Das Impostor-Syndrom ist kein seltenes Phänomen: Du strengst dich an, bereitest dich gut vor, hast Erfolg – und fühlst dich trotzdem wie ein:e Betrüger:in. Wir erklären dir, wie du die Angst überwindest, nicht gut genug zu sein.
„Impostor“ kommt aus dem Englischen und heißt Hochstapler:in oder auch Schwindler:in, Betrüger:in. Das Wort beschreibt also Menschen, die mehr Erfolg, Vermögen oder einen höheren gesellschaftlichen Rang vortäuschen, als sie eigentlich haben. Sie geben vor, etwas zu sein, was sie nicht sind, um erfolgreich zu sein – und das in der Regel absichtlich.
Und dann gibt es Menschen, die sich immer wieder wie Hochstapler:innen fühlen. Menschen, die glauben, ihr eigener Erfolg sei nur Zufall oder Glück – und die in ständiger Angst leben, dass das irgendwann auch alle anderen um sie herum herausfinden werden.
Diese Art der Selbstzweifel hat einen Namen: Das Hochstapler-Syndrom oder auch Impostor-Syndrom. Dabei handelt es sich nicht um eine psychische Krankheit mit exakter Diagnose oder ein echtes Syndrom im wissenschaftlichen Sinne, sondern es geht vielmehr um das persönliche Erleben oder einen Zustand im Leben. Das Wort Syndrom müsste also eigentlich immer in Anführungszeichen stehen. Aus Gründen der Leserlichkeit verzichten wir in diesem Beitrag jedoch darauf.
Du kannst das Phänomen vielleicht an dir selbst feststellen, indem du dir ganz einfach die Frage stellst: Wie geht es dir, wenn du Erfolg hast? Fühlst du dich dann freudig, gibt dir der Erfolg Selbstvertrauen – oder geschieht das Gegenteil? Nämlich dass du dich noch mehr unter Druck gesetzt fühlst, dass du Angst hast, jemand könnte herausfinden, dass du ’nur Glück‘ hattest? Letzteres spricht dafür, dass auch du in deinem Leben mit dem Impostor-Syndrom zu kämpfen hast.
Welche Folgen bringt das Impostor-Syndrom mit sich?
Mit dem Hochstapler-Syndrom geht auch eine Zukunftsangst einher, die aus dem Gedanken rührt: „Das nächste Mal werde ich bestimmt nicht mehr so viel Glück haben.“ Betroffene nehmen ihre eigenen Schwächen überdeutlich wahr und überschätzen die Stärken und Fähigkeiten der Menschen um sie herum erheblich.
Die Selbstzweifel, die mit dem Impostor-Syndrom einhergehen, sind vielfältig. Sie äußern sich zum Beispiel in solchen und ähnlichen Denkmustern:
- „Was ich kann, können alle anderen ja sowieso auch.“
- „Das war nur Zufall oder jemand hat einen Fehler gemacht, nur deshalb habe ich Erfolg.“
- „Hoffentlich merken die anderen nicht, dass ich gar nichts kann und nur alles vorschwindle.“
- „Ich verstelle mich die ganze Zeit.“
- „Ich habe das nicht verdient.“
Menschen mit dem Hochstapler-Syndrom fühlen sich häufig neuen Aufgaben nicht gewachsen. Laut einem Artikel im MinD-Magazin vom Mensa in Deutschland e. V. geraten sie gerade dadurch in einen Teufelskreis: Wer sich selbst als Hochstapler:in erlebt, sucht nach immer neuer Bestätigung von außen und versucht deshalb aufzusteigen, mehr Erfolg zu haben. Aber wenn Betroffenen das gelingt, fühlen sie sich erst recht wieder wie Hochstapler:innen und schieben den Erfolg auf Zufall, gute Beziehungen oder Ähnliches. Sie suchen deshalb weiter nach neuer Bestätigung, haben dabei vielleicht wieder Erfolg und so geht es weiter.
Wie Menschen mit Impostor-Syndrom auf eine Situation reagieren, lässt sich in zwei Kategorien aufteilen: Overdoing und Underdoing:
- Overdoing heißt, der oder die Betroffene bereitet sich bis zur Perfektion vor, arbeitet sich bis ins kleinste Detail ein.
- Underdoing wiederum bedeutet, anstehende Prüfungen oder dergleichen bis zum Letzten vor sich herschieben, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen und sich wenig bis gar nicht vorzubereiten. Bei einem Misserfolg können sich Underdoer dann vor sich selbst mit der Ausrede rechtfertigen, sie hätten es gar nicht besser machen können – schließlich waren sie nicht gut genug vorbereitet.
Wer ist betroffen?
