Sie sind angetreten, um den Bankensektor zu revolutionieren: Junge digitale Fintech-Banken wie N26, Holvi und Fidor wollen etablierten Großbanken zeigen, dass Banking auch anders geht. Doch was bieten sie eigentlich – und welche Rolle spielen dabei nachhaltige Ansätze?
„Banking, wie es sein sollte“: ein Satz, der bei dem Berliner Fintech-Startup N26 Programm ist. Wer dort ein Konto eröffnen will, kann sich sogar mit einem Video-Call vom Smartphone aus identifizieren. Ein Dispo wird in Sekundenschnelle bewilligt. Die Überweisung geschieht in Echtzeit – ein Klick in die Kontaktliste reicht aus.
Keine Frage, N26 weiß, wie man schwerfällige Bankprozesse in ein leichtes, elegantes Erlebnis verwandelt. Und gilt mit 200.000 Usern und milliardenschweren Kapitalgebern als größtes Erfolgsbeispiel der Fintech-Szene.
Fintech – Alternative zu Großbanken?
Der Begriff „Fintech“ steht für Start-Ups, die Bank- und Finanzdienstleistungen für die digitale Generation neu erfinden und die Denkmuster der Branche radikal aufbrechen wollen. Ihre selbst erklärte Mission ist es, Einfachheit, Nutzerfreundlichkeit und Transparenz in den Finanzalltag zu bringen.
Klingt vielversprechend. Es erinnert an die Zeit, als junge Ökostrom-Rebellen die Energiekonzerne das Fürchten lehrten. Doch wie konsequent setzen Fintech-Banken diese Ansprüche um? Und welche Rolle spielen ethische und ökologische Denkansätze dabei? Ein kurzer Abstecher in die Entstehungsgeschichte der Fintechs hilft, erste Antworten zu finden.
Die Innovationsrevolution kam per EU-Verordnung
Auslöser für die digitale Wende im Bankenmarkt waren weder aufgebrachte Bankkunden noch zupackende Bürgerinitiativen. Der Treiber waren hier vielmehr tiefgreifende regulatorische Eingriffe, die von der Europäischen Union ausgingen.
2013 hat sie eine umfassende Liberalisierung des digitalen Zahlungsverkehrs eingeläutet, auch als PSD2-Richtlinie bekannt. Eines der Kernziele: das Monopol der Finanzkonzerne aufzubrechen und den Markt für innovative Unternehmen zu öffnen.
Die neue Gesetzgebung verpflichtet Banken unter anderem dazu, die Daten ihrer Kunden auf deren Wunsch hin freizugeben. Nämlich dann, wenn diese die Dienste eines Fintech-Unternehmens nutzen möchten.
Dieser Schritt hatte zur Folge, dass viele Arbeitsschritte im Banking für die Kunden vereinfacht oder mit neuem Nutzen angereichert wurden, etwa
- der fast voll automatisierte Bankwechsel,
- die Überweisung ohne Eingabe der IBAN,
- oder die App, mit der Kunden ihre Finanzen vollständig im Blick haben können.
Viele solcher Innovationen sind von Fintech-Unternehmen initiiert worden oder wurden von ihnen gemeinsam mit Banken umgesetzt.
Transparenz und Augenhöhe bei Fintech-Banken
Die von Fintech-Banken angestoßenen Neuerungen beschränken sich jedoch nicht auf die technische Seite. Auch in der Kommunikation mit den Usern deutet sich ein Kurswechsel an.
Du hast dein Konto überzogen? Bei N26 erhältst du sofort eine freundliche Push-Nachricht und kannst deinen Kontostand ausgleichen, bevor ein Dispozins fällig wird. Die Kosten für das Konto werden nicht schamhaft in seitenlangen PDFs versteckt, sondern in den FAQs aufgeführt, und zwar eingekocht auf fünf verständliche Bulletpoints.
Eine Bank, die dabei hilft, unnötige Zinsen zu vermeiden, und sich transparent gibt – in der langen, (kunden)leidvollen Geschichte der Bankbranche ist das höchst ungewöhnlich. Fintech macht’s möglich.
Fintech auch für Freelancer, Selbständige und Unternehmer
Auch bei Holvi, einer Fintech-Bank aus Finland, ist von altem Bankengeist kein Stäubchen mehr zu sehen. Wo sich Freelancer, Selbständige und Unternehmer bei manchen Banken früher als Kunden zweiter Klasse fühlen durften, stehen sie hier mit ihren Bedürfnissen im Mittelpunkt.
Belege finden, die Umsatzsteuer addieren, die papierlose Buchhaltung erledigen? Holvi hat die mühsamen Seiten des Unternehmerdaseins erkannt und fast vollständig automatisiert.
Wie nachhaltig sind Fintech-Banken?
Ein fairer Umgang mit den Kunden ist gut und wichtig. Er muss jedoch noch lange nicht bedeuten, dass ein Unternehmen in seinem Kerngeschäft ethisch-ökologische Werte hochhält. Und bei den drei im Markt befindlichen Fintech-Banken (neben N26 und Holvi ist der Branchen-Pionier Fidor im Rennen) ist das aktuell auch nicht der Fall.
Wir haben beispielhaft drei Aspekte untersucht: die Kreditvergabe, die Art der angebotenen Spar- und Anlageprodukte sowie das Crowdfunding.
Öko-Faktor Kreditvergabe
Ökobanken verwenden ein Großteil der Kundengelder darauf, um Kredite an nachhaltige Unternehmen zu vergeben. Das gerade nicht benötigte Geld wird nach ethisch-ökologischen Prinzipien angelegt. So ist das Geld der Kunden immer zu fast 100 % in nachhaltigen Kreisläufen unterwegs (siehe Grünes Girokonto).
