Das neue Heizungsgesetz ist seit 01. Januar in Kraft, doch bei vielen Menschen bleiben Unsicherheiten. Wir haben einen führenden Energieexperten gebeten, mehr Klarheit in die Sache zu bringen.
Um wenige Themen gab es 2023 in Deutschland so viele Debatten wie um das Heizungsgesetz (korrekt: Gebäudeenergiegesetz). Nun ist das Gesetz in Kraft und bildet den Rahmen für die dringend notwendige Wärmewende.
Um verständlicher zu machen, was das für uns bedeutet, haben wir mit einem der führenden Experten zum Thema gesprochen: Dr. Reinhard Loch ist Bereichsleiter für den Bereich Energie bei der Verbraucherzentrale NRW und hat uns einige Fragen zum Gesetz und zur Wärmewende beantwortet.
Übrigens: Das komplette Interview gibt es hier zum Anhören (wenn dir der Podcast-Player nicht angezeigt wird, liegt es vermutlich an deinem Adblocker):
„Wir schieben die Transformation hinaus“
Utopia: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Stärken und was die größten Schwächen dieses Gebäudeenergiegesetzes?
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Reinhard Loch: Wir müssen Öl- und Gasverbrauch in unseren Häusern senken oder ganz abstellen – wegen des Klimawandels, aber auch wegen der Abhängigkeit, insbesondere von unseren Gaslieferanten.
Daher geht das Gesetz in die richtige Richtung. Es ist aber auf dem Weg verwässert worden und das werfen insbesondere Umweltverbände dem jetzigen Gesetz vor: dass es für den Verbraucher durch die Kopplung an das Wärmeplanungsgesetz noch komplizierter geworden ist.
Es sind Übergangsfristen eingebaut worden. Die haben einerseits den Vorteil, dass für die Endverbraucher noch ein bisschen mehr Zeit gewonnen ist. Aber natürlich schieben wir die Transformation hin zu einer CO2-freien Beheizung unserer Wohngebäude noch weiter hinaus. Bis wir wirklich klimaneutral heizen müssen, dauert es noch einige Jahre.
Utopia:Ab Januar 2024, also mit Inkrafttreten dieses Gesetzes, ändert sich also erst einmal wenig, oder?
Loch: Genau. Das Ziel ist, bis 2045 fossile Energien für die Beheizung zu verbieten. Dann müsste der letzte Öl- und Gaskessel abgeschaltet werden. Aber noch dürfen wir Öl- und Gasheizung einbauen, weil der Gesetzgeber gesagt hat: Wir warten, bis die sogenannte kommunale Wärmeplanung stattgefunden hat. Das ist bei kleineren Kommunen bis 2028 der Fall, die größeren Kommunen müssen schon Mitte 2026 so weit sein.
Dann wird für jedes Quartier in der Planung festgelegt: Wird es eher Gas-versorgt sein – damit meine ich das Wasserstoffnetz – oder wird es eher Fernwärme-versorgt sein oder wird es eine dezentrale Lösung brauchen, das wird in der Regel die Wärmepumpe oder Holzpelletheizung sein.
Wer ab 1.1.2024 also eine Heizung einbaut, darf noch Öl oder Gas einbauen, muss sich allerdings vorher beraten lassen über die Konsequenzen: Wenn ich die Heizung jetzt noch einbaue, ist sie in zehn Jahren vielleicht nicht mehr zukunftsfähig, dann ist der Energieträger zu teuer. Und man muss sich darüber im Klaren sein, dass man ab 2028/2029 erneuerbare Anteile im Energieträger beimischen muss, also beispielsweise Biomethan oder grünen Wasserstoff.
Erneuerbare Energien werden günstiger
Utopia:Ich darf mir zwar jetzt noch eine neue Gasheizung einbauen lassen. Wenn ich über einen Heizungstausch nachdenke, wäre es aber sinnvoll, gleich auf einen Energieträger zu setzen, der heute schon als erneuerbar gilt – wie die Wärmepumpe oder die Fernwärme?
