Nach wie vor begegnet uns die riskante Chemikalie Bisphenol A (BPA) in vielen Alltagsgegenständen und auch Lebensmitteln, wie Tests von Stiftung Warentest und Öko-Test zeigen. Studien deuten darauf hin, dass die Chemikalie in deutlich kleineren Mengen gefährlich sein könnte als bisher angenommen. Utopia erklärt, worauf du achten solltest und wie sich BPA vermeiden lässt.
Bisphenol A (BPA) gehört zu den Chemikalien, die sich im Alltag sehr schwer vollständig vermeiden lassen: Es steckt zum Beispiel in Vesperboxen, Wasserkochern, Trinkflaschen und Küchenschüsseln. Aber auch in Konservendosen.
Die Stiftung Warentest hat 58 Lebensmittel aus Konservendosen auf Bisphenol A hin untersucht – und zwar Kokosmilch, Kondensmilch, Erbsen und Möhren, Tomaten, Eintöpfe, Suppen und Thunfisch. In 51 Lebensmitteln konnten sie die Chemikalie nachweisen.
Auch der Test von Mais-Konserven von Öko-Test (Juli 2024) zeigt bei allen Dosen BPA-Werte, die Öko-Test als „stark erhöht“ einstuft.
Im vergangenen Jahr hat der Test von geschälten Tomaten (Öko-Test, Juli 2023) bei 18 untersuchten Dosentomaten ebenfalls stark erhöhte BPA-Werte gezeig
Bisphenol A: Grenzwert wurde um Faktor 20.000 gesenkt
Lange Zeit war von Bisphenol A nicht mehr viel zu hören, nachdem 2011 die Herstellung von Babyflaschen aus Polycarbonat mit BPA verboten wurde und das Verbot 2018 auf Trinkflaschen und -gefäße für Babys und Kinder ausgeweitet wurde – bis vergangenes Jahr. Seit April 2023 gibt es eine neue Einschätzung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).
Das Ergebnis: Aufgrund aktueller Studien kam die EFSA zu dem Schluss, dass BPA in viel kleineren Mengen als bisher gedacht gefährlich für den Menschen sein kann. Im April 2023 hat sie eine Neubewertung veröffentlicht und den in ihrer früheren Bewertung (2015) festgelegten Wert für die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (Tolerable Daily Intake – TDI) von BPA gesenkt. Und zwar deutlich: um den Faktor 20.000.
Beim TDI-Wert handelt es sich um die Menge an Bisphenol A, die im Laufe eines Lebens täglich aufgenommen werden kann, ohne dass ein nennenswertes Gesundheitsrisiko besteht.
- EFSA-Empfehlung von 2015: 4 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag
- EFSA-Empfehlung von 2023: 0,2 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag
Das bedeutet: Der TDI-Wert ist jetzt etwa 20.000 Mal niedriger als zuvor.
Für die Neubewertung wurden laut EFSA unter anderem 800 neue Studien berücksichtigt.
In Deutschland ist das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) für die Bewertung von Schadstoffen aus Lebensmittelverpackungen zuständig. Das BfR schlägt im Gegensatz zur EFSA einen höheren TDI von 0,2 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag vor. Dem BfR zufolge mangele es an aktuellen Daten über die Höhe der BPA-Belastung in der Bevölkerung.
An welchem Wert soll man sich künftig orientieren? Für die Tester:innen von Öko-Test ist die Antwort klar: „Öko-Test orientiert sich am TDI der EFSA. Der Wert gründet ja auch auf konkreten wissenschaftlichen Erkenntnissen zum toxikologischen Risiko-Potential des Stoffes.“ Auch Stiftung Warentest hat sich an diesem Wert orientiert.
Was ist Bisphenol A überhaupt?
Bisphenol A (BPA) ist eine Chemikalie, die bei der Herstellung des Kunststoffs Polycarbonat und von Epoxid-Kunstharzen verwendet wird. Diese Harze werden für die Innenbeschichtung von Getränke- und Konservendosen verwendet. Die Industriechemikalie gehört zu den weltweit am häufigsten verwendeten synthetischen Chemikalien.
Das Problematische an Bisphenol A ist, dass es von Verpackungen an Lebensmittel abgegeben wird und sich beim Erwärmen und Erhitzen aus Kunststoffen löst und so in unsere Nahrung gelangt.
Wie gefährlich ist BPA?
BPA gilt als eine Art hormoneller Schadstoff, da er eine östrogen-ähnliche Wirkung hat und den Hormonhaushalt verändert. Die Europäische Chemikalienagentur hat Bisphenol wegen seiner hormonähnlichen Wirkungsweise als „besonders besorgniserregende Substanz mit hormonell schädigenden Eigenschaften“ identifiziert.
Gefährlich ist BPA insbesondere in sensiblen Lebensphasen, wie beispielsweise in der Schwangerschaft. Die Wirkung von BPA wird in Zusammenhang mit Störungen der Entwicklung von Mädchen und Jungen gebracht (Frühreife), mit Verhaltensstörungen bei Kindern, aber auch mit einer reduzierten Spermienzahl, Impotenz und Unfruchtbarkeit. Zudem steht BPA im Verdacht, Brustkrebs und Übergewicht zu befördern und das Immunsystem negativ zu beeinflussen.
