Cutin soll umweltschonend und gesundheitlich unbedenklich sein. Das musst du wissen über den Stoff, der Papier wasserfest und Dosenlack ökologisch macht.
Der Bio-Polyester Cutin soll durch seine besonderen Eigenschaften helfen, Papier- und Blechverpackungen robuster, nachhaltiger und gesundheitsschonender zu machen. Wenn das gelingt, könnten mit Cutin viele Plastikverpackungen ersetzt werden.
Und eins ist klar: Von Plastik wollen wir weg. Es benötigt fossile Brennstoffe und wird nach Benutzung nicht abgebaut, sondern zerfällt nur langsam. Danach landet es als Mikroplastik in Tiermägen oder sogar auf unseren Tellern.
Cutin – was ist das und was soll es können?
Cutin ist ein Biopolymer, also eine Art natürlich vorkommendes Polyester. Es ist in der Natur zusammen mit anderen Stoffen kombiniert in Pflanzenzellen zu finden und macht diese so nahezu wasserundurchlässig. So können sich zum Beispiel Pflanzen in heißen und trockenen Gebieten vor dem Austrocknen schützen.
Dank dieser Eigenschaft ist der Stoff ins Interesse der Wissenschaft gerückt: Er soll als Grundstoff für Verpackungspapiere, Kartonagen, Bio-Kunststoffverpackungen und wasserabweisende Beschichtungen dienen.
Das geht so:
- Zuerst wird das Cutin aus Reststoffen gewonnen, die zwar in Massen verfügbar, aber bisher kaum genutzt sind. Dazu zählen in zum Beispiel Tomaten-, Hülsenfrucht- und Sonnenblumenreste. Laut Öko-Startup Tomapaint bedarf die Extraktion keiner chemischen Lösungsmittel. Dieser erste Herstellungsschritt sieht in etwa aus wie einen riesigen Topf Tomatensoße einzukochen.
- Das Cutin wird dann auf zellulosebasierte Stoffe (wie Papier), polymerbasierte Stoffe (also Kunststoffe) oder Bleche geschichtet. Die Stoffe sollen dann je nach ihrer Funktion entweder wasserabweisend sein (wie bei Pappgeschirr) oder luftundurchlässig (wie bei Verpackungen für Lebensmittel). Idealerweise lassen sie sich auch nach Benutzung noch recyceln.
- So kann man frische Produkte aufbewahren, ohne dass die Lebensmittel mit der Aluminium- oder Plastikverpackung selbst in Kontakt kommen oder das Papier durchweichen. Auch non-food Verpackungen mit besonderen Anforderungen könnten in Zukunft mit Cutin verpackt sein (zum Beispiel Kosmetika, an die keine Luft kommen soll.)
Klingt erstmal gut, aber vollständig umgesetzt ist das Vorhaben noch nicht. Wo steht denn die Wissenschaft bisher?
Cutin in Verpackungsmaterial: Was wissen wir bereits?
Es gibt bereits mehrere Projekte, die Cutin hauptsächlich aus Tomatenabfällen extrahieren und daraus Verpackungsmaterial hergestellt haben.
Projekt Biocopac (2014)
- Das Projekt der Experimental Station for the Food Preserving Industry (SSICA) benutzte Cutin aus Tomatenabfall für die Herstellung eines Lacks, der auf der Innenseite von Blechdosen die Lebensmittel vor Kontakt mit dem Metall schützt. In dieser Verwendung als Innenlack für Dosen kann Cutin den gesundheitsschädlichen Stoff Bisphenol-A-diglycidylether (abgekürzt BADGE) ersetzen.
- CORDIS Forschungsergebnissen der Europäischen Kommission zufolge ist das Ergebnisprodukt hoch-innovativ, umweltfreundlich und dabei unbedenklicher für die Gesundheit der Verbraucher.
- Das Projekt Biocopac umfasst also die gesamte Landwirtschafts-/Lebensmittelkette, von Tomatenresten bis Dosenherstellung.
