Können wir lernen, glücklicher zu sein – oder Glück sogar planen? Wir haben einen Glücksforscher, eine Philosophin, einen Buddhismus-Experten und eine Karriere-Beraterin nach ihrer Meinung gefragt – und nach Tipps für ein zufriedenes Leben.
Verglichen mit anderen Nationen sind wir Deutschen recht glücklich. Das geht zumindest aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos hervor. 2020 gaben 73 Prozent der befragten Bundesbürger:innen an, dass sie sehr oder zumindest ziemlich „glücklich“ seien. Das Ipsos-Institut hat auch Menschen in 26 weiteren Ländern befragt. Deutschland landete auf Platz neun, hinter China und Schweden, aber noch vor den USA.
Doch wenn man die Studie aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, ergibt sich ein trauriges Bild: 27 Prozent, also mehr als jede:r vierte Deutsche, würde sich demnach zum Zeitpunkt der Befragung nicht besonders glücklich fühlen. Bei knapp 83 Millionen Staatsbürgern wären das immerhin rund 22 Millionen unglückliche Menschen.
Auch die Pandemie trug dazu bei, dass sich die Menschen unglücklicher fühlen. Zwar erholt sich die Lebenszufriedenheit, jedoch bislang nur leicht.
Wie können diese Menschen etwas an ihrer Situation ändern? Kann man überhaupt beeinflussen, wie glücklich man sich fühlt – und wenn ja, was muss man ändern, um glücklicher zu werden? Wir haben Expert:innen für Glücksforschung, Philosophie, Buddhismus und Berufsberatung gefragt.
Glück ist nicht gleich Glück
Haben wir einen Einfluss darauf, wie glücklich wir sind? Das kommt darauf an, wie man „Glück“ definiert. Der Religionswissenschaftler und Buddhismus-Experte Prof. Dr. Michael von Brück erklärt: „Bei Glück unterscheidet man zwischen dem, was auf einen zukommt, und dem, was man selbst herbeiführen kann.“ Auf das Erste hat man demnach keinen Einfluss, auf das Zweite schon.
Wie glücklich wir uns fühlen, hängt trotzdem nicht vom Zufall ab. Laut von Brück entscheiden wir selbst darüber, wie wir auf äußere Einflüsse regieren. So können wir zum Beispiel glücklicher sein, wenn wir für verschiedene Aspekte unseres Lebens bewusst Dankbarkeit empfinden. Das können auch ganz kleine Dinge sein, zum Beispiel der Atem, der durch unseren Körper fließt.
Doch auch, wenn die Dinge einmal nicht gut laufen, können wir daraus noch etwas Gutes ziehen. „Frustration kann zum Beispiel den Willen stärken“, erklärt von Brück. Er zitiert den Dalai-Lama: „Auch der Gegner macht mich stärker.“
Glücklich sein: Das sagt Aristoteles dazu
Können wir steuern, wie glücklich wir sind? Mit dieser Frage haben sich auch schon viele Philosophen beschäftigt. „Laut Aristoteles muss man Glück sogar lernen“, erklärt Dr. Rebecca Gutwald von der Hochschule für Philosophie München im Gespräch mit Utopia. „Für ihn bedeutet Glück, ein moralisch gutes Leben zu führen. Wie das gelingt, muss man von anderen Menschen lernen und von Kind auf üben.“
„Moralisch“ heißt für Aristoteles zum Beispiel, dass man maßvoll lebt. „Man muss nicht völlig entsagen“, erklärt Dr. Gutwald. Stattdessen solle man sich darauf besinnen, was man zum Leben wirklich braucht.
