Viele Tiere wandern von Natur aus etliche Kilometer am Tag. Aber Straßen und Autobahnen machen das oft unmöglich. Daher sollen Grünbrücken Lebensräume wieder vernetzen und Wildkorridore für Wildtiere zum Wandern schaffen.
Das Problem der Zerschneidung und Grünbrücken als Lösung
230.000 Kilometer überörtliche Straßen durchziehen Deutschland, davon allein 13.141 Kilometer Autobahn, so Statista. Diese Straßen und auch das Bahnnetz stellen für viele Tiere ein unüberwindbares Hindernis dar. Grünbrücken, auch Wildbrücken genannt, sollen das lösen.
Die Lage in Deutschland ist problematisch: Die natürlichen Lebensräume vieler Arten sind stark zerschnitten und in sehr kleine Teile gegliedert, getrennt durch viel befahrene Bundesstraßen und Autobahnen. Zum Schutz von Mensch und Tier begrenzen Wildschutzzäune häufig die Straßen. Das macht einen Ortswechsel vieler Tiere nahezu unmöglich.
Besonders für große Wildtierarten wie Rothirsch, Luchs, Elch oder Wolf sind Reviergrößen von mehreren hundert Quadratkilometern aber ganz natürlich und sie wandern mehrere Dutzend Kilometer pro Tag, so das Bayrische Landesamt für Umwelt. Durch die enge Bebauung ist ihnen das häufig aber nicht möglich.
Die Zerschneidung von Lebensräumen bringt laut dem BUND viele negative Folgen mit sich:
- Geschätzte 250.000 Wildunfälle gibt es jährlich auf Deutschlands Straßen. Dabei müssen über 200.000 Rehe und 23.000 Wildschweine ihr Leben lassen bei dem Versuch, eine Straße zu überqueren. Besonders bei bedrohten Tierarten kann das die Gefährdung noch immens verschärfen.
- Die genetische Vielfalt ist bedroht, weil kein Austausch mehr zwischen einzelnen Populationen stattfinden kann. Sie sind abgeschnitten voneinander und haben keine Kontaktmöglichkeiten mehr.
- Die Erschließung neuer Lebensräume, die durch die Klimakrise dringend notwendig wäre, ist für viele Pflanzen- und Tierarten nicht möglich, weil sie nicht mehr wandern können.
Das Problem haben auch Umweltverbände und Politik erkannt. Daher gibt es seit einigen Jahren Bestrebungen und Pläne, Lebensräume von Tieren wieder mittels Wildtier- oder Wanderkorridoren zu verbinden. Die Wildtierkorridore ermöglichen es den Tieren, befahrene Straßen zu über- oder unterqueren mithilfe von Grünbrücken, Wildunterführungen oder Amphibientunneln. Das dient auch als eine Maßnahme zum Erhalt der Artenvielfalt.
Grünbrücken in der Politik: Wer baut wo was?
Mit der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt von 2007 ist Deutschland zum Bau solcher Tunnel oder Grünbrücken verpflichtet. Dort heißt es nämlich als Ziel: „Neue Verkehrswege (vor allem Straße, Wasserstraße, Schiene) weisen eine ausreichende ökologische Durchlässigkeit auf (zum Beispiel Fischtreppen in Fließgewässern, Grünbrücken an Verkehrswegen). Bis 2020 gehen von den bestehenden Verkehrswegen in der Regel keine erheblichen Beeinträchtigungen des Biotopverbundsystems mehr aus. Die ökologische Durchlässigkeit von zerschnittenen Räumen ist erreicht.“
Die Umsetzung erfolgt mithilfe des Bundesprogramms Wiedervernetzung. Die Grundlage dafür findet sich im Bundesnaturschutzgesetz, mit dem Bund und Länder dazu verpflichtet sind, ein Netz verbundener Lebensräume zu schaffen. Zwei zentrale Grundsätze sind dazu im Bundesprogramm vorgesehen:
- Beim Neubau von Infrastruktur gilt es, Zerschneidungen von Korridoren zwischen Lebensräumen zu vermeiden und die Korridore bei der Planung zu beachten und notfalls durch den Bau von Grünbrücken sicherzustellen.
