Die Chlorella, ein winzig kleiner grüner kugelförmiger Einzeller, soll in der Lage sein, fast alle medizinischen Probleme zu lösen. Nebenbei soll die Alge mit enormer Nährstoffdichte und einfachem Anbau auch die Welternährung sicherstellen können. Wir klären, was du über Chlorella und ihre Wirkung wissen musst.
Du hast Chlorella noch nie gehört? Die Rede ist von der Süßwasser-Mikroalge Chlorella, einer Algenart, die seit Milliarden Jahren in Gewässern weltweit vorkommt. Die Wirkungen, die Chlorella nachgesagt werden, sind wahrhaft beeindruckend: Die Mikroalge soll den Körper von Giften befreien, bei Strahlenkrankheit, Krebs und zahlreiche Virus-Krankheiten helfen, Allergien und Fibromyalgie lindern, generell das Immunsystem stimulieren und noch vieles andere.
Wie auch bei ihrer blaugrünen „Kollegin“ Spirulina klingt die Beschreibung der Chlorella definitiv zu gut, um wahr zu sein. Was also ist dran an den Behauptungen der Algen-Fans? Erlebt man mit Chlorella tatsächlich ein kleines grünes Wunder – oder ist das doch mehr Schein als Sein? Utopia hat der Mikroalge auf den Zahn gefühlt.
Um welche Chlorella-Art geht es?
Was ist Chlorella eigentlich genau? „Die“ Chlorella gibt es eigentlich nicht. Vielmehr handelt es sich um die Bezeichnung einer Algengattung, die derzeit 24 anerkannte Unterarten besitzt. Die bekanntesten und am stärksten als Nahrungsergänzungsmittel oder Heilmittel genutzten sind Chlorella vulgaris und Chlorella sorokiniana. Die Mikroalgen vermehren sich durch Zellteilung, dabei entstehen alle 16 bis 24 Stunden aus einer „Mutteralge“ vier neue Algen.
Charakteristisch ist die widerstandsfähige Zellwand aus mehreren Schichten Cellulose, die die Verarbeitung der Mikroalgen für den menschlichen Verzehr schwierig macht. Die Zellwand kann nämlich nicht verdaut werden, sodass unser Körper die im Inneren eingeschlossenen Nährstoffe nicht nutzen kann. Dies ist, ebenso wie das Nährstoffprofil, bei allen dieser Algenarten gleich. Welche davon verzehrt wird, macht kaum einen Unterschied, weswegen umgangssprachlich nur von „Chlorella“ gesprochen wird.
Chlorella und Spirulina – alles Algen oder?
Chlorella und Spirulina werden gerne buchstäblich in einen Topf geworfen. Sind ja beides Algen. Beide gelten als wahre Alleskönner und werden in Europa beide als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Dabei sind die beiden „Algen“ eigentlich völlig verschieden. Die blaugrüne Spirulina ist ein mehrzelliger Organismus und streng genommen keine Alge, sondern ein Cyanobakterium. Sie gedeiht in Salz- oder Brackwasser und ist ohne weitere Verarbeitung nach dem Trocknen zum Verzehr geeignet. Sie schmeckt nur nicht besonders gut.
Chlorella dagegen sind echte Algen und Einzeller mit einer dicken Zellmembran. Sie gedeihen im Süßwasser, sind nur etwa ein Zehntel so groß wie Spirulina; will man ihre Zellwand aufbrechen, ist eine spezielle Behandlung notwendig. Gemeinsam ist den beiden aber ein hoher Proteingehalt und eine hohe Nährstoffdichte.
Die Inhaltsstoffe von Chlorella
Ihre Inhaltsstoffe lassen die Mikroalge als Superheld erscheinen. An der Spitze steht dabei wohl der Proteingehalt von rund 60 Prozent, zudem noch mit allen essenziellen Aminosäuren. Die Proteine schlagen sich auch im Brennwert nieder, trotz eines sehr geringen Fett- (etwa 5 Prozent) und Kohlenhydratanteils (1,2 Prozent) haben 100 Gramm Chlorella fast 300 kcal. Weiter geht es in der Hitliste der Inhaltsstoffe mit Eisen (etwa 120 mg pro 100 g), Magnesium, Kalzium, Phosphor, Zink und Mangan.
