Solarmodule sind eigentlich sehr langlebig – und landen oft zu früh auf dem Müll. Das Start-up Panelretter aus Franken will diesen Modulen ein zweites Leben schenken. Geschäftsführer Tillman Durth spricht im Utopia-Interview über die Vorteile von Refurbished-Balkonkraftwerken.
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Balkonkraftwerke ermöglichen auch Privatpersonen in Mietwohnungen, aktiv einen kleinen Teil zur immer dringlicheren Energiewende beizutragen. Noch dazu sparen sie langfristig Stromkosten ein und die Anschaffungskosten amortisieren sich in der Regel bereits nach einigen Jahren.
Allerdings musst du auch bei einem Balkonkraftwerk nicht unbedingt Neuware kaufen. Das fränkische Start-up Panelretter portierte das von Smartphones bekannte „Refurbished„-Konzept jüngst in die Welt der Steckersolaranlagen – und bietet gebrauchte und wiederaufbereitete Solarpanels in Form verschiedener Balkonkraftwerk-Sets an. Utopia hat mit Geschäftsführer Tillmann Durth über die Geschäftsidee und seine Sicht auf den Solarenergieausbau gesprochen.
Panelretter: So entstand die Idee zum Refurbished-Balkonkraftwerk
Utopia: Warum ist es überhaupt nötig, Solarpanels zu „retten“?
Tillmann Durth: Weil jedes Jahr eine große Menge funktionsfähiger Solarmodule frühzeitig verschrottet wird, anstatt sie weiterzunutzen. Mein Panelretter-Mitgründer Chris [Christoph Kirschner, Anm. d. Red.] ist darauf aufmerksam geworden, als er für sein Haus eine Solaranlage anschaffte. Einige Module wurden dabei allein aufgrund optischer Mängel retourniert. Diese können beispielsweise beim Versand oder bei der Installation entstehen. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass diese Panels weggeworfen wurden, obwohl sie noch funktionierten. Chris forschte weiter nach und fand heraus, dass das kein Einzelfall war, sondern jährlich Hunderttausende von Modulen in Deutschland aus diesen Gründen verschrottet werden. Das fanden wir absurd und sind auf die Idee gekommen, gemeinsam Panelretter zu gründen. Mit den Panelretter-Balkonkraftwerken wollen wir die Nutzungsdauer der Solarmodule verlängern.
Woher bezieht Panelretter die Solarmodule für Refurbished-Balkonkraftwerke?
Wir haben zwei Hauptquellen. Die erste Quelle sind Module, die – wie damals bei Chris – bei Versand oder Installation optisch beschädigt wurden und deshalb zurückgeschickt werden. Die zweite Quelle sind gebrauchte Module aus Solarparks. Sie sind meist noch relativ neu und haben daher oft eine Restlaufzeit von über 20 Jahren. Unsere Kriterien für Panelretter-Module aus Solarparks sind: Sie dürfen nicht älter als 10 Jahre sein, müssen noch über 90 Prozent ihrer Nennleistung haben und sich in einem einwandfreien und sicheren Zustand befinden.
Solarenergie selbst ohne Recycling besser als fossile Energieträger
Wieso mustern Solarparks noch funktionsfähige Technik so schnell aus?
Tillmann Durth: Es ist aus meiner Sicht tatsächlich unsinnig, dass so viele funktionsfähige Module verschrottet werden. Prinzipiell ist die Technologie selbst älterer Solarpanele nämlich extrem langlebig. Die Dinger halten ewig. Selbst Module aus den 1990er Jahren funktionieren teilweise noch und können mitunter 90 Prozent ihrer ursprünglichen Leistung liefern. Die Lebensdauer übersteigt also oft deutlich die Garantie der Hersteller von „nur“ 25 Jahren. Nicht die Lebensdauer ist dafür verantwortlich, oftmals liegt es an der Praxis des sogenannten Repowerings.
Was genau versteht man unter Repowering?