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Glücksforscher: Wir müssen uns sinnhafte und realistische Ziele setzen
Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel ist Glücksforscher. Er forscht seit fünfzehn Jahren dazu, unter welchen Bedingungen sich Menschen glücklich fühlen. „Einerseits muss die Gefühlsbilanz stimmen“, erklärt er. Über den Tag verteilt sollten wir deutlich mehr positive Gefühle haben als negative. „Zum anderen ist das kognitive Wohlbefinden wichtig. Dabei geht es darum, wie zufrieden man mit dem eigenen Leben ist.“
Wie zufrieden man sich fühlt, hänge davon ab, ob man sich sinnhafte und realistische Ziele setzt. „Sinnhafte Ziele sind für uns Menschen persönliches Wachstum, das Gelingen zwischenmenschlicher Beziehungen sowie der Einsatz für die Gesellschaft. Diese drei Aspekte befriedigen unsere psychischen Grundbedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit am besten – nicht Geld, Schönheit oder Popularität.“
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Glücklich im Job: Eine positive Haltung ist wichtig
Und im Job? Da muss man oft nach der Pfeife der Vorgesetzten tanzen – das frustriert viele. Trotzdem können wir zumindest teilweise beeinflussen, wie glücklich wir uns bei der Arbeit fühlen. Karrierecoach Elke Wagenpfeil erklärt: „Die innere Haltung kann beeinflussen, wie glücklich wir im aktuellen Job sind. Wir richten oft mehr Energie auf das Negative, zum Beispiel auf die eine schwierige Kollegin. Dabei vergessen wir, wie nett das restliche Team ist.“ Außerdem rät sie dazu, stets aufmerksam und offen zu sein. So können wir (berufliche) Gelegenheiten besser erkennen und unser Glück so beeinflussen.
Glücklich sein: 4 Tipps für ein zufriedenes Leben
Glücksforscher, Philosophin, Religionsexperte und Berufsberaterin scheinen sich also einig zu sein: Ja, wir können zumindest teilweise steuern, wie glücklich wir sind. Wer sich unzufrieden oder unglücklich fühlt, hat also die Möglichkeit, daran etwas zu ändern. Die Experten haben folgende Tipps:
- Konzentriere dich auf das Gute. Die Nachrichten in den Medien können manchmal ganz schön deprimierend wirken: Ständig geht es um Gewalt, Leid und Konflikte. Buddhismus-Experte von Brück rät: „Mache dir klar, dass solche Meldungen nur einen Teil der Wirklichkeit abbilden.“ Es gibt genauso viele gute Seiten – NGOs und Bildungsinitiativen zum Beispiel. Von Brück rät: „Überlege auch, wie du dich beteiligen kannst. Selbst aktiv zu werden ermöglicht nachhaltiges Glück.“
- Stärke positive Gefühle. Glücksforscher Ruckriegel empfiehlt zum Beispiel, ein Dankbarkeitstagebuch zu führen. „Überlege dir zwei bis dreimal pro Woche abends drei Dinge, die sich tagsüber ereignet haben und für die du dankbar bist. Dann wist du nach ein paar Monaten merken, dass du das Positive viel stärker wahrnimmst und damit eine realistischere Sichtweise auf das Leben hast.“ Zudem rät der Glücksforscher dazu, negative Gefühle vorsichtig zu dosieren: „Aufregen im Stau macht schlicht keinen Sinn.“
- Setze dich mit dem Thema auseinander. Dauerhaft glücklich sein – das ist ein wichtiges Thema in der Philosophie. Philosophie-Dozentin Gutwald rät: Sei mutig und suche nach dem Sinn. Nimm dir dazu Zeit, informiere dich und denke selbst nach. Du kannst zum Beispiel in einem Philosophiecafé (oder online) mit anderen diskutieren und so Antworten finden.
- Suche dir einen Job, der dich glücklich macht. Dieser sollte laut Karrierecoach Wagenpfeil im besten Fall folgende Bedingungen erfüllen: „Erstens, das eigene Tun und das des Unternehmens sollten dir sinnvoll erscheinen. Zweitens, lebe das, was du gerne tust und gut kannst. Drittens, arbeite in einem positiven Betriebsklima, in dem du wertgeschätzt wirst. Und viertens solltest du dich im Job weiterentwickeln können.“ Um so einen neuen Job zu finden, ist es wichtig, dass du dir über deine eigenen Talente, Werte und Motive klar wirst und dir die passende Umgebung dafür suchst. Übrigens: Nachhaltige und gute Jobs findest du auf grünen Jobbörsen.
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