Wo kann Bisphenol A überall enthalten sein?
Bisphenol A steckt in vielen Alltagsprodukten, zum Beispiel in:
- Kunststoffartikeln wie Verpackungen, Plastikgeschirr, Trinkflaschen und Spielzeug
- Getränke- und Konserven-Dosen (wenn sie an der Innenseite mit Epoxidlack beschichtet sind)
- Lebensmittel-Verpackungen (z.B. von Fast Food)
- Zahnfüllungen (auch bei der Herstellung von Kunststoff-Zahnfüllungen und Versiegelungsmassen (= zahntechnische Komposite) werden Stoffe verwendet, die Bisphenol A bei oder nach einer Zahnbehandlung freisetzen können)
- CDs, DVDs und Blu-rays
Gut zu wissen: Viele Produkte für Säuglinge und Kleinkinder (z.B. Schnuller und Babyflaschen) sind mittlerweile per Gesetz BPA-frei. Auch in Kassenbons ist BPA inzwischen verboten. Hier sind jedoch viele Hersteller auf Bisphenol S (BPS) und Bisphenol F (BPF) umgestiegen. Auch diese Bisphenole sind hormonell wirksam. Am besten lehnst du deshalb (weiße) Papierbelege beim Einkauf ab. In den blauen Kassenbons steckt keines der Bisphenole.
Nicht industrie-finanzierte Studien haben BPA in Luft, Staub, Oberflächengewässern und Meerwasser nachgewiesen, aber auch in Obst aus Treibhäusern und in Trinkwasser aus Kunststofftanks. Bei Menschen findet man BPA in Blut, Urin, Fruchtwasser, Gebärmuttergewebe – die höchsten Belastungen haben alle Studien bei Kindern gefunden.
So kannst du BPA meiden: 10 Tipps
- Kaufe Lebensmittel am besten frisch und vermeide Plastikverpackungen, wann immer es geht. Hier 14 Tipps, um Verpackung im Supermarkt zu vermeiden.
- Meide Lebensmittel aus Dosen. Als besonders belastet gelten laut einer Studie des CVUA (Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart) Kokosmilch, Fleisch, Wurst, Eintöpfe und Fertiggerichte. Stiftung Warentest konnte verhältnismäßig hohe BPA-Gehalte in Suppen und Eintöpfen nachweisen. Wenn du Dosen kaufst: Fülle Lebensmittel aus offenen Konservendosen in Glas-, Keramik- oder Edelstahlbehältern um.
- Lagere Lebensmittel am besten in Glas-, Keramik- oder Edelstahlbehältern. Lies dazu auch unseren Beitrag: Plastikfrei leben: 12 erstaunliche Ideen für leere Schraubgläser
- Erhitze Lebensmittel grundsätzlich nicht in Kunststoffbehältern. Wer Lebensmittel zwingend in Kunststoffbehältern lagern möchte, sollte sie vorher abkühlen lassen.
- Beim Kauf von Kunststoffdosen, Trinkflaschen und Plastikgeschirr auf den Hinweis „BPA-frei“ bzw. „BPA free“ achten.
- Bei Kontakt mit Lebensmitteln sollte man die „sichereren“ Kunststoffe bevorzugen: Polyethtylen (abgekürzt: PE) oder Polypropylen (abgekürzt: PP).
- Polycarbonat meiden: Hinter dem Kunststoff mit dem Reyclingcode 7 (abgekürzt: RE 7) verbirgt sich häufig Polycarbonat (abgekürzt: PC), das Bisphenol A enthält.
- Vor der Zahnbehandlung nachfragen, ob Kunststofffüllungen oder Versiegelungsmaterial Bisphenol A enthalten. Frage dann nach alternativen Materialien.
- Bei der Zubereitung von Babynahrung: Auf keinen Fall heißes Wasser in Kunststoffflaschen geben oder Babynahrung in Kunststoffgefäßen erhitzen.
- Auf Babynahrung in durchsichtigen, harten Kunststoffbehältern, deren Kunststoffart nicht angegeben ist oder die mit „PC“ (für Polycarbonat) gekennzeichnet sind, verzichtest du besser.
Mit Glasflaschen bist du auf der sicheren Seite. Glas ist die optimale Verpackung für Lebensmittel, da es undurchlässig ist und sich produktneutral verhält. Deshalb wird auch Babynahrung ausschließlich in Gläsern angeboten. Für den Transport von Getränken werden zudem Glasflaschen mit bruchsicheren, schützenden Ummantelungen angeboten.
Auch unbeschichtete Trinkflaschen und Brotdosen aus Edelstahl sind frei von BPA und anderen Schadstoffen.
Verzicht auf Bisphenol A ist möglich
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) weist darauf hin, dass ein Verzicht auf BPA durchaus möglich ist und andere Länder hier schon weiter sind: „Japan bietet bereits seit über 20 Jahren BPA-freie Konserven an. In Frankreich gilt seit 2015 ein Verbot für Bisphenol A in allen Materialien, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen.“
Quellen: Umweltbundesamt / Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) / BUND / Öko-Test
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