"Der Supermarkt-Kompass" nimmt Lesende mit auf einen Rundgang durch deutsche Supermärkte: Vom Gemüse bis zum Snackregal führt Autor Thilo Bode "Qualitätschecks" durch, vermittelt Hintergrundwissen – und hinterfragt die Macht der Verbraucher:innen.
Thilo Bode ist Wirtschaftswissenschaftler und Gründer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Er hat bereits mehrere kritische Bücher zur Lebensmittelindustrie, aber auch zu anderen Themen veröffentlicht – zuletzt etwa „Die Diktatur der Konzerne“ (2018) über die Macht globaler Konzerne wie Google oder Bayer.
Bodes aktuelles Buch ist „Der Supermarkt-Kompass“ und setzt sich erneut mit der Lebensmittelindustrie und ihren problematischen Aspekten auseinander. Der Schwerpunkt liegt diesmal auf dem Angebot deutscher Supermärkte. Im Zentrum stehen dabei „die allmächtigen Vier“, wie Bode sie nennt: Die Supermarktketten Aldi, Lidl, Edeka und Rewe. Das Buch nimmt verschiedene Lebensmittelkategorien unter die Lupe und untersucht sie auf Faktoren wie ökologische Nachhaltigkeit, faire Bedingungen und Transparenz entlang der Handelsketten und Gesundheitsverträglichkeit – oft mit wenig erfreulichen Ergebnissen.
Darüber hinaus nimmt „Der Supermarkt-Kompass“ auch das Konsumverhalten der Verbraucher:innen in den Blick und hinterfragt, ob ihre Kaufentscheidungen wirklich einen nennenswerten Einfluss auf das Warenangebot haben. Letztlich kommt Bode zum Schluss, dass eine grundlegende Reform des Lebensmittelmarktes überfällig ist.
Bodes "Kompass" ist aufgebaut wie ein Supermarktrundgang
In seiner Struktur ist „Der Supermarkt-Kompass“ sehr eingängig und ähnelt tatsächlich einem Rundgang durch die verschiedenen Abteilungen eines Supermarkts. An jeder Station führt Bode einen ausführlichen „Qualitätscheck“ durch. Im Anschluss fasst er in einer übersichtlichen Infobox die wichtigsten Fakten zu den jeweiligen Lebensmitteln zusammen. Solche zusammenfassenden Boxen gibt es aber auch zu wichtigen Allgemeinbegriffen wie etwa zu Bio-Qualität, Gentechnik oder Pestiziden.
In den Infoboxen zu einzelnen Lebensmitteln kommt der Autor unter anderem auf Transparenz im Herstellungsprozess, den ökologischen Fußabdruck, mögliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und empfehlenswerte Bio-Alternativen zu sprechen. Abschließend führt die Kategorie der „Wahlfreiheit“ vor Augen, welche Auswahlmöglichkeiten Konsument:innen beim Kauf der Lebensmittel tatsächlich haben. Oft gelangt Bode dabei zu dem ernüchternden Urteil, dass lediglich eine „Schein-Wahlfreiheit“ bestehe: Das Angebot sei zwar vielfältig, durch fehlende Informationen und irreführende Bezeichnungen werde häufig aber gar nicht klar, welche Produkte tatsächlich ökologisch nachhaltig und gesundheitlich unbedenklich seien.
Der Supermarktrundgang beginnt mit Brot und Brötchen aus der Supermarktbäckerei. Bode weist hier vor allem auf die vielen Zusatzstoffe hin, die in industriellen Backwaren enthalten sind und spricht sarkastisch von „Alchemie in der Backstube“. Danach geht es weiter in die Obst- und Gemüseabteilung, wobei die Probleme einiger bestimmter Sorten wie Tomaten, Äpfel und Erdbeeren näher beleuchtet werden. Tomaten sind beispielsweise besonders in verarbeiteter Form oft mit schädlichen Pestiziden belastet, Äpfel ebenso; der Import von Erdbeeren strapaziert die Menschenrechte in wasserarmen Gebieten der Erde.
Vergleichbaren Problemen widmet das Buch sich bei einer Reihe anderer Produkte, beispielsweise Fruchtsäften und Limonaden, Marmelade und Honig, Fleisch und Wurst, Milch und Eiern. Auch breitere und abstraktere Kategorien spricht Bode an, so etwa verarbeitete Lebensmittel, vegane und vegetarische Produkte oder sogenannte „Superfoods„. Unter anderem merkt er skeptisch an, dass ein „Vegan“-Label nicht unbedingt immer eine Gesundheitsgarantie darstellen muss und zum Beispiel intransparent gekennzeichnete Zusatzstoffe enthalten können.
"Der Supermarkt-Kompass": Ist unser Einkaufszettel wirklich ein Stimmzettel?
Ein Kernanliegen von Bodes „Supermarkt-Kompass“ ist es, die Vorstellung zu hinterfragen, dass Konsument:innen mit ihrem Kaufverhalten direkten Einfluss auf das Lebensmittelangebot der Supermärkte haben. Obwohl er etwa einen Report der EAT-Lancet-Kommission zitiert, demzufolge eine Umstellung auf pflanzenbasierte Ernährung zahlreiche positive Auswirkungen auf Menschen und Umwelt hätte, ist er der Ansicht, dass solche Umstellungen vor allem in der Verantwortung der Politik liegt. Die Kaufentscheidungen einzelner Konsument:innen könnten an den Fehlern des zugrundeliegenden Systems nur wenig ändern und bestenfalls die persönliche Lebensqualität verbessern. Bode spricht in diesem Zusammenhang gar vom „ohnmächtigen Verbraucher„.
Das klingt zunächst entmutigend. Dennoch präsentiert Bode eine Reihe konstruktiver Vorschläge für eine nachhaltige Reform des Lebensmittelmarkts in Deutschland und der gesamten EU. Unter anderem müssten eindeutige und verbindliche Kennzeichnungen eingeführt werden, die Zahl der zulässigen Zusatzstoffe drastisch reduziert sowie Lebensmittelkontrollbehörden und Verbraucherschutzverbände gestärkt werden. Allgemein macht sich Bode für eine konsequentere Durchsetzung bereits existierender Gesetzesgrundlagen wie etwa der europäischen Basisverordnung für Lebensmittel stark.
Unter der energischen Überschrift „Ampel auf Grün schalten!“ fordert er schließlich Verbraucher:innen dazu auf, zu ihrer Rolle als aktive Staatsbürger:innen zurückzufinden: Zwar müssten die entscheidenden Anstöße für Systemänderungen letztlich aus der Politik kommen. Jede Bürgerin und jeder Bürger könne aber durch eigenes politisches und gesellschaftliches Engagement dafür sorgen, dass der Wunsch nach solchen Änderungen ernstgenommen und gehört werde. Ganz so „ohnmächtig“, wie Bode die Verbraucher:innen auf den ersten Blick zeichnet, sind sie letztlich also eigentlich gar nicht.
Eckdaten zum Buch
- Autor: Thilo Bode
- Titel: Der Supermarkt-Kompass: Informiert einkaufen, was wir essen
- Verlag: S. Fischer
- Umfang: ca. 320 Seiten
- ISBN: 978-3-10-397160-6
- Preis: 22,00 € (gebundene Ausgabe) / 16,99 € (eBook)
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