Energy Sharing ist ein Konzept, das die Energiewende voranbringen kann und auch den Bürger:innen nützt. Hier liest du, worum es dabei geht und welche Hürden Energy Sharing noch überwinden muss.
Energy Sharing ist ein Konzept, um Solarstrom einfach auch in der Nachbarschaft zu teilen. Vor allem städtische Gebiete könnten so von lokalen erneuerbaren Energien profitieren.
Die EU setzte schon 2018 die Rahmenbedingungen für das Energy Sharing. Die einzelnen Mitgliedsstaaten müssen dieses Rahmenwerk allerdings in lokale Gesetze fassen. An diesem Punkt tut sich Deutschland noch schwer: Die Umsetzung der EU-Richtlinie lässt auch 2025 weiter auf sich warten. Dabei stand Energy Sharing schon bei einigen Vorgängerregierungen auf der Agenda. Auch die neue Regierung hat Energy Sharing in den Koalitionsvertrag aufgenommen.
Energy Sharing: Der gemeinschaftliche Strom
Energy Sharing bedeutet, dass Bürger:innen eigenen grünen Strom produzieren und ihn gemeinsam nutzen oder teilen. Somit nehmen Verbraucher:innen aktiv am Elektrizitätsmarkt teil.
Ein Modell für die gemeinschaftliche Nutzung von Solarstrom sind Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften. Das Prinzip ist vergleichbar mit einer Genossenschaft, bei der du ebenfalls Miteigentümer:in wirst, indem du Anteile kaufst. Die Bürger:innen können sich zusammenschließen und Photovoltaik– oder Windkraftanlagen in ihrer direkten Umgebung betreiben. Den produzierten Strom nutzen sie dann gemeinschaftlich.
Ein Konzeptpapier des Bündnisses Bürgerenergie e.V. erklärt, wie ein gemeinschaftliches, zentral organisiertes Modell für Energy Sharing funktionieren könnte:
- Beim Energy Sharing kontrollieren die beteiligten Bürger:innen selbst ihre Energieerzeugung und -versorgung. In vielen Fällen sind Energiegemeinschaften auf sozial-ökologische Ziele ausgerichtet, statt auf Gewinne.
- Die Gemeinschaft finanziert und betreibt lokale Solar- oder Windkraftanlagen. Das können Solaranlagen auf Dächern in der Nachbarschaft sein, aber auch Wind- und Solarparks innerhalb eines festen Radius, etwa von 25 Kilometern.
- Diesen direkt vor Ort produzierten Ökostrom beziehen die Mitglieder zu einem vergünstigten Tarif.
Möglich ist auch eine direkte Verbindung von Erzeuger:innen und Haushalten (Peer-to-Peer), die den Strom verbrauchen können. Das könnte beispielsweise eine Photovoltaikanlage leisten, die direkt und dezentral die umliegenden Häuser versorgt.
Sollten die Anlagen in bestimmten Fällen keinen Strom produzieren können, zum Beispiel bei Wind- oder Dunkelflaute, beziehen die Verbraucher:innen in der Regel automatisch Strom vom lokalen Energieversorger zu dessen Tarifen. Dieses Prinzip gibt es schon länger, zum Beispiel bei Photovoltaikanlagen auf dem Dach. Produziert die Anlage Strom, nutzt du den selbstproduzierten Strom. Steht dir gerade kein Sonnenstrom zur Verfügung, kaufst du den Strom regulär ein.
Die Vorteile von Energy Sharing liegen auf der Hand
Energy Sharing ermöglicht es den Bürger:innen, selbst klimafreundlichen Strom zu produzieren und zu nutzen. Sie können damit aktiv ihre Energieversorgung organisieren. Das Bündnis Bürgerenergie nennt verschiedene Vorteile, die eine lokale Energie, Erzeugung und gleichzeitige Nutzung bringen.
- Jede:r kann sich beteiligen: Die Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften sind offen für alle Bürger:innen. Auch Anwohner:innen ohne eigene Immobilie oder mit begrenzten finanziellen Mitteln können auf diese Weise selbstproduzierten Ökostrom nutzen.
- Günstige Verbrauchstarife: Die Verbraucher:innen profitieren von günstigen Tarifen, da die Stromnebenkosten gering sind. Für die Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften ist es denkbar, dass die üblichen Aufschläge für stromproduzierende Unternehmen und Netzbetreiber wegfallen könnten. Zum Beispiel die Stromsteuer oder Umlagen, die der Versorgungssicherheit im Netz dienen.