Ähnliche europäische Projekte wie LIFE BiocopacPlus und BBI-H2020 Agrimax haben auch zum jetzigen Wissensstand beigetragen.
Startup TomaPaint (2019)
- Allein in Italien, der Heimat der Startups, fallen jährlich rund 150,000 Tonnen Tomatenabfall an. Aus diesem vermeintlichen Abfall entnimmt das Startup Cutin, das dann als Startmaterial für einen Biolack dient. Dieser Lack lässt sich als Innenbeschichtung in Blechdosen für Lebensmittel verwenden.
- Berechnungen von TomaPaint zufolge kann ein durchschnittlich großer Lackfabrikant in Europa zwei Tonnen CO2 im Jahr einsparen, indem er den Biolack statt herkömmlichem ölbasiertem Lack verwendet.
Wie weit ist die Forschung heute?
Im ECOFUNCO Projekt (Laufzeit 2019 bis 2022) forscht das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) an Papierbeschichtung aus Cutin. Die macht Papier wasser- und gasundurchlässig, und reißfester, sodass es Produkte sicherer verpackt. Im besten Fall lässt sich das Cutin am Ende auch rückgewinnen, sodass es nochmal verwendet werden kann.
Dass Cutin vollständig biologisch abbaubar ist, ist auch schon bewiesen: Enzyme, die Cutin abbauen können, finden sich zum Beispiel im Kompost, wo sie natürlicherweise das Cutin innerhalb der Pflanzenzellen abbauen. Cutin ist also sogar als Müll nachhaltiger als erdölbasiertes Polyester.
Forscher:innen schlagen außerdem vor, auch cutin-basierte Duftstoffe, Schmiermittel, Klebstoffe und Geräte für Biomedizin zu entwickeln.
Übrigens: Cutin selbst hat eine dunkle, rötlich-braune Farbe. Laut Salchi Metalcoat S.r.l. ist es derzeit noch schwierig, völlig transparentes Cutin herzustellen.
Die 6 großen Vorteile
Diese Vorteile besitzt Cutin:
- Umweltfreundliche Extraktion von Cutin aus Tomatenresten ohne Lösungsmittel
- Große Verfügbarkeit der biologischen Ausgangsmaterialien
- Weiterverwertung von Abfallprodukten
- Nachhaltiger Abbau der Verpackungen mit Cutin durch Enzyme möglich
- Mindestens vergleichbare Leistung gegenüber aktuell verbreiteten Möglichkeiten
- Cutin-basierte Lacke in Blechdosen sind gesundheitlich unbedenklicher als herkömmliche Lacke
Die Nachteile? Noch unklar
Bisher zeigt sich bei der Verwendung von Cutin in Verpackungsmaterialien nur ein klarer Nachteil: Es aus den Tomatenresten herauszulösen, ist Stand 2019 ein ziemlich aufwändiger Prozess. Einige Eigenschaften könnten je nach Verwendungszweck entweder Vor- oder Nachteil sein. Dazu gehören laut einer Studie im Journal der experimentiellen Botanie:
- Der Grad, zu dem Cutin hydrophob (wasserabweisend) ist
- Es ist unlöslich.
- Es hat keinen Schmelzpunkt.
Andererseits müssen Forscher:innen gemeinsam mit Verpackungs- oder Lackfabrikant:innen wohl noch einige offene Fragen lösen:
- Wie genau wird das Cutin auf die effizienteste Weise extrahiert?
- Wie reagiert Cutin mit Verpackungsinhalt wie kosmetischen Cremes oder Medizin?
- Erfüllen die Cutinverpackungen die jeweiligen Anforderungen an Gesundheit und Sicherheit der Produktgruppen?
Fazit: Auch wenn Cutin noch nicht vollständig erforscht ist, gibt es uns Hoffnung, erdöl- und erdgasbasierte Kunststoffe in einigen Verpackungsarten bald in möglichst großen Teilen ersetzen zu können.
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