Sind die Fairbuds XL die nachhaltigsten Kopfhörer am Markt? Können sie klanglich überzeugen? Utopia-Redakteur Michael Schlump hat die neuen Kopfhörer von Fairphone in der Praxis getestet.
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Die 2023 vorgestellten Fairbuds XL sollen mit einer Besonderheit in einem sonst eher kurzlebigen Markt aufwarten: Mittels eines modularen Designs verspricht Fairphone unter anderem eine leichtere Reparierbarkeit. Aber auch bei den eingesetzten Materialien und Produktionsbedingungen soll das Modell andere Maßstäbe ansetzen: Der Hersteller positioniert sich, wie schon beim Fairphone, als nachhaltiger Vorreiter in der Unterhaltungselektronik.
Ob die Fairbuds XL diesem Anspruch genügen und wie sie sich im Alltag schlagen, habe ich für Utopia in diesem Praxistest zusammengefasst.
Anmerkung der Redaktion: Die Fairbuds XL wurden uns für die Dauer des Tests vom Hersteller leihweise zur Verfügung gestellt. Auf den Praxistest hat dies keine Auswirkung. Dieser spiegelt allein die Meinung unseres Autors wider.
Fairphone Fairbuds XL im Test: Inhaltsverzeichnis
- Warum brauchen wir nachhaltigere Kopfhörer?
- Das Nachhaltigkeitsversprechen der Fairphone Fairbuds XL
- Technische Features
- So haben wir getestet
- Bedienung & Tragekomfort
- Klang & Geräuschunterdrückung
- Fazit
- Nachhaltige Alternativen zum Fairphone Fairbuds XL
Fairphone Fairbuds XL im Test: Warum brauchen wir nachhaltigere Kopfhörer?
Doch was ist überhaupt das Problem bei Kopfhören? Viele Produkte im Bereich Unterhaltungselektronik werden als Lifestyle-Produkte vermarktet: Sie sind gar nicht erst auf Langlebigkeit oder Nachhaltigkeit ausgelegt. Vielmehr handelt es sich oft um Artikel, die primär einer Mode folgen sollen. Die Folge: Produkte gehen mitunter schnell kaputt und werden weggeworfen.
So berichtete das Magazin für Computertechnik CT in 2022 unter Berufung auf Prognosen der UN: Bis 2030 wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch jährlich im Schnitt 9 Kilogramm Elektroschrott produziert. Dabei lag Deutschland bereits in vergangenen Jahren über dieser Marke.
Als einer der Hauptfaktoren wird genannt, dass viele Menschen gerne zum Neugerät greifen. Entweder weil sich Altgeräte nicht mehr auf den aktuellen Stand der Technik bringen lassen oder selbst einfache Reparaturen nicht wirtschaftlich machbar sind.
Das Nachhaltigkeitsversprechen der Fairphone Fairbuds XL
Modulares Design und Reparierbarkeit
Eine bessere Reparierbarkeit ist Kernbestandteil des Nachhaltigkeitsversprechens der Fairbuds XL. Und um das zu demonstrieren, hat Fairphone zu meinem Leihkopfhörer gleich den passenden Schraubenzieher beigelegt: Denn mit einem handelsüblichen Philips-Kopf (auch „Kreuzschlitz“) soll er von den Anwender:innen ganz einfach selbst in 11 Einzelteile zerlegt werden können. Der Schraubenzieher ist übrigens normalerweise nicht im Lieferumfang, allerdings werden die meisten Menschen bereits einen passenden zu Hause haben.
Damit ich nachvollziehen kann, wie ich den Kopfhörer ohne Schäden zerlegen kann, hat der Hersteller mehrere sehr anschauliche YouTube-Videos zur Verfügung gestellt. Der Austausch einiger Teile wie Akku oder Ohrpolstern ist sogar ohne Schraubenzieher möglich.
Dabei konnte ich den Videos in der Praxis gut folgen und den Kopfhörer in wenigen Minuten in seine Einzelteile zerlegen. Ich gehe davon aus, dass auch technisch wenig versierte Personen problemlos eigene Reparaturen durchführen können.
Zum Zeitpunkt des Tests waren noch keine Ersatzteile für die Fairbuds XL erhältlich. Fairphone teilte mir auf Nachfrage jedoch mit, dass diese ab 18. Juli 2023 erhältlich sein sollen. Eine genaue Zeitdauer der Verfügbarkeit konnte der Hersteller noch nicht nennen. Dafür habe das Unternehmen noch keine ausreichenden historischen Daten oder diesbezügliche Erfahrungen im Audiobereich. Allerdings will Fairphone nach eigener Aussage eine Verfügbarkeit erreichen, die nicht kürzer sein soll als bei den Telefonen des Herstellers.
Es sollte nicht unerwähnt bleiben: Kopfhörer mit auswechselbaren Einzelteilen gab es zuvor auch schon bei anderen Firmen und sind an sich keine Neuerung. Jedoch sind mir keine Modelle mit einer so nutzerfreundlichen Umsetzung wie bei den Fairbuds XL bekannt. Fairphone schafft es aus meiner Sicht also, sich hier deutlich von der Konkurrenz abzuheben.
