin große Umbrüche geben werde, sollte mit der Benennung von klaren Zielen eine Erwartungssicherheit geschaffen werden, so Göpel. Damit richtet sie sich vor allem an die Politik. „Sie sollte Rechenschaft auf diese Zielerreichung ablegen. Weder die ökonomische Unwägbarkeit, noch die ökologische Krise werden wir ohne mutige, langfristig angelegte politische Gestaltung in den Griff bekommen“, sagt Göpel dem Spiegel.
„Der soziale Wandel im Kleinen treibt den Wandel im Großen voran“
Die Politik sei verantwortlich für die „Sicherung des Gemeinwohls“ und müsse Regeln ändern, wenn beschlossene Veränderungen nicht von allein passieren. Das bedeute aber nicht, dass einzelne Personen zu klein seien, um eine Rolle zu spielen. Göpel ist überzeugt, dass „erst der soziale Wandel im Kleinen den Wandel im Großen vorantreibt“. Sie appelliert daher an Verbraucher:innen, jeden individuell möglichen Schritt zu gehen. Diese wiederum könne dazu führen, dass sich Mehrheiten in Demokratien verschieben.
Die Transformationsforscherin verweist darauf, dass in repräsentative Demokratien wie Deutschland gesellschaftliche Veränderungsprozesse durch Mehrheiten entschieden werden. Dies gelte daher auch für neue Weichenstellungen bei Thema Klimawandel oder Energieversorgung. Göpel erklärt, sie könne sich nicht an ein anderes Feld der Politik erinnern, in dem gesagt werde, es müsse ein übergreifender Konsens in der Gesellschaft herrschen, bevor agiert werden kann. Dem Vorwurf, alles andere sei Planwirtschaft, entgegnet die Politökonomin: „Meiner Meinung nach ist es eher Planwirtschaft, wenn vier bis fünf Energie-, Agrar- oder Digitalkonzerne 70 Prozent eines Marktes unter sich aufteilen.“ Dabei sei für sie Intervention durch den Staat nicht Planwirtschaft, sondern das Gegenteil: „Ein Wiederherstellen marktbasierter Innovationskräfte und fairen Wettbewerbs.“
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