Loch: Unbedingt, denn wir gehen davon aus, dass die fossilen Energieträger in Zukunft immer teurer werden. Wir wollen ja, dass Öl und Gas immer mehr aus dem Markt fallen. Wir werden immer mehr der Kosten, die in der Umwelt entstehen, auf den Energieträger umlegen und das ist insbesondere die CO2-Abgabe. Deswegen ist es mittel- und langfristig sinnvoll, heute nicht mehr zu fossilen Energieträgern zu wechseln. Da ist die Wärmepumpe natürlich ganz weit vorne, aber auch die Fernwärme, wenn sie grüner wird, und natürlich auch die Biomasse, dort, wo man sie gut einsetzen kann.
Utopia:Wir hoffen also bei der Wärmepumpe, die ja zu einem Teil mit Strom betrieben wird, darauf, dass durch den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien die Strompreise mittel- bis langfristig günstiger werden.
Loch: Genau. Wir haben jetzt schon etwa 50 Prozent Erneuerbare im Strommix, das sollen bis 2030 80 Prozent werden. Und wir gehen davon aus, dass durch die Stromerzeugung über Windkraft, aber auch durch Photovoltaik die Gestehungskosten [Kosten für die Umwandlung einer anderen Energieform in elektrischen Strom, Anm. d. Red.] für den Strom immer günstiger werden. Daher wird dieser Strompreis, der ja im Moment noch deutlich über Öl- oder Gaspreisen liegt, immer günstiger.
Wir wollen das ja nicht nur für die Wärmepumpe, sondern streben ja gleichzeitig auch einen höheren Anteil an Elektromobilität an. Auch die Elektromobilität wird natürlich begünstigt, wenn der Strom zum Laden unserer Autos immer billiger wird.
Vor Heizungstausch: das Haus „ganzheitlich anschauen“
Utopia:Jetzt will ich es mal versuchen, ganz konkret zu machen: Wenn ich ein Haus habe, Baujahr 1970, an dem man schon länger nichts mehr gemacht hat, und ich müsste bald die Heizung austauschen – wie gehe ich vor?
Loch: Am sinnvollsten ist natürlich, erstmal eine Energieberatung in Anspruch zu nehmen. Denn für dieses Haus, gerade wenn ein bisschen Sanierungsstau ist, brauche ich vielleicht einen sogenannten individuellen Sanierungsfahrplan durch Fachleute, also Energieberater und Energieberaterinnen, die sich das Haus ganzheitlich anschauen.
Das heißt, ich darf nicht nur auf die Heizung schauen, sondern ich muss schauen: In welchem Zustand ist das Haus insgesamt, sind meine Dachflächen vielleicht geeignet für die Nutzung von Solarenergie, was müsste ich vielleicht investieren, um das Haus erst mal flott zu machen für die Nutzung beispielsweise einer Wärmepumpe?
Das Schöne ist: Sowohl der Fahrplan als auch die Maßnahmen werden [voraussichtlich, Anm. d. Red.] vom Staat gefördert und dann hat man eine sinnvolle Reihenfolge, die man abarbeiten kann.
Utopia:Wenn auch nach der Sanierung aus irgendwelchen Gründen eine Wärmepumpe nicht in Frage kommt: Was habe ich dann für Alternativen?
Loch: Die Hauptalternativen sind einmal die Fernwärme, wenn es sie in der Region oder im Quartier gibt. Das wird tendenziell eher in Städten der Fall sein, aber es gibt auch Nahwärmelösungen in Ortsteilen oder in kleineren Gemeinden.
Ansonsten gibt es die Biomasse-Nutzung. Das ist heute in der Regel der moderne Holzpelletofen, der gerade im ländlichen Bereich sehr beliebt ist, weil er die klassische Alternative zur Ölheizung ist.