Bei den Fintech-Banken entfällt dieser Hebel. Anbieter Holvi beispielsweise vergibt überhaupt keine Kredite, sondern finanziert sich über die Gebühren, die er für verschiedene Leistungen erhebt.
Das Baukastenprinzip
Bei N26 sieht die Situation auf den ersten Blick anders aus, denn das Unternehmen hat kürzlich eine Banklizenz erhalten und könnte theoretisch Kredite vergeben. Aber nichts deutet zwingend darauf hin, dass man dies tun wird.
Was Fintech-Unternehmen von Banken unterscheidet, ist schließlich die Fähigkeit, schlanke und flexible Alternativen zu den Banken zu schaffen. Dabei gehen die meisten nach dem gleichen Bauplan vor: 1. Die Wertschöpfungskette einer Bank analysieren 2. die rentabelsten Leistungen effizienter gestalten und 3. (optional) diese mit neuen, für die Zielgruppe nützlichen Leistungen bündeln.
So bietet Holvi seinen Unternehmenskunden neben Girokonto und Mastercard auch eine digitale Buchhaltung, Rechnungsstellung und das Hosting eines Online-Stores an. Leistungen, die eine Banklizenz erfordern, wie zum Beispiel das Girokonto, lässt Holvi von einer Partnerbank abwickeln. Dieses verwaltet die Gelder der Kunden wiederum ganz klassisch nach Gesichtspunkten von Rendite und Risiko. Von nachhaltiger Wirkung ist in diesem Fintech-Geschäftsmodell bisher keine Spur zu sehen.
Öko-Faktor Spar- und Anlageprodukte
Auch in Bezug auf Spar- und Anlageprodukte zeigen Fintech-Banken bislang keine Neigung zur Nachhaltigkeit. Die Fidor Bank aus München, der Pionier unter den Fintech-Banken, ist immerhin schon seit 2009 am Markt. Und spiegelt mit ihrem Sortiment an Sparbriefen, Geldanlagen und Edelmetallen das Angebot einer traditionellen Großbank wider.
Und der Branchenprimus N26? Erst vor wenigen Wochen hat N26 eine Partnerschaft mit dem Fintech Vaamo gestartet, um seinen Kunden auch Geldanlagen anbieten zu können. Vaamo verwendet für seine Anlageprodukte konventionelle ETFs und Anleihen; nachhaltige Prinzipien spielen bei der Verwaltung der Kundengelder keine Rolle.
Dazu kommt, dass N26 bei der Einführung dieses Angebots versäumt hat, auf die Gebühren der Geldanlagen hinzuweisen. Kunden und Verbraucherzentralen beklagten bereits die mangelnde Transparenz der Fintech-Bank (siehe auch T3N).
Öko-Faktor Crowdfunding
Man könnte nun glauben, dass Fintech und Nachhaltigkeit grundsätzlich nicht kompatibel seien. Doch bereits 2012 bewies die Fidor Bank das Gegenteil. Damals führte sie als erste deutsche Bank eine Crowdfunding-Plattform ein. Plötzlich war es den Usern möglich, mit einem Klick ihren Lieblingsverein zu fördern oder Spenden für soziale Initiativen zu sammeln. Ein Beispiel, dem inzwischen viele Banken gefolgt sind, darunter auch die GLS Bank mit der GLS Treuhand Gemeinschaftscrowd.
Es bleibt zu hoffen, dass auch Fintech-Unternehmen wie N26 oder Holvi sich in diese Richtung entwickeln. Oder sie entwickeln ganz neue Ansätze, um noch mehr Geld in sinnvolle Kreisläufe zu bringen. Hoffen darf man.
Wie digital sind die Öko-Banken?
Wer nicht abwarten will, ob die neuen Banken doch noch eine Kurswende schaffen, kann die Frage auch ganz einfach umkehren: Wie viel Fintech steckt eigentlich in Öko-Banken (siehe Liste grüne Banken)? Wenn ich zu einer Öko-Bank wechsle, muss ich dann Einbußen beim digitalen Fortschritt hinnehmen?
Auch bei den Öko-Spezialisten wie der GLS Bank und der Triodos Bank wird unter Hochdruck daran gearbeitet, das Banking-Erlebnis so einfach und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten. Dazu gehören auch bisher mühsame Prozesse wie der Kontowechsel, der bei ihnen spielend leicht über die Bühne geht. Die Daten des alten Bankkontos werden innerhalb von Minuten übertragen und Zahlungspartner wie der Arbeitgeber oder die Krankenkasse automatisch informiert. Die Registrierung per Video-Ident ist bereits möglich oder unmittelbar geplant. Auch die schnelle Überweisung ohne Eingabe der IBAN ist im Kommen.
Zugegeben: Die Webseiten und Apps der Fintech-Banken sind noch müheloser zu bedienen als bei den Öko-Banken – und vielleicht auch ein wenig schöner gestaltet. Aber das sind technische Vorsprünge, die Öko-Banken vergleichsweise leicht aufholen können. Ganz bestimmt leichter als die Umstellung auf ein ethisch-ökologisches Geschäftsmodell, wie es die Fintech-Banken noch vor sich haben.
Drei beispielhafte Fintech-Banken im Web: N26, Holvi, Fidor
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Grünes Girokonto: Was Ökobanken uns Privatkunden bieten
- Nachhaltige Geldanlagen: so geht grünes Banking
- 5 Argumente gegen konventionelle Banken
- Utopia-Bestenliste: Die besten Öko-Banken (mit Nutzerbewertungen)
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