Materialien und Herstellung
Laut Hersteller kommen bei der Produktion der Kopfhörer großteils recycelte Materialien zum Einsatz:
- 100% recyceltes Aluminium
- 100% recycelte Lötzinnpaste
- 80% recycelter Kunststoff
Die beiliegende Tasche ist ebenfalls zu 100% aus recycelten Textilien. Ein sehr löblicher Ansatz, der die Vorreiterrolle von Fairphone innerhalb der Branche unterstreicht.
Und dann ist da die Sache mit dem Gold: Die Fairbuds XL enthalten Gold und Fairphone unterstützt entsprechend die Förderung von Fairtrade-Gold. Aus logistischen Gründen geschieht dies aber über eine Art Mengenausgleich. Dabei bezahlt Fairphone nach eigener Aussage für die gesamte in der Produktion verarbeitete Goldmenge entsprechende Fairtrade-Zertifikate und fördert damit den faireren Abbau.
Mehr zum Thema Fairtrade-Gold findest du auch hier:
Fairtrade-Gold und konventionelles Gold werden aus Kostengründen jedoch in den Produktionsprozessen vermischt. Daher kann Fairphone auch nicht sagen, wie hoch der Anteil von Fairtrade-Gold in einem einzelnen Kopfhörer ist. Entsprechend wird auf Werbeaussagen wie „100% Fairtrade-Gold in den Fairbuds XL“ verzichtet. Fairphone tritt aus meiner Sicht also auch bei diesem etwas schwer zu kommunizierenden Thema authentisch auf.
Und zum Stichwort fair: Die Kopfhörer werden in Dongguang in China hergestellt. Die dort beschäftigten Arbeiter:innen und weitere Beschäftigte in der Lieferkette sollen dabei von Fairphone einen existenzsichernden Lohn erhalten. Also höher als der dortige Mindestlohn, welcher in der Region oftmals nicht zum Leben ausreicht.
Fairphone Fairbuds XL im Test: Technische Features
Die Grundfunktionen des Kopfhörers lesen sich sehr ähnlich zu anderen aktuellen Modellen. Hier gibt es kaum Überraschungen:
- Bluetooth 5.1 mit bis zu 10 m Reichweite und Dualverbindung
- USB-C-Anschluss
- Headset-Mikrofon vorhanden
- Kompatibel mit Google Assistant, Amazon Alexa und Apple Siri
- Austauschbarer Akku mit bis zu 30h Betriebszeit
- Aktive Geräuschunterdrückung mit Ambient Mode
- IP54-Schutz gegen leichten Regen und Schweiß
Die Fairbuds sind in den Farben Schwarz und Grün erhältlich. Der Kopfhörer kann zwar prinzipiell auch kabelgebunden genutzt werden, dafür ist allerdings ein zusätzliches Adapterkabel notwendig.
Preis: ca. 250 Euro, erhältlich zum Beispiel bei Vireo, Memolife, Saturn oder Amazon.
Fairbuds XL im Test: So haben wir getestet
Um mir ein möglichst praxisnahes Bild zu machen, habe ich die Fairbuds XL über mehrere Tage hinweg in den verschiedensten Alltagssituationen getragen. Der Kopfhörer war also immer dabei: egal ob beim Musikhören im Homeoffice, Utopia-Videokonferenzen oder privaten Telefonaten unterwegs in Bus und Bahn.
Zusätzlich zum Test im Alltag habe ich die Fairbuds XL mit meinem persönlichen Referenzmodell Sennheiser HD-25 verglichen. Dieser steht als kabelgebundener Kopfhörer nicht in direkter Konkurrenz zum Fairphone-Kopfhörer. Allerdings gilt er in der professionellen Audiobranche als klangliche Referenz und ist mir aus jahrelanger tontechnischer Arbeit gut bekannt.
Um den Vergleich nicht durch Bluetooth-Qualitätsverluste zu Ungunsten der Fairbuds XL zu färben, wurde zusätzlich auf einem Beyerdynamic Aventho Wireless gegengehört.
Fairbuds XL im Test: Bedienung & Tragekomfort
Zum Laden werden die Fairbuds XL via USB-C-Kabel an ein passendes Netzteil angeschlossen. Weder Kabel noch Netzteil sind im Lieferumfang enthalten: Aus Sicht der Nachhaltigkeit lobenswert, denn so wird das Zubehör nur von Menschen gekauft, denen die Teile noch fehlen.
Nach einem Druck auf den „Joystick“ am rechten Ohr startet der Kopfhörer dann seinen Dienst. Dabei empfinde ich das Bedienkonzept als sehr stimmig. Über das Steuern in verschiedene Richtungen oder einen Druck auf den Joystick werden die Wiedergabe- und Headset-Funktionen abgerufen. Ein zweiter Knopf steuert die Bluetooth-Funktionen und aktive Geräuschunterdrückung. Einfach, intuitiv und schnörkellos.
