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Pretty Privilege: Ist das Leben für die Schönen einfacher?

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Foto: CC0 / Pixabay / StockSnap

Wer schön ist, ist auch gut – auf dieser Annahme basiert das Pretty Privilege. Davon profitieren Menschen, die als attraktiv gelten. Sie werden in vielen Bereichen des Lebens bevorzugt behandelt.

Manchen Menschen scheint im Leben vieles einfach ohne große Anstrengung zuzufallen: Sie schreiben scheinbar mühelos gute Noten, landen sofort einen Traumjob, haben keine Probleme bei der Wohnungssuche, führen ein erfülltes Sozialleben – und gelten nach konventionellen Standards als schön. Tatsächlich soll der letzte Punkt überhaupt dafür verantwortlich sein, dass es einige Menschen im Leben einfacher haben als andere: Attraktivität bringt Vorteile in vielen Lebensbereichen mit sich. Diese Vorteile sind unter dem Begriff „Pretty Privilege“ zusammengefasst. 

Was ist Pretty Privilege?

Pretty Privilege ist auf das "Beauty is Good"-Stereotyp zurückzuführen.
Pretty Privilege ist auf das „Beauty is Good“-Stereotyp zurückzuführen.
(Foto: CC0 / Pixabay / Starkvisuals)

Unter Pretty Privilege versteht man Vorteile für Menschen, die dem gängigen Schönheitsideal entsprechen. Laut dem Attraktivitätsforscher und Wirtschaftspsychologen Martin Gründl haben es attraktive Menschen in vielen Bereichen des Alltags leichter, da ihnen eher positive Qualitäten zugeschrieben werden. Das ist auf das sogenannte „Beauty is Good“-Stereotyp zurückzuführen. Es bezieht sich auf die weitverbreitete Annahme, dass attraktive Menschen auch gute Eigenschaften besitzen und moralisch besser sind als weniger attraktive Menschen. Es handelt sich um eine Form der Vorurteilsbildung, bei der positive Eigenschaften wie Intelligenz, Freundlichkeit, Kompetenz oder moralische Charakterstärke mit äußerer Attraktivität in Verbindung gebracht werden. 

Davon profitieren attraktive Menschen laut Gründl vor allem in Situationen, in denen es auf dem ersten Eindruck ankommt, also zum Beispiel bei der Jobsuche: „Personaler fallen auf Stereotype rein. Was attraktiven Menschen zugeschrieben wird, ist ein Vorurteil.“ 

Das hat laut einer Studie der University of Buffalo zur Folge, dass attraktive Menschen eher eingestellt werden, bessere Beurteilungen erhalten und besser bezahlt werden. Dass sich gutes Aussehen wortwörtlich im Job auszahlt, kann eine Harvard-Studie sogar beziffern. Ihr zufolge verdienen überdurchschnittlich schöne Arbeitnehmer:innen etwa zehn bis 15 Prozent mehr als unterdurchschnittlich schöne Arbeitnehmer:innen. Die Ökonomin Eva Sierminska schrieb in einem Artikel für das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), dass schöne Frauen in Deutschland sogar rund 20 Prozent mehr verdienen als der Durchschnitt. 

Die besseren Verdienstmöglichkeiten hängen damit zusammen, dass attraktivere Menschen einen höheren Stellenwert in einem Unternehmen haben, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler Daniel Hamermesh laut Psychology Today. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes „wertvollere“ Mitarbeitende, weil sie ihren Unternehmen oft mehr Geld einbringen. Denn ein:e gut aussehende:r Versicherungsvertreter:in verkaufe zum Beispiel mehr Versicherungen als jemand mit unterdurchschnittlich attraktivem Aussehen. 

Pretty Privilege macht sozialer und selbstbewusster

Wer als schön gilt, entwickelt oft auch damit assoziierte Eigenschaften.
Wer als schön gilt, entwickelt oft auch damit assoziierte Eigenschaften.
(Foto: CC0 / Pixabay / 5688709)

Der Erfolg schöner Menschen hat auch damit zu tun, dass sich diese Personen ihrer Attraktivität bewusst sind und versuchen, den damit verbundenen Erwartungen der Menschen gerecht zu werden. Das heißt: Hübsche Menschen sind nicht unbedingt netter, witziger, klüger und kompetenter. Aber wenn andere Leute dies von ihnen annehmen und sie dementsprechend behandeln, entwickeln attraktive Menschen laut der klinischen und forensischen Neuropsychologin Judy Ho die passenden Fähigkeiten weiter. 

Das beginnt bereits im Kindesalter: Wenn jemand schon als Kind „hübsch“ war, erfährt er oder sie durch Familie, Freund:innen und Lehrer:innen wahrscheinlich mehr positive Aufmerksamkeit, zum Beispiel in Form von Lob oder Förderung. Das kann dazu führen, dass solche Kinder sozial geschickter, aufgeschlossener oder selbstbewusster wird.

„Dadurch wird ein positives Selbstbild gestärkt, und aufgrund dieser positiven Sichtweise und der Entwicklung eines besseren Selbstbewusstseins entwickeln sie manchmal auch andere Fähigkeiten, die ihnen dabei helfen, diese positive Verstärkung noch mehr zu erhalten“, erklärt Judy Ho. Schöne Menschen werden also auch auf eine Weise sozialisiert, damit sie unsere mit Schönheit assoziierten Vorurteile bestätigen. 