Tillmann Durth: Repowering kommt ursprünglich aus der Windbranche und beschrieb damals das Verfahren, alte Windräder durch neue, leistungsfähigere Modelle zu ersetzen. Seit ein paar Jahren wird dieser Begriff auch im Zusammenhang mit Solarparks verwendet. Dabei werden bestehende Photovoltaikpanele abgebaut und durch neue, leistungsfähigere Module ersetzt. Die Planung neuer Solarparks ist mit viel Bürokratie verbunden und dauert lange. Da ist es für Betreiber oft attraktiver, alte Parks zu erneuern und deren Effizienz zu steigern, anstatt die bisherigen Module weiterzunutzen. Dabei gäbe es in Deutschland genügend Flächen für neue Solarparks, ohne die alten abbauen zu müssen. Aus meiner Sicht sollte die Politik deshalb die Hürden für die Nutzung neuer Flächen senken und den Neubau attraktiver gestalten anstatt Repowering zu fördern.
Wenn so viele funktionsfähige Module verfrüht entsorgt werden, ist Solarenergie im Ganzen betrachtet überhaupt noch ökologisch sinnvoll?
Ja, absolut. Und es ist mir sehr wichtig, das trotz der angesprochenen Probleme klar zu kommunizieren. Wir bei Panelretter sind absolute Verfechter dieser Technologie! Der Ausbau der Solarenergie ist für uns ein essenzieller Teil der Lösung für die Energiewende und wird es auch in Zukunft sein. Der enorme Fortschritt in den letzten Jahrzehnten ist vielversprechend. Selbst wenn man die Module nicht recycelt, ist der ökologische Fußabdruck besser als der von fossilen Energieträgern. Allerdings halten wir es gleichzeitig für wichtig, Solarenergie langfristig zu denken und zukünftige Probleme nicht aufzuschieben und damit größer werden zu lassen. Denn die Auswirkungen der Entsorgung der heute genutzten Technik werden wir sonst erst in 20 oder 30 Jahren sehen.
Recycling von Solarmodulen: Was derzeit möglich ist
Stichwort Entsorgung: Wie ist der aktuelle Stand der Dinge beim Recycling von Solartechnik?
Das Problem beginnt eigentlich schon vorher: Bei der fehlenden Umsetzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Es sieht vor, dass Produkte so lange wie möglich genutzt und erst danach recycelt werden sollen. Obwohl es in der Theorie eine Abfallpyramide gibt, die Wiederverwendung vor dem Recycling priorisiert, wird diese in der Praxis bei Solarmodulen nicht konsequent umgesetzt. Der Gesetzgeber hat beim Recycling von Solarpanelen schon einiges vorgegeben. Es gibt eine gesetzliche Quote von 80 Prozent, die beim Recycling erfüllt werden muss. Allerdings ist diese leicht zu erreichen, wenn man lediglich das Glas und den Alurahmen recycelt. Die wirklich wertvollen und zum Teil umweltschädlichen Ressourcen wie Silicium und Kunststoffe werden dabei oft vernachlässigt. Es gibt zwar Möglichkeiten, Solarpanele komplett zu recyceln, aber diese sind noch nicht ausgereift genug, um die Menge an Modulen zu bewältigen.
Was müsste sich aus deiner Sicht ändern, um die Situation zu verbessern?
Das Fraunhofer-Institut arbeitet an der Entwicklung von Solarmodulen, die ein einfacheres Recycling ermöglichen. So könnten beispielsweise zukünftig kaputte Zellen einzeln ausgetauscht werden, anstatt bei einem Defekt das gesamte Modul zu entsorgen. Auch die Verwendung von weniger Klebstoffen bei der Produktion würde das Recycling deutlich vereinfachen. Allerdings ist unser Einfluss in Deutschland begrenzt: Momentan liegt die Modulproduktion zu 90 Prozent in China und der Wille zu nachhaltigeren Designs müsste dort gestärkt werden. Ein Problem ist dabei das Rücknahmesystem: Anders als in Deutschland, wo jeder Händler bei Verkauf eines Moduls in ein Rücknahme- und Recyclingsystem einzahlt, gibt es in China keinen solchen Anreiz für nachhaltiges Design.
