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Körperbehaarung: Wie uns veraltete Schönheitsideale bis heute beeinflussen

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Foto: CC0 Public Domain - Unsplash/ Victoria Alexandrova (bearbeitet), CC0 Public Domain - Pixabay/ fsHH

Frauen mit Glatze? Männer mit starker Körperbehaarung? Schönheitsideale werden zwar diverser, doch viele Menschen werden noch immer stigmatisiert – weil sie nicht gängigen Standards entsprechen.

Hinweis: In diesem Artikel ist von „Männern“ und „Frauen“ die Rede. Mit „Frauen“ meinen wir sämtliche weiblich gelesene Personen, mit „Männer“ männlich gelesene.

Kaum ein Aspekt unseres Körpers ist so sehr geprägt von den gesellschaftlichen Normen und Schönheitsidealen wie unsere Körperbehaarung. Ein immer noch verbreitetes Schönheitsideal schreibt vor: am Kopf bitte viel, bei Frauen lang, bei Männern kürzer, am Körper weniger Haare. Bei Männern wird starke Körperbehaarung oder eine Glatze gesellschaftlich noch eher akzeptiert als bei Frauen.

Wenn die Körperbehaarung genetisch bedingt stark wuchert oder aufgrund einer Krankheit oder deren Behandlung, wie etwa einer Chemotherapie, ausfällt, kann das Betroffene psychisch belasten. Aber woher kommen unsere Vorstellungen von Schönheit eigentlich? Können wir ihnen überhaupt entsprechen? Welche Gründe und Behandlungsmöglichkeiten für Haarausfall gibt es?

Haare: So haben sich unsere Schönheitsideale entwickelt

Jede Epoche und jede Kultur hat ihre eigenen Vorstellungen davon, welche Frisuren, Haarlängen oder -strukturen und welche Haarfarbe als „schön“ gilt. Schon in der Antike waren lange Haare ein Symbol für Fruchtbarkeit und männliche Kraft und damit erstrebenswert. Später wurden die Haare unter anderem unter Perücken versteckt oder zu kunstvollen Frisuren hochgetürmt.

Im Laufe der Zeit entwickelten sich stark unterschiedliche gesellschaftliche Normen für Männer und Frauen – auch in Bezug auf Haare. In der heutigen Zeit werden Kurzhaarfrisuren eher Männern zugeordnet, während Frauen oft langes Haar tragen. Dicht und glänzend sollte das Haar jedoch bei beiden Geschlechtern sein. Natürlich hat nicht jede:r volles Haar – beide Geschlechter können zum Beispiel unter Haarausfall leiden. Bei Männern ist das offene Tragen einer Glatze jedoch deutlich stärker verbreitet als bei Frauen.

Welche Frisuren mit den Haaren gestaltet werden, ist ein Diktat der Mode. Im Laufe der Zeit wurden die Haare auch zum Mittel des Protests. So wehrten sich Frauen in den 1920er Jahren erstmals mit Kurzhaarschnitten gegen vorgegebene Rollenbilder. Die Hippiebewegung distanzierte sich durch lange Haare von gesellschaftlichen Normen – Punks nutzten dafür in den 1980er Jahren den knallbunt gefärbten Irokesenschnitt.

Körperbehaarung bei Frauen teils immer noch tabu

In Bezug auf unsere Körperbehaarung sind wir in Mitteleuropa weitaus weniger tolerant als beim Haupthaar. Für Frauen schrieb das dominante Schönheitsideal lange glatte Haut vor – das Zurschaustellen von Achselhaaren, behaarten Beinen oder gar eines Damenbarts waren tabu.

Seit einigen Jahren gibt es erste Gegenbewegungen: In den sozialen Medien werben Nutzerinnen unter dem Begriff „Body positivity“ für alternative Schönheitsideale und das Recht, sich im eigenen Körper wohlzufühlen. Zudem gibt es Challenges wie den Januhairy, um Körperbehaarung bei Frauen zu normalisieren.

Bei Männern sind Bärte, Brusthaare und auch sichtbare Haare an den Beinen allgemein akzeptiert. Dennoch geht der Trend auch bei Männern immer mehr in Richtung haarloser Körper. Medizinische Gründe für das Entfernen von Körperhaaren gibt es nur in Ausnahmefällen – doch sind Rasuren und andere Formen der Enthaarung weit verbreitet.

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Bei Männern ist sichtbare Körperbehaarung noch verbreiteter als bei Frauen. (Foto: CC0 Public Domain - Pixabay/ stokpic)

Körperbehaarung entfernen? Methoden haben Risiken

Sich die Haare zu entfernen, kann Nachteile haben: Rasieren hält nicht lange an, kann die Haut reizen und unangenehme Schnitte verursachen. Die lassen sich bei einer Haarentfernung mittels Epilieren, Waxing oder Sugaring zwar vermeiden, doch bei allen drei Methoden werden die feinen Härchen ausgerissen. Diese Prozedur ist schmerzhaft, muss alle paar Wochen wiederholt werden und empfindliche Haut reagiert oft mit Rötungen oder kleinen Rasierpickeln. Enthaarungscremes, die das Keratin auflösen und die Körperhärchen vor der Entfernung absterben lassen, sind im Gegensatz dazu zwar schmerzfrei, können jedoch auf sensibler Haut allergische Reaktionen hervorrufen.

