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Macht spätes Abendessen dick? Was du wissen musst

Macht spätes Abendessen dick?
Foto: CC0 / Unsplash - Pablo Merchán Montes

„Spätes Abendessen macht dick“ – diese Befürchtung ist weit verbreitet. Doch stimmt das wirklich? Wir bringen dich auf den aktuellen Stand.

Viele Beiträge zur Frage, ob spätes Abendessen dick macht, beginnen mit einem bekannten Spruch: „Morgens sollst du essen wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bettelmann.“ Der Spruch passt zu aktuellen Diät-Trends wie dem Dinner Cancelling oder dem Intervallfasten.

Immer mehr Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass längere Essenspausen wie beim Intervallfasten beim Abnehmen helfen und die Gesundheit fördern. Sie sprechen damit eher gegen ein spätes Abendessen. Aber macht spätes Abendessen auch dick?

Macht spätes Abendessen dick? Die Studienlage ist nicht eindeutig

Ernährungswissenschaftler:innen setzen sich bereits seit Längerem mit der Frage auseinander, wie sich ein spätes Abendessen auf den Körper auswirkt. In den letzten Jahren wurden viele Studien durchgeführt, um den Zusammenhang zwischen spätem Abendessen und den Auswirkungen auf die Gesundheit zu ergründen.

Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass spätes Abendessen Übergewicht begünstigt:

  • Eine Studie aus dem Jahr 2020 untersuchte den Einfluss eines späten Abendessens an 397 spanischen Schulkindern und fand heraus, dass die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht und Adispositas bei den Kindern, die spät zu Abend aßen, höher war als bei denen, die früh aßen.
  • Auch eine Studie aus dem Jahr 2019 zeigt anhand von japanischen Frauen, dass spätes Abendessen und ein Snack vorm Schlafengehen das Risiko für Übergewicht und Adipositas erhöht.

Die Studienlage ist nicht eindeutig, so bewertet es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Viele Studien haben methodische Mängel: Der Begriff „Mahlzeit“ wird unterschiedlich definiert und die körperliche Aktivität wird nicht miteinbezogen. Die DGE gibt deshalb aktuell keine klare Empfehlung:

Zurzeit kann keine wissenschaftlich gesicherte Aussage hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Mahlzeitenfrequenz und Körpergewichtsregulation bei gesunden Erwachsenen gegeben werden, sodass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) keine diesbezügliche Empfehlung ausspricht. Entscheidend für die Entwicklung des Körpergewichts ist die Energiebilanz.

Deutsche Gesellschaft für Ernährung

Auf Anfrage konkretisiert Silke Restemeyer von der DGE:

Bisher fehlen qualitative Humanstudien, die zeigen, dass die Reduktion der Nahrungszufuhr auf ein bestimmtes Zeitfenster zu einer Gewichtsreduktion führt. Der aktuelle Kenntnisstand deutet aber darauf hin, dass eine hohe Energiezufuhr und der Verzehr großer Mengen an Kohlenhydraten mit hohem GI (Glykämischen Index) am Abend vermieden werden sollte.

Silke Restemeyer, DGE

Spätes Abendessen erhöht womöglich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Neben dem Einfluss auf das Gewicht gibt es weitere gesundheitliche Risiken, die mit einem späten Abendessen einhergehen. So legt eine Studie aus dem Jahr 2023 anhand von 103.000 Teilnehmer:innen nahe, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch spätes Abendessen steigt: Wird die letzte Mahlzeit nach 21 Uhr eingenommen, steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 28 Prozent im Vergleich zum Abendessen vor 20 Uhr – und zwar insbesondere bei Frauen.

Gleichzeitig zeigt die Studie auch, dass es nicht allein auf den Zeitpunkt der Mahlzeiten ankommt: Die spät essenden Teilnehmer:innen tranken mehr Alkohol, gingen später zu Bett und aßen unregelmäßiger im Vergleich zu den früh essenden Teilnehmer:innen.

Zusammenhänge zwischen spätem Abendessen und Sättigungsgefühl

Spätes Abendessen ist auch für die Chronobiologie ein interessantes Thema. Dieser Wissenschaftszweig beschäftigt sich mit der Frage, wie die sogenannte „innere Uhr“ sich auf den Körper eines Lebewesens auswirkt. Beispielsweise haben Forscher:innen herausgefunden, dass der Hormonspiegel einiger Hormone wie Insulin oder Leptin sich im Tagesverlauf ändert. Das Hormon Leptin sorgt dafür, dass wir uns satt fühlen. Üblicherweise ist unser Leptinspiegel in der Nacht erhöht – so können wir lange ohne Essen auskommen, während wir schlafen.

Eine Studie der Max-Planck-Gesellschaft stellte jedoch fest: Bei Menschen, die nach 19 Uhr noch mehrere Mahlzeiten aßen, war in der Nacht der Leptinspiegel niedriger. Dadurch hatten sie vermutlich ein weniger starkes Sättigungsgefühl und nahmen über den Tag verteilt insgesamt mehr Kalorien zu sich.

Umgekehrt kann wohl auch Schlafentzug unser Sättigungsgefühl beeinflussen und uns zu spätem Abendessen verleitenTierversuche an Mäusen zeigen, dass ihre Körper nachts weniger Fett abgebaut hatten, wenn ihr Schlafrhythmus gestört wurde. Außerdem hatten sie einen niedrigeren Blutzuckerspiegel und bekamen dadurch nachts Hunger. Die Forscher vermuten, dass es einen ähnlichen Mechanismus auch beim Menschen geben könnte.

Interessanterweise scheint die innere Uhr selbst ohne Zugang zum Tageslicht zu funktionieren. Das zeigt zum Beispiel ein Experiment, von dem die Deutsche Apothekerzeitung berichtet: 400 Freiwillige lebten für drei bis vier Wochen vollkommen isoliert in einem Bunker. Sie hatten während dieser Zeit keine Ahnung, ob es Tag oder Nacht war und konnten essen, wann sie wollten. Erstaunlicherweise nahmen die meisten Menschen über den Tag verteilt drei regelmäßige Mahlzeiten zu sich und schliefen täglich etwa acht Stunden. Ihr Gewicht änderte sich dabei nicht.

Fazit: Macht spätes Abendessen essen dick?

Die Ergebnisse bisheriger Studien deuten darauf hin, dass ein spätes Abendessen Übergewicht, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt, eine klare Einordnung der DGE gibt es aktuell nicht.

Jeder Mensch hat eine individuelle innere Uhr. Was für den einen spät ist, ist für den anderen möglicherweise noch früh. Chronobiolog:innen und Ernährungswissenschaftler:innen gehen momentan davon aus, dass man am gesündesten lebt, wenn man sich der eigenen inneren Uhr anpasst.

Und neben dem Zeitpunkt der Mahlzeiten kommt es natürlich auch darauf an, was du isst: Anstelle von stark verarbeiteten Lebensmitteln solltest du dich ausgewogen mit ausreichend frischem Obst und Gemüse ernähren.

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