So prüft Panelretter die Funktionsfähigkeit der Balkonkraftwerke
Wir prüft ihr gebrauchte Solarmodule bei Panelretter, bevor ich sie in einem eurer Balkonkraftwerk-Sets kaufen kann?
Tillmann Durth: Wir arbeiten mit einem TÜV-zertifizierten Prüflabor, wo die Module für uns durchgemessen werden. Das Labor führt die gleichen Prüfungen durch wie bei fabrikneuen Modulen, um sicherzustellen, dass sie einwandfrei funktionieren. Zuerst wird jedes Modul auf seine Sicherheit überprüft, insbesondere die Isolierung zwischen Kabeln, dem Aluminiumrahmen, der Leerlaufspannung und dem Kurzschlussstrom. Anschließend wird die Leistungskurve des Moduls ermittelt, um die tatsächliche Nennleistung und das Verhalten bei Sonneneinstrahlung zu bestimmen. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die sogenannte Elektrolumineszenzprüfung. Dabei wird das Modul quasi umgekehrt betrieben. Es wird Strom hineingeschickt, sodass die Zellen im Infrarotbereich leuchten. Du kannst dir das so ähnlich wie ein Röntgenbild vorstellen, auf dem man sehen kann, ob Zellen beschädigt sind. Nach der Prüfung auf Funktionalität im Labor werden die Module an die Lebenshilfe Erlangen weitergegeben, wo sie gereinigt und für den Versand in unseren Balkonkraftwerk-Sets vorbereitet werden.
Ihr arbeitet über die Lebenshilfe Erlangen für die Reinigung eurer Module mit einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung zusammen. Dieses Konzept steht immer wieder in der Kritik, da Werktstätten teils Ausbeutung der Mitarbeitenden vorgeworfen wird. Wie steht ihr dazu?
Wir haben uns bewusst für die Zusammenarbeit mit einer Lebenshilfe-Werkstatt entschieden, weil uns eine nachhaltige und faire Lieferkette wichtig ist. Bevor wir uns für die Partnerschaft entschieden haben, konnten wir die Werkstätte mehrmals besuchen. Die Vorwürfe der Ausbeutung in solchen Einrichtungen sind uns bekannt, und wir verstehen, woher sie kommen. Natürlich können wir nicht für alle Lebenshilfe-Werkstätten sprechen, aber bei unserer spezifischen Partnerwerkstatt in Erlangen konnten wir uns persönlich von den guten Arbeitsbedingungen überzeugen.
Verwendet ihr in euren Panelretter-Balkonkraftwerk-Sets neben den Solarpanels auch andere gebrauchte Produkte?
Neben den Solarpaneelen sind mittlerweile auch die Wechselrichter in unseren Balkonkraftwerk-Sets refurbished. Es handelt sich dabei allerdings nicht um Gebrauchtware in dem Sinne, sondern um von uns aufgekaufte Versandrückläufer. Die werden ausgepackt und durchgemessen, um ihre Funktionalität sicherzustellen. Für die Zukunft ist geplant, auch die Kabel und Halterungen gebraucht oder anderweitig nachhaltiger anzubieten. Darüber hinaus ist unsere Verpackung „second use“: Wir beziehen bereits genutzte, unperfekte Kartons und Luftpolsterfolie von anderen Handwerksbetrieben. Jeder Karton kann bei uns also etwas anders aussehen.
Unterschiede zum Neukauf? Garantie und Leistung eines Refurbished-Balkonkraftwerks
Gehen wir davon aus, ich kaufe eines eurer Refurbished-Balkonkraftwerke. Habe ich darauf eine Garantie oder Gewährleistung?
Du hast auf jeden Fall die gesetzliche Gewährleistung für ein Jahr nach dem Kauf. Eine Garantie können wir derzeit noch nicht anbieten. Wir arbeiten aber daran. Unser Unternehmen ist noch jung und wir wollen sicherstellen, dass wir eine Garantie seriös und langfristig absichern können. Denn eine Garantie anzubieten bringt unseren Kunden nichts, sollte Panelretter in ein paar Jahren nicht mehr existieren. Und wir sprechen bei Solartechnik-Garantien über Jahrzehnte, im Gegensatz zu den meisten anderen Garantien bei Elektronik, die maximal drei oder vier Jahre abdecken. Wie gesagt: Solarpanels sind extrem langlebig. Manchmal haben Kunden dennoch Angst, dass ein gebrauchtes Modul nicht lange hält. Und ich kann Menschen verstehen, die lieber unbedingt auf Nummer sicher gehen möchten. Für so jemanden ist dann ein neues Produkt wohl besser geeignet.
