In Handys sind zahlreiche wertvolle Metalle verbaut, zum Beispiel Gold und Nickel. Doch alte Modelle landen meist in Schubladen und werden nicht recycelt. Ein Team aus Forscherinnen hat den Wert solcher ausrangierter Geräte geschätzt.
Derzeit liegt in den deutschen Schubladen ein wahrer Goldschatz – nämlich rund 200 Millionen Smartphones. Laut einer Untersuchung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) von 2020 enthalten diese unter anderem rund 3,4 Tonnen Gold, 1300 Tonnen Kupfer und 520 Tonnen Nickel.
Forscherinnen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln errechneten in einem am Montag veröffentlichten Bericht, dass der Wert des Metalls der ungenutzten Handys rund 240 Millionen Euro beträgt. Mit Blick auf den Materialwert der im Jahr 2021 verkauften Smartphones von 23,5 Millionen Euro könnten demnach die Schubladenhandys den Materialbedarf für neue Smartphones für über zehn Jahre decken. Die Autorinnen schränken die Berechnung allerdings selbst ein: Die Realität sehe anders aus, „da nicht alle Schubladenhandys dem Recycling zugeführt werden und außerdem komplett recycelbar sind“.
Urban Mines: In Handys stecken wertvolles Gold, Nickel und Kupfer
Die Schubladenhandys zählen zur sogenannten urbanen Mine. Sie beschreibt im Gegensatz zur klassischen Rohstoffmine die menschengemachten Rohstoffvorkommen: „Alle Güter, die wir Menschen jemals geschaffen haben“, erklärt Britta Bookhagen von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Diese sogenannten anthropogenen Lager umfassen etwa Brücken, Autos, Häuser, Waschmaschinen – und eben auch Smartphones. Aus den Handys lassen sich zum Beispiel Gold, Kupfer und Nickel gewinnen, aus Autos und Brücken vor allem Stahl.
Hat das Smartphone ausgedient, landet es oft in der Schublade – „kann man ja immer noch einmal gebrauchen“. Rund 210 Millionen Alt-Handys lagerten im vergangenen Jahr nach Angaben des Digitalverbandes Bitkom in Haushalten in Deutschland. 87 Prozent der Bürger:innen verfügten demnach über mindestens ein ausrangiertes Handy. Seit 2015 habe sich diese Zahl mehr als verdoppelt.
„Abgebaut“ wird in der urbanen Mine nicht mit Schaufelradbagger und Spitzhacke, sondern durch Recycling – und somit ist es bis zu einem gewissen Teil auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sagt die Geologin Bookhagen. Sie stellt aber klar: „Urban Mining bezieht sich auf Produkte am Ende ihres Lebens.“ Erst wenn alle anderen Wege, etwa reparieren oder weiterverkaufen, ausgeschöpft sind, geht es ums Recycling – „bitte nicht in die Schublade“, sagt Bookhagen.
240 Millionen Euro: Wertvolle Rohstoffe lassen sich nicht ohne weiteres nutzen
In Handys, Autos und anderen Geräten stecken also viele wertvolle Rohstoffe. Doch es gibt einige Hindernisse, die es erschweren, die verbauten Metalle zu nutzen. „Es ist sehr schwer abzuschätzen, welche Rohstoffe wie und wann zu uns zurückkommen“, erklärt Britta Bookhagen. Zum einen sei gar nicht klar, etwa wie viel Stahl oder Aluminium vor 50 Jahren in einem Auto oder einer Waschmaschine verbaut worden sei, noch wie das am sinnvollsten zurückzugewinnen sei und aufbereitet werde. Notwendig sei hier eine bessere Datenlage. „Fest steht: Das urbane Lager wächst und hat einen hohen Wertstoffgehalt.“
Das Gewinnen von Rohstoffen aus der urbanen Mine hat viel Potenzial, um unabhängiger von Rohstoffimporten und von steigenden Kosten zu werden, sagt auch Bookhagen. Deutschland und Europa seien im Vergleich zu anderen Teilen der Welt gut dabei. „Aber man darf nicht vergessen: Selbst wenn wir alles aus der urbanen Mine herausholen könnten, würde das unseren Rohstoffbedarf nicht decken“, so die Expertin weiter. Dafür sei der Rohstoffhunger zu groß.