Und noch eine Besonderheit hat die kleine Kugelalge: Sie ist laut neuerer Studienergebnisse eine der wenigen pflanzlichen Vitamin-B12-Quellen. Mit rund 100 Mikrogramm pro 100 g ist der Gehalt sogar relativ hoch, zudem handelt es sich um „echtes“ Vitamin B12 (Cobalamin), das auch vom Körper verwertet werden kann. Damit kann Chlorella – anders als andere Algen – helfen, bei veganer Ernährung einem gesundheitsschädlichen Mangel an Cobalamin vorzubeugen.
Chlorella als Entgiftungsmittel
Industrie, konventionelle Landwirtschaft und andere Umweltsünden der Menschheit haben dafür gesorgt, dass unsere Umgebung mit zahlreichen Umweltgiften und Schwermetallen belastet ist. Alternative Heilmethoden sehen die Vergiftung mit diesen Stoffen als Ursache vieler Krankheiten und raten daher zu einer Entgiftung. Besonders gut soll die Detox-Wirkung von Chlorella sein. Tatsächlich bindet die Kugelalge aufgrund der Struktur ihrer Zellmembran Schwermetalle aus den Gewässern, in denen sie lebt.
Die Studien zur Detox-Wirkung von Chlorella wurden allerdings hauptsächlich an Mäusen, Ratten oder im Reagenzglas durchgeführt. Die wenigen Studien an Menschen sind aufgrund zu kleiner Stichproben oder methodischer Mängel wenig aussagekräftig. Vielleicht hilft die Mikroalge tatsächlich beim Entgiften – dann allerdings nur mit intakter Zellwand, die wiederum eine Nährstoffaufnahme aus den Algen verhindert.
Ähnliches gilt übrigens auch für Haustiere, wo Chlorella gern zur Entgiftung chronisch kranker Hunde, Katzen oder Pferde empfohlen wird. Hierzu sind keinerlei wissenschaftliche Daten verfügbar, die Wirkungsnachweise beruhen rein auf Schilderungen der Besitzer.
Welche Wirkungen und Nebenwirkungen hat Chlorella?
Wissenschaftlich nachgewiesen ist die Entgiftungswirkung der grünen Alge bislang nicht. Und wie ist es um andere mögliche Wirkungen und Nebenwirkungen bestellt? Zugeschrieben werden der Alge viele wundersame Dinge: Eine das Immunsystem regulierende Wirkung, die Infektionen bekämpft und Allergien lindern kann; eine positive Wirkung bei Fibromyalgie, Blutarmut und Bluthochdruck; eine stoffwechselregulierende Wirkung, die auch bei Diabetes hilft und sogar eine Wirkung gegen Krebs.
Wissenschaftliche Studien zu diesen Wirkungsweisen gibt es seit mehreren Jahrzehnten. Diese scheinen das auch zu bestätigen. Die Sache hat nur einen Haken: In allen Zusammenfassungen lässt sich erkennen, dass die Studien fast ausschließlich an Mäusen, Ratten oder in vitro (Reagenzglas) durchgeführt wurden. Auch aktuelle Metastudien zeigen, dass die Anwendung bei Menschen bisher nur sehr eingeschränkt erforscht wurde. Bei einer Bewertung nach wissenschaftlichen Kriterien muss also auch für Chlorella gelten, dass sie die genannten Wirkungen haben könnte, aber keineswegs sicher hat.
Nebenwirkungen: Auf Dosierung von Chlorella achten
Über die Nebenwirkungen von Chlorella lässt sich sagen, dass die Alge generell gut verträglich ist. Allerdings sollte auf die Dosierung geachtet werden. Bei zu hoher Dosis kann es zu Durchfall, Übelkeit, Erbrechen oder Schwindelgefühl kommen, manchmal auch zu Kopfschmerzen. Diese Symptome werden der „Entgiftung“ zugeschrieben, basieren aber meist auf einer Unverträglichkeit und sollten daher nicht ignoriert werden.