- Im vorhandenen Straßennetz sollen an den, so wortwörtlich, „wichtigsten Punkten der Lebensraumkorridore“ Maßnahmen zur Wiedervernetzung durchgeführt werden – sprich Grünbrücken oder Tunnel gebaut werden.
Kritik an den Grünbrücken
Der BUND warnt aber auch davor, dass Grünbrücken in manchen Fällen teure Fehlplanungen sein können: In manchen Fällen sei eine Grünbrücke nur eine Maßnahme, um die Bauwirtschaft anzukurbeln und zu fördern.
An anderen Orten dient eine Grünbrücke auch schlichtweg als die in der Landwirtschaft geforderte Ausgleichsfläche. Die Landwirtschaft nutzt sie als Querungsweg und muss keine weiteren Ausgleichsflächen zur Verfügung stellen. Zudem werden Grünbrücken, die auch von Menschen benutzt werden, von Tieren viel weniger oder erst viel später genutzt. Ausgleichsflächen müssen überall dort geschaffen werden, wo durch Baumaßnahmen Eingriffe und somit Beeinträchtigungen der Natur stattfinden. Wie der Name sagt, sollen sie diese Beeinträchtigungen ausgleichen, indem sie andernorts die ökologische Qualität der Natur und Landschaft deutlich steigern, so das Bayrische Landesamt für Umwelt.
Daher ist es laut BUND wichtig, den kritischen Blick auf die geplanten Grünbrücken zu wahren und vor allem nach dem Bau den Erfolg einer Grünbrücke zu kontrollieren. Es gilt, abzuwägen, ob der Bau einer Grünbrücke wirklich die sinnvollste Verwendung der Gelder ist oder es nicht beispielsweise sinnvoller in die Renaturierung bestimmter Lebensräume investiert wäre.
Daher benötigt der Bau einer Grünbrücke vorher auch Untersuchungen, wo die Wanderwege von Tieren überhaupt entlanggehen. Und keine neue Straße ist aus ökologischer Sicht immer besser als eine neue Straße mit Grünbrücke, denn das verringert auch das Problem der Bodenversiegelung.
Wo gibt es schon Grünbrücken?
Bereits im Jahr 2014 teilte das Bundesumweltministerium mit, dass 16 der 18 im Rahmen des Bundesprogramms Wiedervernetzung ersten geplanten Grünbrücken fertiggestellt sind. Darunter alleine fünf in Brandenburg und vier in Nordrhein-Westfalen. Jedes Bundesland hat in der Regel ein eigenes Konzept mit einer Prioritätenliste, in dem der Bedarf an Wildkorridoren festgehalten ist. So möchte alleine Bayern innerhalb von 15 bis 25 Jahren 65 Querungshilfen für Wildtiere bauen.
Insgesamt sollen es laut NABU bis 2020 über 90 Grünbrücken bundesweit werden. Der NABU hat auch eine Karte veröffentlicht, wo du für ganz Deutschland sehen kannst, wo Wildbrücken schon gebaut oder geplant worden sind und wo noch welche entstehen sollen.
Auch der BUND beteiligt sich politisch und beratend bei dem Bau von Grünbrücken und in der Wiedervernetzung von Lebensräumen. So möchte er zum Beispiel mit der Veröffentlichung des „Handbuch Biotopverbund“ Informationen dafür bieten, sich praktisch für die Umsetzung des Biotopverbunds zu engagieren.
Im letzten Rechenschaftsbericht 2017 über die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt verweist das Bundesumweltministerium darauf, dass von den geplanten 18 Grünbrücken alle bis auf eine, die sich noch im Bau befindet, realisiert sowie viele weitere kleine Maßnahmen umgesetzt wurden. Damit scheinen die Ziele des Bundesprogramms Wiedervernetzung bis Ende 2020 erfüllt zu werden. Bis die ökologische Durchlässigkeit aber wieder vollständig hergestellt ist, dürfte es vermutlich noch weitere Maßnahmen brauchen.
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