Wo das Pretty Privilege Vorteile bringt

Bereits in der Schule spielt Pretty Privilege eine Rolle.
Bereits in der Schule spielt Pretty Privilege eine Rolle.
(Foto: CC0 / Pixabay / steveriot1)

Pretty Privilege spielt nicht nur im beruflichen Kontext eine Rolle. Auch in vielen anderen Bereichen werden attraktive Personen bevorzugt behandelt:

  • Bildung: Bereits Kinder erfahren durch Pretty Privilege Vorteile. Der Soziologe Ulrich Rosar von der Universität Düsseldorf argumentiert im Stern, dass hübsche Kinder nicht nur schneller Freundschaften bilden, sondern sich auch weniger im Unterricht anstrengen müssen, um gute Noten zu erhalten. Denn gutaussehende Schüler:innen würden auf Klassenkamerad:innen und Lehrer:innen sozialer und leistungsfähiger wirken. 
  • Dating: Auch wenn die Beurteilung von Schönheit durchaus subjektiv sein kann, gibt es doch gängige Schönheitsideale, die viele Personen anziehen. Wer diesen entspricht, kann vor allem bei Dating-Apps punkten, wie eine Studie der Psychologin Dr. Sandra Wheatley zeigt. Diese Personen erhalten nämlich im Schnitt mehr „Matches“. 
  • Soziale Beziehungen: Menschen, die als attraktiv gelten, werden oft als selbstbewusster wahrgenommen (oder sind es tatsächlich wegen der entsprechenden Sozialisierung), was eine große Rolle bei der Erweiterung sozialer Kreise und dem Aufbau von Kontakten spielen kann. 
  • Rechtsprechung: Das Gegenteil vom „Beauty is Good“-Stereotyp ist übrigens das „Anomalie-ist-schlecht“-Stereotyp. Das heißt: Menschen mit Anomalien – zum Beispiel im Gesicht in Form von Narben, Muttermalen oder Entwicklungsanomalien – werden oft als weniger intelligent, weniger kompetent und weniger vertrauenswürdig angesehen. Verübt eine Person mit normabweichendem Aussehen eine Straftat, ist das daher oft leichter zu glauben, als wenn eine attraktive Person sich eines Vergehens schuldig macht. Das hängt mit dem sogenannten Halo-Effekt zusammen, einem psychologischen Phänomen, bei dem unser erster Eindruck von einer Person oder Sache auch unsere nachfolgende Wahrnehmung und Bewertung beeinflusst. Das zeigt sich auch im Gerichtssaal. Tatsächlich hat die Forschung nämlich ergeben, dass unattraktive Angeklagte eher von den Geschworenen für schuldig befunden werden als gut aussehende Personen. Außerdem bekommen sie oft längere Strafen

Auch für schöne Menschen ist nicht immer alles einfach

Schönheit bringt demnach viele (unverdiente) Vorzüge mit sich. Das bedeutet aber nicht, dass Attraktivität der einzige Schlüssel zum Erfolg ist. Ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl, ein guter Humor und professionelle Kompetenzen sind schließlich nicht allein den Schönen vorbehalten und ebenfalls Eigenschaften, die den Halo-Effekt auslösen können. 

Zudem gibt es auch immer wieder wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Wirkmacht des Pretty Privilege in Frage stellen. Einige US-Forscher:innen zweifeln zum Beispiel die seit Jahrzehnten eigentlich gut erforschte „Schönheitsprämie“ im Job an und schlussfolgern, dass Gesundheit, Intelligenz und günstige Persönlichkeitsfaktoren eher ausschlaggebend für eine bessere Bezahlung sind. Die Ergebnisse der Studie wurden allerdings von anderen Expert:innen als nicht aussagekräftig eingestuft. 

Trotzdem haben es auch schöne Menschen nicht immer leicht(er) im Leben. Der Halo-Effekt kann nämlich auch umgekehrt wirken, wie ein BBC-Artikel ausführt. Insbesondere attraktive Frauen können demnach einen Nachteil erfahren: Während attraktive Männer beispielsweise als bessere Führungskräfte gelten, können sich gegen Frauen sexistische Vorurteile richten, so dass sie seltener für hochrangige Stellen, die Autorität erfordern, eingestellt werden. Eine Studie hat außerdem ergeben, dass bei einem Vorstellungsgespräch mit einer Person desselben Geschlechts die Wahrscheinlichkeit geringer ist, eingestellt zu werden, wenn der:die Personaler:in den:die Bewerber:in für attraktiver hält als sich selbst.

Fazit zu Pretty Privilege

Als schön geltende Menschen können nichts für ihre Bevorzugung – unsere Tendenz, sie bevorzugt zu behandeln, liegt in unserer Biologie und Psychologie begründet. Laut Judy Ho weist zum Beispiel ein symmetrisches (und daher oft als attraktiv geltendes) Gesicht auf starke und gesunde Gene hin. Aus evolutionärer Sicht ergibt es demnach Sinn, attraktiven Menschen positiv zu begegnen, denn ihre Gene versprechen einen erfolgreichen Beitrag zum Überleben der Spezies.

Dennoch sollte das Pretty Privilege nicht einfach hingenommen werden, denn es geht mit Nachteilen für Personen mit normabweichendem Aussehen einher. In Bereichen, in denen es um Beurteilungen geht (ob in der Schule, im Beruf oder in der Rechtsprechung) muss ein Bewusstsein für die oft unbewusste Bevorzugung schöner Menschen geschaffen werden. Gleichzeitig sollte es alternative Bewertungssysteme geben. In der Schule könnten das zum Beispiel anonymisierte Tests sein. 

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