Dass Fliegen schlecht fürs Klima ist, weiß jeder. Flugzeuge stoßen aber nicht nur CO2 und andere Gase aus, sondern erzeugen auch Kondensstreifen. Auch sie leisten einen Beitrag zum Klimawandel.
Jeder kennt die weißen Streifen, die den Himmel zieren, nachdem wir ein Flugzeug haben vorbeifliegen sehen. Dass es sich dabei um keine „Chemtrails“ handelt, die uns vergiften oder fernsteuern sollen, müssen wir hoffentlich niemandem mehr erklären. Es gibt auch Verschwörungstheoretiker, die behaupten, dass Kondensstreifen das Klima – heimlich – verändern sollen. Nun, das tun sie tatsächlich. Wenn auch nicht heimlich oder im Auftrag irgendeiner Regierung – sondern aufgrund der Naturgesetze.
Kondensstreifen standen bei Umweltwissenschaftlern schon länger in Verdacht, den Treibhauseffekt zu verstärken und damit den Klimawandel zusätzlich voranzutreiben. Im Sommer 2019 fasste das Forscherteam Lisa Bock und Ulrike Burkhardt von der Deutschen Luft- und Raumfahrtbehörde (DLR) neueste Erkenntnisse zusammen. Und kam zu unerfreulichen Ergebnissen.
Was sind Kondensstreifen?
Wenn kein geheimer Plan dahintersteckt, nach dem gruselige Substanzen im Himmel verteilt werden – was sind Kondensstreifen dann eigentlich? Hier hilft schon der Name etwas weiter: Kondensstreifen bestehen zum größten Teil aus Eiskristallen, in geringerer Höhe auch aus Wassertröpfchen, also kondensiertem Wasser.
Die weißen Streifen, die Flugzeuge hinterlassen, unterscheiden sich in der Form von normalen Wolken – in der Farbe allerdings nicht. Das hat seinen Grund: Unter den Abgasen eines Flugzeuges finden sich unter anderem Wasserdampf und Rußpartikel. Einmal ausgestoßen, suchen sich diese in der Erdatmosphäre einen Platz – als Wolke. Wo dieser ist, hängt von Temperatur, Sonneneinstrahlung und globaler Wetterlage ab, die bestimmen, wie viel Wasser die Luft (noch) aufnehmen kann.
In Gegenden, wo Flugverkehr stattfindet – in der Regel etwa 10 Kilometer über dem Boden – ist es besonders kalt: Temperaturen bis zu -50 °C sind keine Seltenheit. Je kälter die Luft, desto weniger dehnt sie sich aus, was zur Folge hat, dass sie weniger Wassermoleküle aufnehmen kann.
Kondensstreifen sind (quasi) lange, schmale Wolken
Ist das der Fall, binden sich die Wassermoleküle auf direktem Weg an Rußpartikel und bilden dort einen Kondensationskeim. Je nachdem, wie ein Flugzeug motorisiert ist, fallen diese Partikel kleiner oder größer aus, deswegen variiert die Erscheinung des Wasserdampfs und damit von Kondensstreifen, auch wenn wir das von unten meist nicht ausmachen können.
Bei einer normalen Wolke findet etwas sehr ähnliches statt: Steigt warme Luft nach oben, kondensiert ein Teil des Feuchtigkeitsgehalts, weil die Luft, die sich durch die Höhe abkühlt, die Feuchtigkeit nicht mehr halten kann. Dabei bindet sich das Wasser an verschwindend kleine Staubpartikel und sammelt sich so zu mehr oder weniger mächtigen (Regen-)Wolken.
Auch ein Kondensstreifen entwickelt sich bei entsprechenden Temperaturen nach einiger Zeit zu einer Zirruswolke und lässt sich dann nicht mehr von einer herkömmlichen Zirruswolke unterscheiden. Per Satellit kann man deshalb auf verkehrsintensiven Flugrouten eine deutliche Häufung von Zirruswolken erkennen.