Deutschland ist abhängig von Rohstoffimporten
Bei der strategischen Betrachtung der urbanen Mine spiele es zunächst keine Rolle, „ob die Güter noch aktiv genutzt und erst in absehbarer Zukunft freigesetzt werden oder ob sie bereits das Ende ihres Nutzungshorizonts erreicht haben“, schreibt das Umweltbundesamt (UBA) auf seiner Webseite. Gerade Metalle und Baumineralien verblieben oftmals lange Zeit in Infrastrukturen, Gebäuden und Gütern des täglichen Gebrauchs. „Über Jahrzehnte hinweg haben sich auf diese Weise enorme Materialbestände angesammelt, die großes Potenzial als zukünftige Quelle für Sekundärrohstoffe bergen.“
Rund 1,3 Milliarden Tonnen an Materialien setzt die deutsche Volkswirtschaft nach UBA-Angaben jährlich im Inland ein – hier sind sowohl Produkte wie Autos als auch reine Rohstoffe mitgezählt. Vor allem bei Metall- und Energierohstoffen ist die Bundesrepublik dabei stark von Importen abhängig, wie aus dem jüngsten Rohstoffsituationsbericht der BGR von Dezember hervorgeht. Besonders bei neu gewonnenen Metallen ist Deutschland dabei so gut wie vollständig importabhängig.
Bundesregierung arbeitet an Urban-Mining-Strategie
Aber: Die Rohstoffe auf der Welt sind endlich, der internationale Wettbewerb wächst, die Kosten steigen – ebenso wie der Belastungsdruck auf Naturräume und ihre Ökosysteme. Wiederaufbereitung von etwa Metallen oder Baumaterialien kann daher dazu beitragen, die natürlichen Ressourcen der Erde zu schonen – und dabei auch Treibhausgasemissionen, Grundwasserbeeinträchtigung und Biodiversitätsverlust zu reduzieren, sagt Felix Müller, beim Umweltbundesamt für das Thema Urban Mining zuständig.
Und ein Ausbau hilft nicht nur der Umwelt: „Die Vision ist, unabhängiger von Rohstoffimporten zu werden, vielmehr sollten wir mit der sekundären Gewinnung zu veritablen Rohstoffproduzenten werden. So können wir auch ein neues wirtschaftliches Feld erschließen“, sagt Müller. Mit rund 550 Millionen Tonnen Material pro Jahr werden ihm zufolge die anthropogenen Lager Deutschlands angereichert.
Der Experte sagt: „Solange die Materialbestände so stark wachsen, sind wir von einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft noch weit entfernt. Aber das wachsende Lager birgt das immense Potenzial, Stoffkreisläufe in Zukunft weitaus besser zu schließen als uns dies bislang gelingt. Dafür müssen wir jetzt die Weichen stellen und Rahmenbedingungen anpassen.“ Derzeit werde daher auch von der Bundesregierung an einer nationalen Urban-Mining-Strategie gearbeitet.
Handys recyceln: So geht’s
Wer selbst ein altes Handy in einer Schublade lagern hat, sollte es rausholen und weitergeben. Funktioniert das Gerät noch, lohnt es sich eventuell, das Handy zu verkaufen oder zu spenden. Auf diese Weise kann das Gerät weiter genutzt und Ressourcen geschont werden. Gute Anlaufstellen stellen wir hier vor:
- Altes Handy spenden: Mit diesen Organisationen tust du Gutes
- Gebrauchte Handys verkaufen und kaufen: So geht’s
Ist das Gerät kaputt, sollte man es recyceln lassen. Diverse Anbieter nehmen Handys und Smartphones zu diesem Zweck an, darunter der NABU. Viele Umweltschutzorganisationen haben auch Sammelboxen aufgestellt, zum Beispiel an Schulen oder in Kirchengemeinden. Auch an Recyclinghöfen und in größeren Geschäften für Elektrogeräte kann man alte Handys kostenfrei abgeben.
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