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Bergmannsche Regel: Schrumpfen Menschen, um mit der Klimakrise umzugehen?

Haben kleinere Menschen bessere Chancen durch die Klimakrise zu kommen?
Foto: CC0 / Pixabay / terimakasih0

Könnte es für kleinere Menschen einfacher sein, die Klimakrise zu überstehen? Ja, sagt ein Paläontologe mit einer unkonventionellen Theorie zur sogenannten Bergmannschen Regel. Wir erklären dir die Zusammenhänge.

Der Klimawandel betrifft uns alle und ist keineswegs ein Phänomen der letzten Jahrzehnte. Vielmehr geht aus einer Zusammenfassung des Umweltbundesamtes hervor, dass der menschengemachte Klimawandel bereits mit der beginnenden Industrialisierung einsetzte. Schon damals beeinflussten die Menschen die klimatischen Bedingungen auf der Erde durch ihren Lebensstil.

Wie das Umweltbundesamt weiter berichtet, erwärmt sich das Klima gegenwärtig sehr schnell, möglicherweise zu schnell, als dass sich die Menschen sowie die Tiere und Pflanzen an die veränderten Bedingungen anpassen könnten. Mittelfristig wäre das Leben vieler Pflanzen- und Tierarten sowie der menschlichen Gesellschaft bedroht.

Den Folgen des Klimawandels, also Extremwetterereignissen wie Dürreperioden, Hitzesommer und steigenden Durchschnittstemperaturen könnten kleinwüchsigere Menschen und Säugetiere möglicherweise besser gewachsen sein. Diese Thesen, auf die wir nachfolgend genauer eingehen, stellte der Paläontologe Steve Brusatte auf.

Klimawandel und kleine Säugetiere: Gilt die Bergmannsche Regel?

Der Bergmannschen Regel zufolge wären Warmblütler in wärmeren Gebieten kleinwüchsiger als ihre Verwandten in kalten Regionen.
Der Bergmannschen Regel zufolge wären Warmblütler in wärmeren Gebieten kleinwüchsiger als ihre Verwandten in kalten Regionen.
(Foto: CC0 / Pixabay / Pexels)

Der Evolutionsbiologe Steve Brusatte von der University of Edinburgh gilt als renommierter Experte auf seinem Gebiet, der bereits eine Publikation mit dem Titel The Rise and Reign of the Mammals (Aufstieg und Herrschaft der Säugetiere) veröffentlichte. In seinen Schriften nimmt er auf die sogenannte „Bergmannsche Regel“ Bezug. Diese besagt, dass Warmblüter, die in kälteren Gegenden lebten, größer werden als Verwandte in wärmeren Gebieten.

Eine mögliche Erklärung von Brusatte: Mit einer größeren Hautoberfläche im Verhältnis zum Körpervolumen können die Tiere mehr Körperwärme über die Haut abgeben als größere Verwandte und so ihre Körpertemperatur besser regulieren. Wie Brusatte in einem Interview mit dem Guardian betont, sei eine kleinere Größe ein „üblicher Weg, wie Säugetiere mit dem Klimawandel umgehen“.

Weiterführend vergleicht der Wissenschaftler in seiner These die momentane Situation der rasch voranschreitenden Erderwärmung mit dem Temperaturmaximum vor 56 Millionen Jahren. Auswertungen aus geologischen Daten ergeben, dass beispielsweise die Population der Vorfahren der heutigen Pferde in einer Zeitspanne von 130.000 Jahren um 30 Prozent schrumpfte, ehe sie sich in der anschließenden Kältephase wieder erholte.

Steve Brusatte zieht Parallelen zur Menschheitsgeschichte

In der Entwicklungsgeschichte der Menschen vermutet der Wissenschaftler ebenfalls Gemeinsamkeiten. Er nennt dabei eine Menschenart namens Homo floresiensis, die auf der indonesischen Insel Flores lebte. So hätte diese Menschenart im Tropenwald im Vergleich zu ihren Vorfahren, den 1,80 Meter großen Homo erectus, rund einen Meter Körpergröße verloren.

Unterstützung für seine These bekommt er aus wissenschaftlicher Sicht beispielsweise von einer 2021 im „Nature Communications“ publizierten Studie: Ihren Ergebnissen zufolge wirke sich die Temperatur unter anderem auf die Größe der Menschen aus.

Ist die Bergmannsche Regel hier relevant?

Die von Steve Brusatte aufgestellte Theorie ist wissenschaftlich kritisch zu bewerten. Denn es gibt in Bezug auf die von ihm gestellten Parallelen mittlerweile Zweifel darüber, ob der erwähnte Homo floresiensis wirklich vom Homo erectus abstamme. Forschende, die im Rahmen ihrer Arbeit die Skelette der kleinwüchsigen Frühmenschen analysierten, fanden Ähnlichkeiten zum Homo habilis, einer Art Frühmensch, die vor rund zwei Millionen Jahren in Afrika gelebt haben soll.

Auch in Bezug auf die Inselhypothese ist eine Menge unklar: So machen einige Wissenschaftler:innen eher das eng begrenzte Ökosystem auf der Insel für die Kleinwüchsigkeit verantwortlich.

Skepsis äußerte auch der Paläontologe Adrian Lister vom Londoner Natural History Museum. Gegenüber dem Guardian äußerte er, dass der Zusammenhang zwischen Temperaturen und der menschlichen Körpergröße eher schwach sei. Auch bei Tieren sei die geringe Körpergröße eher mit anderen Faktoren, etwa Nahrungsmittelverfügbarkeit, erklärbar.

Wie der Experte weiter ausführt, könnte das von Brusatte geschilderte Szenario erst eintreten, wenn sich große Menschen während der Klimaerwärmung nicht mehr fortpflanzen könnten oder wollten. Dies sei aber unwahrscheinlich, da der Mensch nicht wirklich der natürlichen Selektion unterliege und Erfindungen wie Kleidung, Heizungen und Klimaanlagen dem Hitzetod entgegenwirken.

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