Kondensstreifen, Zirruswolken und das Klima
An der Deutschen Luft- und Raumfahrtbehörde (DLR) wird viel geforscht, unter anderem an den Folgen des Flugverkehrs für das Erdklima. Ein wichtiges Instrument dafür ist HALO, das „High Altitude and Long Range Research Aircraft“: Dieses Flugzeug fliegt besonders hoch (in bis zu 15 km Höhe) und besonders weit (bis zu 8.000 km) und ist damit gut geeignet, um auch schwerer erreichbare Schichten der Erdatmosphäre zu erforschen.
Zusätzlich hat HALO drei Tonnen Messinstrumente an Bord. Die erfassten Daten fließen, zusammen mit weiteren Messungen und Satellitenbildern, in Klima- und Computermodelle. Mithilfe dieser Berechnungen versuchen Klimaforscher, unter anderem herauszufinden, welche Auswirkungen gerade Zirruswolken auf unser Klima haben.
2013 war man sich noch sehr unsicher. Vergleichsstudien zwischen beflogenen und nicht beflogenen Gegenden seit der Jahrtausendwende wiesen zwar einen Trend auf, konnten aber noch keinen klaren Effekt der Kondensstreifen nachweisen. Die Aussage mancher Modelle zur Wirkung von Kondensstreifen widersprachen sich, sodass der Weltklimarat einen Schnitt aus den Forschungsergebnissen errechnete und zu dem Schluss kam, dass die durch Flugverkehr verursachten Zirruswolken die Rückstrahlkraft zwischen Wolken und Erde im Jahr 2011 mit hoher Wahrscheinlichkeit um etwa 0,5 Watt pro Meter erhöht hatten.
Kondensstreifen machen die Erde wärmer
Warum ist es ein Problem, wenn Wolken oder Kondensstreifen mehr Licht auf die Erde zurückstrahlen? Weil die zusätzlichen Wolken nach heutigem Stand der Forschung weniger wie ein Spiegel wirken, der Sonnenstrahlen ins All zurückschickt, sondern vielmehr wie ein Glasdach funktionieren, das Wärmeenergie zur Erde zurückschickt und so den Treibhauseffekt verstärkt. Diese Vermutung wurde inzwischen durch weitere Forschung von Lisa Bock und Ulrike Burkhardt vom DLR bestätigt.
Die Ergebnisse der Forscherinnen sprechen sogar dafür, dass die Bildung der Wolken eine mindestens so große Wirkung auf das Klima hat wie der jeweilige CO2-Ausstoß eines Fluges. Das Team kommt außerdem zu dem naheliegenden Schluss, dass ein Flugzeug, das weniger Rußpartikel ausstößt, weniger Kondensstreifen verursacht und damit weniger klimaschädlich ist. Denn ohne Rußpartikel keine „Andock-Stationen“ für die Wassermoleküle, also keine Eiskristalle bzw. Wassertropfen, und folglich keine Kondensstreifen.
Das ist nicht irrelevant. Denn wenn unsere Klimapolitik sich nicht ändert, soll der Flugverkehr bis 2050 deutlich zunehmen. Es könnte dann etwa viermal so viele Flüge geben wie noch 2006. Die Autorinnen der DLR-Studie machen deutlich, dass weniger Rußpartikel nicht die Lösung des Problems sein werden. Sie schreiben: „Selbst wenn die Ruß-Emissionen um 90% verringert würden, würde das wahrscheinlich nicht ausreichen, um den Rückstrahleffekt von Kondensstreifen im Jahr 2050 auf dem Niveau des Jahres 2006 zu halten.“
Es ist wahrscheinlich, dass mehr Flugverkehr den Klimawandel-Effekt von Kondensstreifen beschleunigen wird. Das hat unter anderem damit zu tun, dass jedes weitere Flugzeug mehr Platz braucht und der Flugverkehr deshalb auf neue Höhen ausweichen muss. Damit werden mehr Flugzeuge in kälteren Gefilden der Erdatmosphäre unterwegs sein, in denen mehr Wasser gefriert.
Das legt einmal mehr nahe: Lieber möglichst wenig fliegen. Denn zum jetzigen Zeitpunkt gibt es, auch wenn weiter geforscht wird, noch keine Lösung für die Klimaprobleme, die das Fliegen verursacht. Und es ist auch, trotz Fortschritten im Geo-Engineering, nicht abzusehen, ob diese Lösungen rechtzeitig gefunden werden.
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