Laut MinD ist das Impostor-Syndrom häufig bei Frauen zu beobachten, weil sie mit Gedanken kämpfen wie: „Die haben mich ja nur wegen der Frauenquote eingestellt“ oder: „An einen Mann wären viel höhere Anforderungen gestellt worden.“ Dazu kommt der empfundene Druck, die eigene Gruppe würdig repräsentieren zu müssen: Als Frau fühlt sich die Betroffene stellvertretend für alle Frauen im Scheinwerferlicht – und wenn eine Karrierefrau Misserfolg hat, dann fällt das auf alle anderen Frauen zurück, so der Gedanke dahinter.
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Das gilt allerdings auch für andere Gruppen in der Gesellschaft. Eine eindeutige Studienlage dazu, ob Frauen tatsächlich häufiger mit dem Hochstapler-Syndrom kämpfen, gibt es nicht. Möglicherweise scheint der Anteil an Frauen auch deshalb höher, weil Frauen sich eher trauen, darüber zu reden. Neuere Forschung deutet darauf hin, dass das Phänomen Männer und Frauen etwa zu gleichen Teilen betrifft.
Wissenschaftler:innen halten außerdem einen Zusammenhang zwischen Diskriminierung und Impostor-Syndrom für möglich, so ein Artikel der Zeit: Wer ohnehin schon wenig Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten setzt, hat bei Erfolg dann auch schnell das Gefühl, dass das alles nur Glück war. Gerade bei gesellschaftlichen Minderheiten sei das häufiger der Fall.
Insgesamt spielen aber viele Persönlichkeitsfaktoren eine Rolle. Beispielsweise sind introvertierte Menschen eher betroffen, ebenso wie Menschen mit einer wenig unterstützenden Familien oder vielen Konflikten im familiären Umfeld. Auch Menschen, die sehr ängstlich sind oder sich schnell schämen, neigen zu Hochstapler-Gefühlen. Dasselbe gilt auch für diejenigen, die lange Zeit nur Erfolg hatten – zum Beispiel in der Schule – und dann plötzlich mit größeren Herausforderungen konfrontiert werden.
Häufig tritt das Impostor-Syndrom auch nur in einer bestimmten Situation auf, der man sich nicht gewachsen fühlt: Bis zu siebzig Prozent der Menschen berichten in bestimmten Situationen von Impostor-Gefühlen.
"Ich kann nie ganz ich selbst sein": Viele fühlen sich auf privat als Hochstapler:in
Auch im Kontakt mit Freund:innen kann das Hochstapler-Syndrom auftreten: Dann nämlich, wenn man das Gefühl hat, eine Rolle zu spielen und im Umgang mit anderen Menschen nicht man selbst zu sein.
Und damit kommen wieder Selbstzweifel auf: Man ist der Meinung, dass die anderen einen gar nicht richtig kennen und dass sie die Person, die man selbst glaubt zu sein, wahrscheinlich nicht mögen würden. Eine Person mit Hochstapler-Syndrom leidet also häufig unter dem Gefühl, nicht sie selbst sein zu können und sich immer verstellen zu müssen.
Wie kann man das Impostor-Syndrom überwinden?
Die gute Nachricht gleich zu Anfang: Der erste Schritt zur Überwindung dieser Hürde ist es bereits, sich darüber klar zu werden, dass sie existiert. Anschließend sollte man lernen, den eigenen Erfolg nicht einem glücklichen Zufall zuzuschreiben, sondern sich selbst und den eigenen Leistungen.
Auch am eigenen Selbstwertgefühl zu arbeiten, kann dabei helfen, das Hochstapler-Syndrom zu überwinden. Sabine Magnet ist Autorin des Buches „Und was, wenn alle merken, dass ich gar nichts kann? Über die Angst, nicht gut genug zu sein. Das Impostor-Phänomen.“ Sie schlägt in einem Interview mit dem Spiegel drei erprobte Übungen vor, die dabei helfen können, das Hochstapler-Syndrom zu überwinden:
- Ein Erfolgstagebuch führen. Dabei schreibt man täglich die kleineren oder größeren Erfolge auf, die man heute erreicht hat. Das stärkt das Bewusstsein dafür, diese Dinge mithilfe der eigenen Fähigkeiten erreicht zu haben.
- Auch die Selbstliebe zu stärken, ist laut Sabine Magnet eine gute Strategie, um das Impostor-Syndrom loszuwerden.
- Und zuletzt empfiehlt sie ein Dankbarkeitsritual. Dankbarkeit lässt sich zum Beispiel üben, indem man regelmäßig mehrere Sachen aufschreibt, für die man dankbar ist. Dankbare Menschen haben insgesamt eine positivere Sicht auf die Welt.
Hinweis: Wer zunehmend unter Selbstzweifeln leidet, sollte in Anbetracht ziehen, sich professionelle psychologische Hilfe zu suchen.
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English version available: 8 Ways to Overcome Imposter Syndrome & Unlock Creativity
Überarbeitet von Denise Schmucker
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