Tabletten, Kapseln und Pulver – wie die Alge aufgenommen wird
Eine fünf Mikrometer kleine Kugelalge kann nicht einfach so verzehrt werden. Auch nicht, wenn es sich um Millionen von Algen handelt. Dazu kommt, dass der menschliche Körper die Zellmembran der Mikroalge nicht verdauen kann und die Nährstoffe im Zellinneren daher auch nicht erreichbar wären. Chlorella wird daher nach der Ernte aus den Süßwasserbecken getrocknet, die Zellwände durch ein Spezialverfahren aufgebrochen und zu Pulver verarbeitet.
Dieses Pulver wird dann zu Chlorella-Tabletten gepresst oder in Kapseln gefüllt. Die empfohlene tägliche Dosis liegt bei drei bis zehn Gramm pro Tag, verteilt auf zwei bis drei Mal. Kurzfristig kann die Dosis für zwei Tage auch auf 30 Gramm am Tag erhöht werden, mehr ist nicht empfehlenswert.
Wenn, dann Bio-Chlorella kaufen
Mittlerweile gibt es viele Möglichkeiten, Chlorella zu kaufen. Als Nahrungsergänzungsmittel ist es im Reformhaus, in Bio-Läden oder Drogeriemärkten und selbstverständlich auch in diversen Onlineshops erhältlich. Beim Kauf solltest du jedoch immer darauf achten, Bio-Chlorella mit Qualitätsgarantie des Herstellers zu erwerben. Denn die Schwermetalle bindenden Eigenschaften der Alge sind nicht nur positiv. In verschmutzten Gewässern, speziell in China, gezüchtet kann Chlorella schnell zu einer Schwermetall-Vergiftung führen – das Gegenteil der erhofften Entgiftung.
Nachhaltigkeit der Chlorella-Algen
In punkto Nachhaltigkeit steht bei den Chlorella Algen ein dickes Fragezeichen. Einerseits sind die Algen leicht zu kultivieren, vermehren sich schnell und haben ein starkes Nährstoffprofil. Andererseits müssen sie, damit diese Nährstoffe verfügbar werden, erst aufwendig „aufgebrochen“ werden. Als Mittel zur Bekämpfung des Hungers in der Welt scheinen sie damit wenig geeignet.
Hinzu kommt, dass die Mikroalgen im Süßwasser wachsen, das, wenn es sauber ist, besser als Trinkwasser genutzt würde. Falls das Wasser verschmutzt und belastet ist, zieht die Alge zwar die Giftstoffe aus dem Wasser – ist dann aber auch nicht mehr für den Verzehr geeignet. Dazu kommt noch der weite Transport aus Ländern wie China, was die Öko-Bilanz auch nicht gerade verbessert.
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Utopia-Fazit: „Wunderalge“ Chlorella überzeugt nicht wirklich
Insgesamt kann Chlorella als Wunderalge nicht wirklich überzeugen. Das Nährstoffprofil ist zwar überdurchschnittlich gut, bei einer Tagesdosis von maximal zehn Gramm fallen die damit aufgenommenen Proteine und Mineralstoffe aber kaum ins Gewicht. Heimische grüne Gemüse wie Brokkoli oder Spinat sind eindeutig die bessere Alternative, von diesen verzehren wir meist mehrere 100 Gramm.
Die angebliche Detox-Wirkung ist umstritten und kann außerhalb von Labors nicht nachgewiesen werden, dafür ist das Risiko einer Schwermetall-Vergiftung durch verunreinigte Produkte recht hoch. Andere medizinische Wirkungen sind ebenfalls nicht bewiesen, sondern nur Möglichkeiten.
Dennoch, zwei Dinge muss man Chlorella zugestehen: Die Kugelalge ist eine der vielversprechendsten Cobalamin-Quellen bei einer veganen Ernährung. Und aufgrund der starken Vermehrung auch in belasteten Gewässern eine erfolgsversprechende Option für die alternative Energieerzeugung aus Biomasse. Das freilich hat mit Superfood gar nichts zu tun.
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