Am längsten, nämlich einige Monate, hält eine Haarentfernung mittels Laser, IPL (Lichtblitze) oder Nadelepilation (kleine Stromstöße) an. Bei allen drei Methoden werden die winzigen Haarwurzeln verödet. Das ist teuer, teilweise schmerzhaft und kann massive Nebenwirkungen haben, beispielsweise Narben und Verbrennungen.

Haarausfall gibt es nicht nur bei Männern

So erstrebenswert uns der Verlust der Körperbehaarung auch scheint, fallen die Haare am Kopf aus, ist das für die Betroffenen psychisch oft sehr belastend. Einzelne Haare zu verlieren ist im Prinzip ganz normal: Hautarzt Dr. Harald Bresser erklärt gegenüber der Apotheken Umschau, dass jeder Mensch täglich zwischen 20 und 200 Haaren verliert. Von Haarausfall spricht man erst, wenn diese Grenze über einen längeren Zeitraum überschritten wird, sich kahle Stellen bilden oder eine Glatze entsteht.

Die Gründe für Haarausfall sind vielfältig

Die Gründe für Haarausfall reichen von genetischer Veranlagung über Hautkrankheiten bis hin zu Nebenwirkungen von Medikamenten und Therapien, etwa bei Brustkrebs.

  • Erblich bedingter Haarausfall trifft rund zwei Drittel der Männer und ein Drittel der Frauen in höherem Alter. Die Haare reagieren stärker auf das im Blut zirkulierende Testosteron, wachsen nur kurze Zeit und fallen früher aus. Bei Männern entstehen oft die typischen Geheimratsecken oder/und eine Tonsur, aus denen eine Glatze werden kann. Bei Frauen lichtet sich das Haar oft am Scheitel.
  • Haarausfall durch Medikamente tritt besonders häufig in Zusammenhang mit Chemotherapie zur Krebsbehandlung auf. Die eingesetzten Wirkstoffe greifen Zellen mit hoher Teilungsrate an, wozu auch Haarfollikel zählen, und zerstören diese. Die Haare fallen aus, wachsen aber nicht mehr nach, solange die Therapie dauert, sodass eine Glatze entsteht. Andere Medikamente, zum Beispiel hormonelle Verhütungsmittel, können ebenfalls in den Wachstumszyklus der Haare eingreifen und krankhaften Haarausfall zur Folge haben.
  • In manchen Fällen entstehen kahle Stellen am Kopf infolge einer Krankheit, beispielsweise einer Autoimmunerkrankung oder einer Entzündung der Kopfhaut. Auch zu viel mechanischer Druck und Zug kann die Haarfollikel schädigen und die Haare ausfallen lassen.
  • Lichtet sich das Haar an verschiedenen Stellen am Kopf stark, spricht man von diffusem Haarausfall. Dieser kann ganz unterschiedliche Ursachen haben, unter anderem Medikamente oder Stoffwechselstörungen.

Haarausfall ist nicht immer behandelbar

Viele Formen von Haarausfall lassen sich behandeln. Wenn möglich, muss die Ursache behoben werden, etwa indem Stress reduziert, eine Entzündung der Kopfhaut behandelt oder das Medikament – natürlich nach Rücksprache mit Ärzt:innen – abgesetzt wird. Bei einer lebenswichtigen Chemotherapie ist das nicht möglich. Hier wachsen die verloren Haare aber meist ein bis drei Monate nach Ende der Behandlung wieder nach.

Genetisch bedingter Haarausfall lässt sich nicht behandeln. Es gibt jedoch Wirkstoffe, die – rechtzeitig angewandt – die Empfindlichkeit der Haarwurzeln auf Testosteron senken können und so den Haarverlust bremsen. Auch eine Haartransplantation ist möglich, jedoch in Fällen mit starker Glatzenbildung aufwendig, teuer und nicht immer von Erfolg gekrönt. Je früher Betroffene ärztliche Hilfe suchen, desto erfolgreicher kann diese Form von Haarausfall behandelt werden.

Utopia meint: Schluss mit dem Tabu Körperbehaarung

Jeder Kulturkreis hat eine andere Vorstellung davon, was bei Haaren als schön, weiblich oder männlich gilt. Ob wir diesem Ideal entsprechen, liegt nicht immer in unserer Hand. Trotzdem werden Menschen immer noch wegen oberflächlicher Kriterien wie Körperbehaarung stigmatisiert und ausgegrenzt. Wir bei Utopia empfehlen, verbreitete Schönheitsideale kritisch zu hinterfragen und Menschen nicht auf Äußerlichkeiten zu reduzieren.

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