- Nutzung bestehender Stromnetze: Der lokal produzierte Strom versorgt die Nachbarschaft über das bestehende Stromnetz. Es sind so keine großen Entfernungen im Stromnetz zu überbrücken. Die Produktion und Nutzung liegen nah beieinander. Das könnte dazu beitragen, dass zum Beispiel größere Inventionen für Transportleitungen überflüssig werden.
- Entlastung der Stromnetze: Eine Voraussetzung für Energy Sharing sind digitale Stromzähler, die sogenannten Smart Meter. Mit dieser Technologie ließe sich eine genaue Abrechnung sicherstellen. Diese Stromzähler unterscheiden, zu welchen Zeiten der selbstproduzierte Strom geflossen ist und ermöglichen so die Berechnung zu den günstigen Tarifen. Diese Technologie könnte außerdem zu einem bewussteren Stromverbrauch beitragen, denn ein Smart Meter zeigt an, wann Strom aus eigener Quelle zur Verfügung steht. So könnten Verbraucher:innen den günstigen eigenen Solarstrom tagsüber zum Beispiel für die Waschmaschine oder den Geschirrspüler nutzen. Auf diese Weise ließen sich die Stromnetze insgesamt entlasten.
- Aktiver Klimaschutz: Die Umweltorganisation BUND unterstützt Energy Sharing als schnellen Weg zur Förderung grüner Energie. Untersuchungen des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) zeigen, dass vor allem Solaranlagen in bevölkerungsreichen Regionen großes Potenzial bieten, um bis 2030 etwa 42 Prozent der benötigten erneuerbaren Kapazitäten abzudecken. In Form von nachbarschaftlicher Stromversorgung könnten ganze Regionen die Energiewende selbst in die Hand nehmen. Der massive Ausbau ist notwendig, um möglichst zügig bei der Einsparung von Treibhausgasen voranzukommen, die für den drastischen Anstieg der Erdoberflächentemperaturen der letzten Jahrzehnte verantwortlich sind. Das Umweltbundesamt warnt, dass die weltweit bis 2020 umgesetzten Maßnahmen nicht ausreichen, um den Anstieg die Erderwärmung bei 1,5 Grad Celsius zu halten. Modellrechnungen weisen eher auf einen möglichen Anstieg von 3,2 Grad Celsius bis 2100 hin.
Energy Sharing und die gesetzlichen Hürden
So viel Potenzial in Energy Sharing auch steckt – das Konzept wartet in Deutschland noch auf seine Umsetzung. Es fehlen schlichtweg die gesetzlichen Rahmenbedingungen, um mit Energy Sharing loszulegen. Anders sieht es im Nachbarland Österreich aus. Hier haben schon 2021 die ersten Energiegemeinschaften ihre Arbeit aufgenommen.
Das IÖW erläutert, woran es im Grunde noch hakt. Die Regierung müsste die bestehenden Gesetze erweitern, damit sie das Modell von Energy Sharing abbilden. Zum Beispiel das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG): Erst Gesetzesänderungen würden den Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaften die Grundlage dafür bereiten, das öffentliche Netz zu nutzen und den Strom dabei zu ihren eigenen Tarifen abzurechnen.
Das Konzept Energy Sharing wartet auf seine Umsetzung:
- 2018: Energy Sharing in der EU Richtlinie – Auf EU-Ebene setzt die Renewable Energy Directive (RED II) von 2018 bereits den strukturellen Rahmen, um Energy Sharing möglich zu machen.
- 2021: Deutschland lässt die Frist zu Umsetzung verstreichen – Der BUND erklärt in einer Presseerklärung von 2022, dass die Mitgliedsstaaten diese EU-Vorgabe bis Ende Juni 2021 in nationale Gesetze umsetzen sollen. Ein breites Bündnis aus Umweltorganisation, Verbanden und Unternehmen fordert die damalige Regierung auf, zu handeln und den Weg für Energy Sharing zu ebnen.
- 2024: Klare rechtliche Definition auf EU-Ebene – Die Electricity Market Design Reform (EMD III) konkretisiert, dass auch Endkund:innen am Energiemarkt teilnehmen können, indem sie selbstproduzierten Strom verkaufen. Zudem räumt die Reform noch mit weiteren Hürden rund um die Nutzung der Stromnetze auf.
- 2026: Umsetzungspflicht läuft aus – Neuerungen im EU Recht sehen jetzt eine Umsetzungspflicht bis Juli 2026 vor.
Bislang hat die Regierung in Deutschland den Weg für Energy Sharing noch nicht freigemacht. Allerdings gab es beispielsweise mit dem Mieterstrom schon einige Schritte, die in Richtung dezentrale Energieversorgung und Energy Sharing weisen.