Wie leistungsfähig sind die gebrauchten Module im Vergleich zu Neuware?
Die Module in unseren Balkonkraftwerken haben noch über 90 Prozent, meist sogar um die 95 Prozent ihrer ursprünglichen Nennleistung. Natürlich gibt es Menschen, die sich von einem Balkonkraftwerk die maximale Leistung erwarten. Das ist verständlich, aber in diesen Fällen kommt es stark auf die individuelle Situation an: Grundsätzlich bieten unsere Balkonkraftwerke mit gebrauchten Panels nämlich die gleiche oder sogar eine höhere Leistung im Vergleich zu neuen Modulen. Denn wir liefern zum gleichen Preis einfach mehr Photovoltaikmodule. Wer viel Platz auf dem Dach, am Balkon oder an der Garage hat, für den spielt es keine Rolle, ob zwei oder vier Module aufgestellt werden.
„Einstieg in die Energiewende“
Welche Fehlannahmen über Balkonkraftwerke hört ihr bei der Beratung potenzieller Kund:innen besonders häufig?
Viele Leute denken, dass der Anschluss eines Balkonkraftwerks elektrisch kompliziert sei. Das ist aber ein Irrglaube. Die Geräte sind so gebaut, dass man sie eigentlich gar nicht falsch anschließen kann. Für viele unserer Kunden ist die Montage der Halterungen die größere Herausforderung. Oft stellt sich bei der Beratung heraus, dass die Interessenten zwar sehr an Nachhaltigkeit interessiert sind, aber keinen großen handwerklichen Hintergrund haben. Diese Menschen möchten ihren Stromverbrauch nachhaltiger gestalten und wir versuchen, gemeinsam mit ihnen Lösungen zu entwickeln, die sie selbst montieren können. Das ist uns sehr wichtig, da es die Gesamtkosten niedrig hält. Oft sind es auch Menschen, die sich vielleicht zum ersten Mal mit dem Thema Solarenergie auseinandersetzen und durch ein Balkonkraftwerk einen Einstieg in die Energiewende finden.
Wie kann ein Balkonkraftwerk als Einstieg in die Energiewende dienen?
Tillmann Durth: Insbesondere Balkonkraftwerke sind eine großartige Möglichkeit für jeden Bürger, selbst einen kleinen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Sie sind vergleichsweise günstig und einfach zu installieren. Das Tolle ist, dass man damit die Energiewende direkt im eigenen Haushalt erlebbar macht. Man sieht auf der App, wie viel Strom produziert und wie viel Kosten dadurch gespart werden. Viele motiviert das dazu, den eigenen Verbrauch bewusster zu gestalten. Sie fangen dann zum Beispiel an, ihre Waschmaschine einzuschalten, wenn die Sonne scheint und beschäftigen sich generell mehr mit dem Thema Solarenergie. Balkonkraftwerke können daher auch generell der Einstieg in eine nachhaltigere Lebensweise sein. Langfristig können sie dazu beitragen, dass sich mehr Menschen für eine Solaranlage auf dem eigenen Haus entscheiden, wenn sie denn die Möglichkeit dazu haben.
>> Zur Webseite von Panelretter.
Zusatztipp der Utopia-Redaktion: Wechsle zu echtem Ökostrom
Auch mit dem besten Balkonkraftwerk-Set kannst du höchstwahrscheinlich nur einen Teil deines Strombedarfs decken. Daher empfiehlt Utopia sicherzugehen, dass auch dein weiterer Bedarf durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Dabei gibt es nur einige wenige echte Ökostrom-Anbieter, die die Utopia-Redaktion vollumfänglich empfiehlt. Du findest sie in unserer Ökostrom-Bestenliste:
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