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Agrarökologie: Landwirtschaft der Zukunft?

agrarökologie
Foto: CC0 / Pixabay / nguyenkhacqui

Der Begriff „Agrarökologie“ taucht spätestens seit dem Weltagrarbericht 2008 immer wieder auf. Wir erklären dir, was dahinter steckt und weshalb viele die Agrarökologie als Landwirtschaft der Zukunft sehen.

In der Wissenschaft gibt es den Begriff der Agrarökologie seit den 1930er Jahren. Damals bezeichnete er die Erforschung der Wechselwirkungen zwischen Landwirtschaft und umliegender Natur. Inzwischen hat sich Agrarökologie zu einem umfassenden landwirtschaftlichen Konzept ausgeweitet, das weit mehr beinhaltet als nur Ökologie.

Die zentralen Ziele der Agrarökologie

Die ökologische Landwirtschaft ist ein zentraler Bestandteil der Agrarökologie – agrarökologisch wirtschaftende Bäuer*innen verzichten beispielsweise auf Gentechnik und synthetische Pestizide. Darüber hinaus spielen jedoch viele weitere Punkte eine Rolle, die der BUND aufzählt:

  • Kombination verschiedener Pflanzen
  • Förderung von Biodiversität und einem gesunden Boden
  • regionale Vermarktung der Lebensmittel
  • unabhängige Gemeinden und Bäuer*innen, die über Land, Wasser, Saatgut und Wissen verfügen
  • kleinbäuerliche Strukturen
  • Gleichberechtigung von Bauern und Bäuerinnen
  • lokale Gemeinden gestalten ihre Landwirtschaft und ihr Lebensmittelsystem selber und werden auch in die landwirtschaftliche Forschung einbezogen

Die Agrarökologie stellt also lokale Gemeinden und unabhängige Kleinbäuer*innen mit ihrem Wissen und ihrem soziokulturellen Hintergrund in den Mittelpunkt. Das bedeutet auch, dass agrarökologische Konzepte je nach Region ganz unterschiedlich aussehen können. Sie verfolgen jedoch alle die Ziele einer ökologischen Landwirtschaft und Ernährungssouveränität.

Agrarökologie und Ökolandbau – ist das das gleiche?

Diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten – denn für beide Konzepte gibt es vielfältige Umsetzungsmöglichkeiten. Sowohl große, industrielle Betriebe können Ökolandbau betreiben als auch kleine, die biodynamisch wirtschaften. Die EU-Rechtsvorschrift zum Ökolandbau macht einige grundlegende Vorgaben, beispielsweise verbietet sie chemisch-synthetische Pestizide und gentechnisch veränderte Organismen und mahnt zu einer abwechslungsreichen Fruchtfolge. Doch es bleibt relativ viel Spielraum.

Wie die Agrarwissenschaftlerin Andrea Beste schreibt, ist die Situation bei der Agrarökologie noch komplizierter – denn „Agrarökologie“ ist kein geschützter Begriff. Es gibt weder verbindlichen Richtlinien noch Zertifikate für agrarökologisch wirtschaftende Betriebe. Folglich können sogar Zusammenschlüsse von Agrochemiekonzernen wie „Croplife“ die Agrarökologie für sich beanspruchen.

Grundsätzlich ist Beste jedoch der Ansicht, dass sowohl der Ökolandbau als auch die agrarökologische Bewegung in der Mehrheit die gleichen oben stehenden Ziele verfolgt.

Beispiele für Agrarökologie

Agrarökologie beinhaltet die lokale Vermarktung von Lebensmitteln.
Agrarökologie beinhaltet die lokale Vermarktung von Lebensmitteln.
(Foto: CC0 / Pixabay / Free-Photos)

Staatliche Unterstützung für Agrarökologie gibt es weltweit kaum. Eine Ausnahme bildet dem BUND zufolge Brasilien (zumindest bis zum Regierungsantritt Bolsonaros): Dort gab es weltweit das einzige Regierungsprogramm zur Förderung agrarökologischer Strukturen. Der Staat investierte über die Dauer des Programms etwa 300 Millionen Euro, um die Lebenssituation von Kleinbäuer*innen und (indigenen) ländlichen Gemeinden zu verbessern. Beispielsweise bekamen die Bäuer*innen Schulungen in Agrarökologie, Zisternen wurden errichtet und gesundes, nachhaltiges Schulessen gefördert.