Ich empfand die Kopfhörer auch bei längerer Tragedauer als angenehm. An meinen relativ großen Kopf scheint sich das Design gut anzuschmiegen und ich empfand auch als Brillenträger selbst nach längerer Zeit keinen übermäßigen Druck. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass die Fairbuds XL für kleinere Köpfe etwas groß und klobig sein könnten.
Fairbuds XL im Test: Klang & Geräuschunterdrückung
In Sachen Gesamtklang haben die Fairbuds XL nach meinem Empfinden eine etwas topfige, matt klingende Ausprägung mit wenig ausdefinierten Bässen. Zwar kann man über die kostenlose Smartphone-App verschiedene EQ-Presets abrufen, diese haben aber leider nur begrenzten Einfluss auf den Grundcharakter. Insbesondere für basslastige Musik ist das Modell aus meiner Sicht daher nicht die beste Wahl.
Gut allerdings: Das Stereobild empfand ich als präzise und nicht zu künstlich überbreit aufgeblasen, wie es bei HiFi-Kopfhörern manchmal der Fall ist.
Fans härterer Musikstile werden sich möglicherweise eine etwas knackigere Impulswiedergabe wünschen, die harte Anschläge zum Beispiel bei Drums besser zur Geltung bringt. Da zeigt sich das Modell für meinen Geschmack zu brav und klingt etwas verwaschen. Immerhin: Durch den weichen Charakter empfand ich das Hören auch über längere Zeit als recht ermüdungsfrei.
Gut machten sich die Fairbuds XL als Headset im Arbeitsalltag: Video-Meetings liefen problemlos ab. Die Sprachverständlichkeit war auf beiden Seiten zu jeder Zeit zufriedenstellend. Ich hätte somit keine Bedenken, die Fairbuds XL dauerhaft dafür zu nutzen.
Die aktive Geräuschunterdrückung blendet Fahrgeräusche und Ähnliches stimmig aus, kommt aber zu einem Preis: Bei sonstiger „Stille“ im Kopfhörer ist ein deutlich erhöhtes Grundrauschen wahrnehmbar. Außerdem reagieren die Außenmikrofone selbst auf schwächeren Wind recht empfindlich, der dann als Störgeräusch wahrnehmbar wird.
Fairbuds XL im Test: Fazit
Ich wollte die Fairbuds XL im Test wirklich mögen – mit ihrem stimmigen modularen Konzept und den guten Ansätzen in Sachen Nachhaltigkeit. Weil es dringend Weiterentwicklungen in dieser schwierigen Branche braucht. Und weil Fairphone aus meiner Sicht glaubwürdige Schritte in Richtung eines echten Wandels geht.
Der hohe Anteil an Recycling-Materialien, das Fairtrade-Gold, die Bemühungen für eine fairere Bezahlung: All das bekräftigt die authentische Vorreiterrolle von Fairphone in einer Industrie, die Bestrebungen nach Wandel dringend nötig hat.
Aber würde ich mir das Modell persönlich kaufen? Leider trotzdem nicht. Für 250 Euro erwarte ich klanglich einfach etwas mehr. Insbesondere dann, wenn es sich dank der hoffentlich hohen Lebensdauer um ein Produkt handelt, das ich viele Jahre nutzen würde.
Ich hoffe und wünsche mir, dass Fairphone das eigentlich sehr schöne Bedienkonzept mitnimmt und klanglich nachbessert. Vielleicht erfordert ein „Fairbuds Pro“ dank der modularen Struktur ja sogar nur einen Austausch bestimmter Module? Denn für den aufgerufenen Preis bekommt man aktuell einfach wesentlich besser klingende Refurbished-Kopfhörer (siehe Tipps und Links zu Alternativen weiter unten).
Das hat mir gefallen:
- Modulares Konzept und einfache Reparierbarkeit
- Glaubwürdig nachhaltigere und fairere Produktion
- Stimmiges Bedienkonzept
- Räumlichkeit des Klangs
Das hat mir nicht gefallen:
- Etwas matter Gesamtsound
- Nicht knackig genug bei perkussiven Anteilen
- Aktive Geräuschunterdrückung mit Schwächen
Kaufen: Die Fairphone Fairbuds XL sind für ca. 250 Euro erhältlich, unter anderem bei Vireo, Memolife, Saturn oder Amazon.
Nachhaltige Alternativen zum Fairphone Fairbuds XL
Eine nachhaltige Alternative zum Neukauf der Fairbuds XL oder anderer neuer Kopfhörer ist der Kauf eines Refurbished-Modells. Dabei handelt es sich in der Regel um von Händler:innen wiederaufbereitete Gebrauchtgeräte. Refurbished Kopfhörer gibt es zum Beispiel bei den folgenden Plattformen:
Die hier gelisteten Refurbished-‘Plattformen wurden in Tests der Stiftung Warentest allesamt für „gut“ befunden.
Weitere nachhaltigere Kopfhörermodelle findest du außerdem hier:
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