Manche werden vielleicht darauf hoffen, dass das Wasserstoffnetz zu ihnen in die Straße kommt und sie dann ihre Gasheizung umrüsten oder eine moderne Wasserstoffheizung nehmen können. Das erwarten wir aber nur in den allerseltensten Fällen.
Und ganz theoretisch gibt es noch die Möglichkeit der elektrischen Direktheizung durch Infrarotheizkörper, aber das wird man in einem schlecht gedämmten älteren Gebäude wohl nie machen, weil es einfach viel zu teuer wäre.
Utopia:Und wenn wir jetzt mal nicht über ein Einfamilienhäuschen sprechen, sondern über Mehrfamilienhäuser in eng bebauten Innenstadtlagen: Da sind Wärmepumpen oft nicht die einfachste Lösung.
Loch: Mehrfamilienhäuser sind die Objekte, die uns auch als Experten immer wieder Kopfzerbrechen machen. Natürlich, wie das ja heute schon in vielen Großstädten ist, ist da die Fernwärme der Kandidat Nummer eins. Denn die macht sich insbesondere dort wirtschaftlich gut, wo viel Wärme auf kurzer Strecke abgenommen wird.
Ansonsten gibt es aber auch im Bereich der Wärmepumpe Lösungen für Mehrfamilienhäuser. Wir sprechen dann entweder von Kaskaden-Anwendungen – dass man also eine Großwärmepumpe hat, die das Heizwasser auf ein gewisses Temperaturniveau hebt für das ganze Haus, in den einzelnen Wohnungen dann aber noch mal eine zweite Wärmepumpe, die das anhebt auf ein höheres Niveau. Oder es gibt dezentrale Lösungen, wo man wohnungsweise kleinere Wärmepumpen in die einzelne Wohnung macht.
Da ist die Forschung dran, da gibt es auch schon gute Musterbeispiele. Aber in der Tat sind die Mehrfamilienhäuser besonders schwierig, denn dort haben wir in der Regel die Wärmequelle für eine Wärmepumpe, sei es Luft oder Erdreich, nicht so gut zur Verfügung. Wir werden deswegen wahrscheinlich mit etwas komplexeren Lösungen arbeiten müssen.
Heizungstausch: „Win-win-Situation“ für Mieter:innen
Utopia:Was heißt es für mich als Mieter:in, wenn mein Vermieter oder meine Vermieterin beschließt: Wir investieren in ein neues Heizsystem?
Loch: Natürlich kann der Vermieter, wenn er etwas tut an seinem Haus, das als Modernisierung umlegen mit der sogenannten Modernisierungsumlage. Es soll ja ein Gewinn für den Mieter sein, dass er entweder mehr Komfort hat oder deutlich gesunkene Nebenkosten. Bei einer idealen energetischen Modernisierung und bei einer Heizungserneuerung wäre zu erhoffen, dass der Mieter langfristig niedrigere Heizkosten hat. Der Gesetzgeber hat im Heizungsgesetz aber auch klare Grenzen gesetzt, es darf nicht über eine Mieterhöhung von 50 Cent pro Quadratmeter und Monat hinausgehen.
Utopia:Und ich muss einfach hoffen, dass mein:e Vermieter:in eine sinnvolle Investition tätigt, die dann mittelfristig dazu führt, dass ich weniger Heizkosten habe.
Loch: Das ist natürlich der große Kampf, der ja durchaus auch in der Politik stattfindet, zwischen Wohnungswirtschaft einerseits und Mieterverbänden andererseits. Wir wollen alle, dass in dem Bereich etwas passiert, auch um den Mieter vor langfristig steigenden Energiekosten zu schützen. Denn durch die fossilen Energieträger – wenn der Vermieter gar nichts macht und die Hütte sozusagen immer schlechter werden lässt und die Heizung immer älter – hat der Mieter ja mit extrem steigenden Energiekosten zu rechnen. Und das wollen wir verhindern. Insofern ist das schon eine Win-win-Situation. Die Frage ist, wie man die Kosten über die Zeit und über die Nutzergruppen gerecht verteilt.