Häufig stehen Länder des globalen Südens im Mittelpunkt der Diskussion um Agrarökologie. Doch auch in Europa gibt es agrarökologisch wirtschaftende Betriebe – obwohl die EU nach wie vor mit ihrer Gemeinsamen Agrarpolitik vor allem flächenbezogene Subventionen verteilt. Der BUND nennt als Beispiel die Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft Landwege, eine Vereinigung von etwa 30 Bio-Höfen im Umkreis von 100 Kilometern um Lübeck. Die Landwirt*innen erhalten in der Region eine kleinbäuerliche ökologische Landwirtschaft und profitieren davon, dass sie ihre Erzeugnisse regional vermarkten können. Die Verbraucher*innen wiederum bekommen Zugang zu frischen, regionalen Bio-Lebensmitteln.

Agrarökologie: Landwirtschaft der Zukunft?

Die Verfasser*innen des Weltagrarberichts 2008 kamen zu dem Schluss, dass es mit der Landwirtschaft nicht so weiter gehen kann wie bisher und es eine grundlegende Neuausrichtung braucht. Auch der BUND und das Bischöfliche Hilfswerk Misereor sind der Auffassung, dass die industrielle Landwirtschaft mit großen Betrieben, Gentechnik, Monokulturen und Pestiziden an ihre Grenzen gestoßen ist. Sie sehen die industrielle Landwirtschaft als Verursacherin zahlreicher Probleme unserer Zeit wie hohe Treibhausgasemissionen, Verschlechterung der Böden, Artensterben, Land Grabbing und einem Gegensatz von Milliarden Übergewichtigen und Mangel- sowie Unterernährten.

Viele Kritiker*innen der industriellen Landwirtschaft sehen als einzige Möglichkeit, diese Probleme zu lösen, eine Agrarwende hin zur Agrarökologie. Verschiedene Studien unterstützen die Auffassung, dass Agrarökologie nicht nur die Lebenssituation von Kleinbäuer*innen verbessert, sondern sogar die Produktivität steigern kann.

Misereor hat dies beispielsweise zusammen mit Partnerorganisationen in drei Regionen in Brasilien, im Senegal und in Indien untersucht. Die regionalen Organisationen unterstützten jeweils etwa 200 kleinbäuerliche Betriebe in der Umsetzung agrarökologischer Konzepte. In Brasilien zum Beispiel förderte die Organisation Agroforstsysteme – also Mischungen von Bäumen oder Sträuchern und Nutzpflanzen oder Viehhaltung.

Anhand von ähnlich großen Vergleichsgruppen (also Kleinbäuer*innen ohne agrarökologischem Ansatz) untersuchte Misereor die Auswirkungen der Agrarökologie und stellte fest, dass das Einkommen der agrarökologisch wirtschaftenden Bäuer*innen signifikant anstieg. Zudem hatten sie im Schnitt mehr und vielfältigere Lebensmittel zur Selbstversorgung zur Verfügung. Auch die Produktivität nahm zu.

Agrarökologie hat viel Potential – aber auch Grundvoraussetzungen

Nur Kleinbäuer*innen mit Zugang zu Land, Wasser und Saatgut können agrarökologisch wirtschaften.
Nur Kleinbäuer*innen mit Zugang zu Land, Wasser und Saatgut können agrarökologisch wirtschaften.
(Foto: CC0 / Pixabay / Myriams-Fotos)

Wie die Milchbäuerin und Grünen-Abgeordnete Maria Heubuch im Europäischen Parlament schreibt, ist sich die Wissenschaft uneins darüber, ob 100 Prozent Agrarökologie möglich und notwendig sind. Einige plädieren dagegen dafür, agrarökologische Konzepte an der Seite von konventionellen Techniken zu verbreiten. Kritiker*innen glauben, dass hierdurch die Methode verwässert wird und die Macht der großen Agrarkonzerne erhalten bleibt.

Klar ist, dass es (neben Wissen) gewisse Grundvoraussetzungen braucht, damit Kleinbäuer*innen agrarökologisch wirtschaften können – sie brauchen Zugang zu:

  • Land,
  • Wasser
  • und Saatgut.

Diese Grundvoraussetzungen sind jedoch in vielen Regionen stark gefährdet. Sie wieder herzustellen und zu erhalten wäre deshalb ein wichtiger erster Schritt hin zu einer Agrarwende.

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