Utopia:Auf Hausbesitzer:innen kommen bei einem Heizungstausch relativ hohe Kosten zu. Es gibt aber umfangreiche Förderprogramme, auch im Zuge des neuen Gebäudeenergiegesetzes. Welche Förderungen kann ich jetzt bekommen und was muss ich dafür tun?
Loch: Das hat der Gesetzgeber im Heizungsgesetz schon mit angelegt, dass es eine Modernisierung des BEGs gibt – die Bundesförderung effiziente Gebäude, das ist die Hauptförderquelle. Die greift zum 01.01.2024 zusammen mit dem Gesetz. Dort wird die Förderung für Heizungsmodernisierung auf bis zu 70 Prozent angehoben, im Bereich der Gebäudehülle auf 30 Prozent.
Die Förderung besteht aus 30 Prozent sogenannter Grundförderung. Dann kann man noch bis zu 30 Prozent bekommen, wenn man kein hohes Einkommen hat, die Grenze sind 40.000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen. Und dann gibt es noch einen Beschleunigungsbonus, wenn man also sehr schnell handelt, gibt es 20 Prozent. Aber die Förderung gibt es in der Summe maximal zu 70 Prozent.
Utopia:Aber auch wenn ich von dem extra Einkommensbonus nicht profitieren kann, kann ich ab 2024 50 Prozent Förderung für meine neue Heizung bekommen. Das ist ja schon einiges.
Loch: 30 Prozent Basisförderung, und wer 2024 schon handelt, also sich schnell dazu entschließt, eine Heizungsmodernisierung zu machen, der kann noch 20 Prozent Investitionszuschuss bekommen. Da wären wir bei 50 Prozent.
Allerdings hat der Gesetzgeber eine Obergrenze eingesetzt, auch um seine eigenen Ressourcen zu schonen. Denn wir rechnen ja damit, dass viele das in Anspruch nehmen. Die Obergrenze für die Förderung, die man beantragen kann, liegt bei 30.000 Euro. Das ist die Summe, für die man Zuschuss bekommen kann. Wenn man davon also 70 Prozent bekommen kann, wäre das eine maximale Förderung von 21.000 Euro im Bereich der Heizungssanierung. Ähnliches gilt dann noch mal für die Gebäudehülle, auch da gibt es eine Obergrenze.
Wärmewende: „Vielleicht werden wir beschleunigen müssen“
Utopia:Ich würde Sie bitten, mit mir noch einen Blick in die Zukunft zu werfen, ins Jahr 2045, wo wir ja klimaneutral sein wollen. Ist es dann wirklich so, dass wir nur noch mit Fernwärme, Wärmepumpe, Pellets und Solarthermie heizen werden – also Energieträgern, die wir heute als erneuerbare Energieträger einstufen?
Loch: Im Gesetz ist es so vorgesehen. Wir müssen das ja auch, wenn wir den Klimawandel ernst nehmen. Vielleicht werden wir bis dahin sogar noch beschleunigen müssen.
Die Experten gehen davon aus, dass unsere Gebäude 2045 vielleicht nur noch halb so viel Energie verbrauchen. Nach den Tendenzen der meisten Studien ist klar, dass zwischen 50 und 70 Prozent der Wärme dann durch elektrische Wärmepumpen gemacht wird, also das ist der Hauptträger.
20 bis 30 Prozent, schätzen die Experten, wird die Fernwärme sein, die dann ja auch grün sein muss. Die muss dann auch ihren Energieträger wechseln, von zum Teil noch Kohle, Gas und Öl hin zu Erneuerbaren. Die Biomasse liegt mit 10 bis 20 Prozent im Rennen. Hier ist der begrenzende Faktor, dass wir so viel heimisches Holz nicht haben und wir wollen auch kein Holz irgendwo aus Raubbau haben.
Deswegen also die Tendenz ganz klar: Ich schätze mal, zwei Drittel bis drei Viertel unserer Häuser werden wir zukünftig mit der Wärmepumpe beheizen.
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